Abschied nehmen – das muss das Palliativnetzwerk Lörrach nun von ihrem eigenen Wünschebus. Drei Jahre lang lief das Projekt, um sterbenskranke Menschen an Sehnsuchtsorte zu bringen. Dafür gab es Zuspruch und Spenden genug, doch Patienten fehlten, so Mitbegründer Mario Steffens. Mangelnde Unterstützung aus dem Landkreis sei ein Grund für den Schlussstrich.

Die Wünsche eigener Patienten konnten erfüllt werden

Das Palliativnetz Lörrach betreut schwerstkranke Menschen zu Hause, Hand in Hand mit dem Hausarzt, den Fachärzten, dem Pflegedienst oder der stationären Einrichtung. Diese Zusammenarbeit sei entscheidend für eine optimale Versorgung der Patienten, sagt Steffens. Der Arzt und Geschäftsführer des Palliativnetzes Lörrach spricht auch von einer würdezentrierten Versorgung, bei der nicht nur die Symptome behandelt, sondern auch darüber hinausgehende Bedürfnisse berücksichtigt würden – wie etwa die Erfüllung eines letzten Wunsches.

Das kann Wunder wirken. „Wenn der Patient Freude hat, Glückshormone ausschüttet, dann empfindet er schon mal weniger Schmerzen“, erklärt Steffens. Das erlebte das ehrenamtliche Team aus Ärzten und Pflegekräften auf Tour mit dem Wünschebus Südbaden, der ausgestattet wie ein Rettungswagen selbst bettlägerige Patienten transportierte. So konnten etwa 15 schwerkranke Patienten aus der Versorgung des Palliativnetzes Lörrach zu ihren Wunsch-Orten gebracht werden, um ein Lebensgefühl zu wecken und Abschied zu nehmen.

Anmeldungen für den Wünschebus aus anderen Versorgungseinrichtungen in Südbaden seien kaum eingetroffen, sagt Steffens.

Der Wünschebus Südbaden ist wie ein Krankenwagen ausgestattet, um schwerkranke Patienten an ihren Wunschort zu bringen.
Der Wünschebus Südbaden ist wie ein Krankenwagen ausgestattet, um schwerkranke Patienten an ihren Wunschort zu bringen. | Bild: Mario Steffens, Verena Wehrle

Wünsche anderer Patienten drangen nicht rechtzeitig durch

„Wir wurden einfach nicht oder nicht rechtzeitig berücksichtigt“, glaubt der Geschäftsführer. Er sei tief enttäuscht und kritisiert die mangelnde Unterstützung durch andere Kliniken, Hospize, ambulante Hospizgruppen – andere Institutionen und Personen, die letztlich die Patienten betreuen und über Angebote wie den Wünschebus informieren könnten.

Lediglich eine Anmeldung aus Freiburg hätten die Organisatoren erhalten – zu spät, wie Steffens erklärt. Denn der Patient sei verstorben, bevor er seinen Wunsch überhaupt äußern konnte. Aus Lörrach, dem Zuhause des Wünschebusses, sei keine einzige Anmeldung eingetroffen. „Das Interesse der Institutionen aus dem Landkreis war einfach gleich null“, bilanziert Steffens.

Hospiz nimmt Stellung zu Steffens Kritik

Das Hospiz am Buck in Lörrach nimmt auf Anfrage unserer Zeitung Stellung zur Kritik. „Selbstverständlich waren wir von Anfang an sehr gut informiert und sowohl die Flyer des Busses als auch eine Spendenkasse waren bei uns an prominenter Stelle platziert“, schreibt die Einrichtungsleiterin Graziella Scholer. Genauso lägen Informationen zu dem Herzenswunsch-Mobil des Deutschen Roten Kreuzes in Lörrach aus, das exakt dieselbe Klientel anspreche. So gäbe es zwei identische Angebote für eine überschaubare Interessengruppe im Hospiz am Buck.

Denn hier gab es bis vor kurzem nur sechs Plätze für Patienten in einem meist weit fortgeschrittenen Stadium ihrer Erkrankung. So sei es wohl ihr letzter Wunsch gewesen, im Hospiz betreut zu werden und im Kreis ihrer Familie zur Ruhe zu kommen, schreibt Scholer. „Von daher war bei der kleinsten Menge an potenziellen Nutzern leider nie davon auszugehen, dass das Hospiz am Buck in Lörrach maßgeblich zum Erhalt des Projekts beitragen könnte“, bedauert die Einrichtungsleiterin.

Der DRK-Kreisverband Lörrach betreibt das Herzenswunsch-Mobil für schwerst- oder sterbenskranke Menschen.
Der DRK-Kreisverband Lörrach betreibt das Herzenswunsch-Mobil für schwerst- oder sterbenskranke Menschen. | Bild: DRK Kreisverband Lörrach

Eine weitere angefragte Stellungnahmen größerer Einrichtungen mit Patienten in der Versorgung ging ins Leere. Die angefragte Klinik am Hochrhein meldet, dass sie keine Palliativstation betreiben und so keine Berührungspunkte mit dem Wünschebus haben würden.

Nachträglich antwortet die Ambulante Hospizgruppe Dreiländereck, die Menschen auch im Landkreis Lörrach bei der Sterbe- und Trauerbegleitung versorgt. „Von der Einrichtung des Wünschebusses waren wir begeistert“, schreibt der Vorsitzende Tonio Paßlick. Das Angebot sei bei öffentlichen Veranstaltungen und internen Mitarbeitertreffen kommuniziert worden. Doch die auf seelischer Ebene arbeitende Sterbebegleitung der Hospizgruppe erfolge nur ergänzend zur palliativen Betreuung. „Darum müssen wir davon ausgehen, dass das Bedürfnis nach Nutzung des Wünschebusses vor allem an die Palliativ-Mitarbeiter geäußert wird und erst in zweiter Linie an uns“, schreibt der Vorsitzende.

Spendengelder gehen zurück

Sicher ist, dass das Projekt des Paliativnetzes Lörrach nun wegen fehlender Patienten scheitert. Auch aus der eigenen Versorgung zwischen 50 und 60 dauerhaften Patienten konnten keine weiteren angemeldet werden, sagt Steffens. Denn einige Patienten seien mittlerweile zu krank für den Transport im Wünschebus – eine Tatsache, die von der ambulanten Ethik-Beratung des Palliativnetzes beachtet wurde, um eine willkürliche Auswahl von Patienten zu vermeiden, erklärt Steffens.

Nun werden alle zweckgebundenen Spenden für das Projekt an Personen und Institutionen zurücküberwiesen und die weiteren Spendengelder an gemeinnützige Einrichtungen gespendet. Auch der Wünschebus werde weitergegeben. Steffens und sein Team haben abgeschlossen, doch die Erinnerungen an eine schöne und emotionale Zeit bleiben: Als sie mit rund 15 schwerkranken Patienten etwa in den Europapark oder sogar nach Genua in Italien fuhren – alles, um ihnen in ihrer letzten Lebensphase ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.

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