Rhetorisch versierte Leute mit einem penetranten Auftreten, die ohne Vorankündigung vor der Haustür auftauchen. Sie seien bestenfalls nervtötend, schlimmstenfalls kann es für Kunden im Fall eines Vertragsabschlusses aber auch ziemlich teuer werden. So schildern Menschen ihre Erfahrungen mit Vertriebsmitarbeitern, die gerade im Auftrag der Telekom in Bad Säckingen und Umgebung unterwegs sind und sie vom Umstieg auf einen Breitbandanschluss überzeugen wollten.

Verbraucherschützer wie auch Polizei sehen diese Geschäftspraxis skeptisch und warnen davor, unter solchen Bedingungen Verträge abzuschließen. Die Telekom beharrt derweil auf diesem Vertriebsmodell, mit dem sie „externe Vertriebspartner beauftragt“, wie eine Unternehmenssprecherin auf Nachfrage bestätigt. Sie begründet den Einsatz derartiger Werbe-Teams mit der Erfüllung des Kundenwunsches nach persönlicher Beratung in seinem Wohnumfeld.

Betroffener: „Grenzt an Nötigung“

So wie Martin Jablonka die Haustür-Vermarkter in Diensten der Telekom erlebt hat, kann von der Erüllung eines Kundenwunsches jedoch keine Rede sein. Konkret versuchten die Mitarbeiter, die aktuell in Bad Säckingen im Bereich der Rheinau und in der Umgebung unterwegs sind, zunächst seine Frau und dann ihn von ihrem Angebot zu überzeugen. Er spricht von einem unangenehmen, aufdringlichen Verhalten, letztlich hätte sich der Mitarbeiter sogar „in die Wohnung gemogelt“. Erst nach mehrfachem Hinweis, „dass ich mir nur schriftliche Angebote anschaue und nichts unterschreibe, ließ er sich zur Tür herausschieben“, schildert Jablonka weiter.

Sein Fazit: „Es handelt sich um gut geschulte Haustürvertreter und es grenzt schon an Hausfriedensbruch und auch an Nötigung, was hier abläuft.“ Besondere Gefahr sehe er für Senioren wie auch für junge Leute, die sich leicht überrumpeln ließen. Ein Blick in die Schilderungen anderer Menschen in den sozialen Netzwerken und Internetforen unterstreicht diese Sichtweise.

Umstieg auf schnelles Internet: Damit locken die Vertreter, die in Bad Säckingen von Haus zu Haus ziehen, um im Auftrag der Telekom ...
Umstieg auf schnelles Internet: Damit locken die Vertreter, die in Bad Säckingen von Haus zu Haus ziehen, um im Auftrag der Telekom Kunden zu überzeugen. | Bild: Sina Schuldt

Verbraucherzentrale: „Derartige Abzockmaschen sind Alltag“

Matthias Bauer von der Abteilung Bauen, Wohnen, Energie der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg spricht mit Blick auf die Haustürvermarktung auch unumwunden von einer „ Abzockmasche“. So etwas sei tägliches Brot der Verbraucherschützer, „und wir können uns auch nicht erklären, warum sich seriöse Unternehmen noch immer derartiger Kanäle bedienen.“

Tatsächlich habe das Phänomen von Vertragsangeboten an der Haustür oder auch per Telefon während sogar Corona deutlich zugenommen: „Die Anbieter haben es gezielt ausgenutzt, dass die meisten Leute wesentlich häufiger zuhause anzutreffen waren.“ Wie gravierend das Problem generell sei, lasse sich schwer beurteilen. Matthias Bauer spricht von etwa 70 Fällen in den vergangenen Monaten: „Aber dabei handelt es sich nur um die Spitze des Eisbergs.“

Das Unternehmen, das nun auch in Bad Säckingen für die Telekom unterwegs war, sei als besonders problematisch einzustufen, denn es vertrete verschiedene, teils konkurrierende Konzerne aus den Sparten Telekommunikation und Energieversorgung. „Es liegt der Schluss nahe, dass hier auch Kundendaten hin und her geschoben werden“, so Bauer.

Das habe zur Folge, dass bereits ein beeindruckendes Vorwissen über einzelne Haushalte vorhanden sei, mit dem sich die Gesprächspartner überrumpeln lassen. Immer wieder komme es in diesem Zusammenhang aber auch vor, dass den Menschen, ohne es zu merken, neben dem Umstieg aufs Glasfasernetz auch noch einen Stromanbieterwechsel vollziehen, weil ihnen verschiedene Verträge „untergeschoben“ werden, so Matthias Bauer.

