Ein Bild taucht in den sozialen Medien auf. In einer regionalen Gruppe, die sich mit dem Städtedreieck beschäftigt, wird es veröffentlicht. Es zeigt zwei Männer, von hinten fotografiert. Sie tragen beide schwarze Jacken mit dem Schriftzug der Telekom. Daraufhin bricht eine Diskussion los. Die Gesprächsteilnehmer empören sich über die Männer. Diese gehen wohl im Städtedreieck von Tür zu Tür und bieten verschiedene Verträge an. In Hüfingen wurden sie gesehen, ebenso in Donaueschingen. Die Verträge, die an den Mann oder die Frau gebracht werden sollen, sind dabei jedoch nicht ausschließlich aus dem Bereich der Telekommunikation: In der Gruppe wird auch von Strom und Glasfaser gesprochen. Aber was hat es damit genau auf sich?

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Um eine illegale Aktivität scheint es sich nicht zu handeln. Der Polizei ist nichts davon bekannt, dass irgendwelche Betrüger mit einer dubiosen Masche unterwegs seien, erklärt Jörg Kluge, Polizeisprecher des Präsidiums Konstanz. Eine Verbindung zu den derzeit zahlreich stattfindenden dubiosen Anrufen scheint etwa nicht gegeben.

Wer ist dann unterwegs?

Sind es also vielleicht doch offizielle Mitarbeiter der Telekom, die da unterwegs sind? Mit einem deutlichen „Nein“ antwortet Nadin Lorenz aus Donaueschingen. Sie ist dort Geschäftsführerin des Telekom-Shops in der Bahnhofstraße und des Vodafone-Shops in der Max-Egon-Straße. In den sozialen Medien hat sie sich bereits geäußert. Dort schreibt sie: „Bitte wenn möglich jeden im Bekanntenkreis warnen, vor allem ältere Leute. Keine Daten rausgeben! Falls doch jemand überrumpelt wurde, kommt bei uns vorbei, wir stornieren das wieder.“ Aber was hat es dann mit den Verkäufern auf sich: „Das ist super ärgerlich. Die Leute denken, die wären von der Telekom, sind sie aber nicht“, erklärt Lorenz. Es handle sich dabei um Mitarbeiter eines Marketing- und Vertriebs-Unternehmens, die von Tür zu Tür gehen und verschiedene Verträge anbieten. „Es ist nicht nachvollziehbar, für wen die arbeiten“, sagt Lorenz. Sie rät dazu, an der Haustür keine Informationen anzugeben oder Verträge abzuschließen: „Keine Daten rausgeben und nichts unterschreiben.“

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Graubereich

Die Verkäufer befänden sich in einem Graubereich. Zwar seien sie nicht illegal unterwegs, verkaufen aber eventuell wesentlich teurere Verträge. Und das nicht nur aus einer Sparte: „Wer sich durch so etwas überrumpelt fühlt, den weisen wir auf das 14-tägige Widerrufsrecht hin.“ In der Bahnhofstraße seien auch schon Kunden erschienen, die das rückgängig machen wollten. „Wenn Kunden rechtzeitig kommen, dann können wir etwas machen.“ Entsprechende Verträge zu verkaufen, das ist jedoch nicht strafbar. „Die Kunden denken, das sind Leute von uns.“ Eine Telekom-Jacke könne jeder anziehen. Gerade in Corona-Zeiten habe diese Art von Geschäft stark zugenommen. Nicht das erste Mal, dass Nadin Lorenz damit Ärger hat.

Aber was sagt die Telekom dazu?

Ist sie damit einverstanden, dass diese Leute quasi auch für sie unterwegs sind? „Direktvermarktung ist ein sehr erfolgreicher Vertriebskanal. Allen Unkenrufen zum Trotz nimmt er in seiner Bedeutung nicht ab“, erklärt Markus Jodl, Pressesprecher der Deutschen Telekom AG. „Das direkte Gespräch ist also eine gute Möglichkeit, um gezielt die Menschen anzusprechen, die von einem Ausbau profitiert haben.“

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Warum viele Produkte?