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Verbraucher werden schlecht häufig beraten und ausgenutzt

Generell stuft der Verbraucherschützer aber das generelle Verhalten der Mitarbeiter solcher Marketing-Firmen als sehr dubios ein. Denn egal ob am Telefon oder an der Haustür: Es gehe in erster Linie darum, Menschen unter Druck zu setzen, um „eine Form von Zustimmung“ zu erreichen: „Viele merken gar nicht, dass sie dann einen Vertrag abgeschlossen haben, weil sie an der falschen Stelle mit Ja geantwortet haben.“ Eine ordentliche Beratung – insbesondere über Rechte, die ein Verbraucher habe – finde nämlich in der Regel nicht statt.

„Es ist dabei schwierig, Grenzüberschreitungen oder Betrugsabsichten nachzuweisen, den Übergänge sind fließend“, so Bauer. Daher rät er zu grundsätzlichen Schutzmaßnahmen. Insbesondere: „Keine Verträge am Telefon oder an der Haustür abschließen, auch wenn das Gegenüber noch so penetrant ist. Und Vorsicht bei der Herausgabe von persönlichen Daten, auch Telefonnummer, Zählernummer oder Kontonummer.“

„Im Sinne des Verbraucherschutzes sind wir daher für eine Einhausung derartiger Vertriebsmodelle“, sagt Bauer. Konkret müsse eine stärkere nachträgliche Überprüfung von Verträgen ermöglicht werden, die auf diesem Weg zustande gekommen seien. Denn es handle sich um häufig komplexe Sachverhalte, die ein Laie nicht einfach zwischen Tür und Angel beurteilen könne.

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Polizei: Anzeigen nur vereinzelt, juristische Konsequenzen praktisch nie

Und dennoch seien Haustürgeschäfte nur in den seltensten Fällen ein echter Fall für die Polizei, sagt Polizeisprecher Mathias Albicker. In der aktuellen Werbeaktion in Bad Säckingen sein nur eine Anzeige erstattet worden: „Zwei Personen hatten sich auf mehrfache Bitten hin geweigert, ein Haus zu verlassen.“

Aufs ganze Jahr betrachtet sei allenfalls eine Handvoll Fälle im gesamten Kreis Waldshut bei der Polizei angezeigt worden, so Albicker weiter. Mögliche Straftatbestände beträfen dabei häufig unterschiedliche Deliktsbereiche: „So kann das widerrechtliche Betreten einer Wohnung als Hausfriedensbruch zur Anzeige gebracht werden, ein beispielsweise unter falschen Tatsachen erlangter Vertragsabschluss als Betrug.“ Derweil gestaltet sich die Beweisführung in den Fällen häufig schwierig. Kein einziger der angezeigten Fälle in der Region sei in ein Strafverfahren gemündet.

Telekom: „Kunden wünschen Beratung zu Hause“

Aber warum nutzt ein seriöser Großkonzern, noch dazu aus dem Segment Telekommunikation, überhaupt derart dubiose Vermarktungsmethoden, um Kunden zu gewinnen oder sie von alternativen Angeboten zu überzeugen?

Die Antwort der Telekom auf diese Frage fällt eher ausweichend aus: „Die Nachfrage von Bürgerinnen und Bürgern, zu Hause beraten zu werden, ist nach wie vor groß“, schildert Unternehmenssprecherin Katja Werz. Daher arbeite die Telekom mit langjährigen Vertriebspartnern zusammen, die die Beratungstätigkeit übernehmen.

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Im Hinblick auf Corona-Bestimmungen seien verpflichtende Arbeitsrichtlinien entwickelt worden, deren Einhaltung laufend vom Qualitätsmanagement überprüft werde. Auch die Datenschutzbestimmungen seien „jederzeit zu beachten“.

„Wie die Mitarbeiter im Gespräch gegenüber den Kunden auftreten sollen, haben wir konkret in Verhaltensregeln festgelegt und die Mitarbeiter werden entsprechend geschult“, so Werz weiter. Komme es zu konkreten Beschwerden, wird diesen nachgegangen. Ohne die Angabe von Datum, Uhrzeit, Straßen oder Postleitzahl könne aber keine nachträgliche Untersuchung vorgenommen werden, bedauert die Unternehmenssprecherin.

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