Wie es dazu kommt, dass die Verkäufer gleich mehrere Produkte im Portfolio haben? „Diese Variante ist personalintensiv, deshalb ist die Parallel-Vermarktung von weiteren Produkten nicht ungewöhnlich.“ Direktvermarktung müsse seriös gemacht werden, deshalb habe die dafür zuständige Firma sowie die Telekom Qualitätsmaßnahmen eingeführt: „Nach der Beratung werden die Kunden telefonisch befragt, ob sie mit der Beratung zufrieden waren. Zudem hat der Kunde natürlich ein Rücktrittsrecht. Mit Menschen über 80 Jahren wird grundsätzlich gar kein Abschluss gemacht.“

So urteilt der Verbraucherschutz

Ein etwas anderes Bild von der Situation zeichnet die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg: „Ich sehe das nicht so entspannt“, sagt Matthias Bauer, bei der Zentrale zuständig für die Abteilung Bauen, Wohnen, Energie. Früher sei sehr viel über entsprechendes Telefon-Marketing gemacht worden, „in der Corona-Krise hat die Direktvermarktung an der Haustür explosionsartig zugenommen. Die Leute sind ja Zuhause“, erklärt er. Die Firma, mit der die Telekom da zusammenarbeite, sei ihm durchaus bekannt. Und sie arbeite nicht sauber. Eine Aussage, die sich die Telekom gefallen lassen müsse, sagt Bauer. „Wenn die Telekom das nötig hat, dann gehört sie zu jenen Kraken-Unternehmen, die wir bekämpfen.“

Bauer kenne Fälle, wo es eben nicht so gelaufen sei, wie die Telekom es schildere. Dass Direktvertrieb wichtig sei, das könne er sagen: „Aber nicht so.“ Wenn ordentlich aufgetreten und beraten werde, dann habe man nichts dagegen, jedoch allein das Anbieten mehrerer Verträge sehe nicht gut aus: „Das Gespräch wird auf eine andere Ebene gebracht und dann werden andere Verträge verkauft, Strom, Glasfaser. Das ist unseriös.“

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Widerrufsrecht ist wichtig

Es seien auch grundsätzlich nicht nur Ältere, „die bequatscht werden“. Gerade in diesen Zeiten können die Verkäufer fast immer davon ausgehen, jemanden Zuhause anzutreffen. „Es ist wichtig, dass alle Verbraucher darauf aufmerksam gemacht werden, dass sie ein 14-tägiges Widerrufsrecht haben. In der Regel werden sie darüber nicht ordentlich aufgeklärt, dann lässt sich sogar nach einem Jahr noch widerrufen“, erklärt Bauer. Das sei im Bürgerlichen Gesetzbuch verbrieft.

Keine Verträge an der Tür

Direktmarketing sei eine große Grauzone, in der „unglaublich viel läuft“. Der Verbraucherschutz bekomme viele entsprechende Anfragen von Leuten, denen auf diese Art und Weise ein Vertrag untergeschoben worden sei. „Unser Rat ist: Am Telefon und an der Haustür vorsichtig sein und keine Verträge unterschreiben.“ Solche Verträge besäßen oft sehr komplizierte Konditionen: „Dass etwa ein Stromvertrag aus mehreren Komponenten besteht, wer weiß das schon?“

Der Verbraucherschutz habe davon abgesehen bundesweit Umfragen zu diesem Thema gemacht: „90 Prozent der Leute mögen es nicht, auf diesem Wege an der eigenen Haustür angesprochen zu werden.“

Mit dieser Art von Vermarktung aufzutreten, damit wende sich die Telekom gegen die eigenen seriösen Anbieter. So empfindet es auch Nadin Lorenz. „Wir haben auch kleine Unternehmer, die sich deshalb bei uns melden“, erläutert Matthias Bauer. Das sei ein Organisationsverschulden. Wenn es in der Masse auftrete, „dann sollte die Telekom bitte ihre Hausaufgaben machen.“