Seit gut einem Monat gilt in Baden-Württemberg das neue Glücksspielgesetz. Das macht den Betreibern von Spielhallen und Casinos in den Städten und Kommunen das Leben schwer, manche mussten schon schließen, andre dürfen weitermachen. Dafür wurde mit dem seit 1. Juli geltenden Gesetz dem konzessionierten Online-Glücksspiel die Tür weit geöffnet. War zunächst noch ein Ministerium zuständig, hat sich die Lage nun grundlegend geändert: Die Zuständigkeiten sind im Land Baden-Württemberg zwischen dem Innen- und dem Wirtschaftsministerium aufgeteilt, die Konzessionen werden zum Teil beim Regierungspräsidium Karlsruhe bearbeitet. Für die Erlaubnis von Sportwetten ist das Regierungspräsidium Darmstadt in Hessen, für Online-Poker und virtuelle Automatenspiele das Land Sachsen-Anhalt zuständig. Das Verwirrspiel in Kafkas Schloss lässt grüßen.

1. Wie viele Konzessionen für Online-Glücksspiele wurden in Baden-Württemberg seit dem 1. Juli beantragt?

Aus dem Innenministerium heißt es, dass das Land für die Erteilung von Erlaubnissen für Online-Glücksspiele nicht zuständig ist. Erst wenn die Rechtsgrundlage laut Glücksspielstaatsvertrag 2021 geschaffen wurde, werde diese Zuständigkeit bestehen.

Im Internet gibt es bisher nur in Schleswig-Holstein elf Anbieter für Online-Spiele und Casinos. Seit dem 1. Juli sind auch in ...
Im Internet gibt es bisher nur in Schleswig-Holstein elf Anbieter für Online-Spiele und Casinos. Seit dem 1. Juli sind auch in Baden-Württemberg Glücksspiele im Internet erlaubt. | Bild: Edinger, Gerald

Derzeit erteile Sachsen-Anhalt Erlaubnisse für Online-Poker und virtuelle Automatenspiele. Wie das Wirtschaftsministerium informiert, wurde im Zusammenhang mit einer Bewertung des Glücksspielmarktes im Auftrag der Geschäftsstelle Glücksspiel der Länder Ende 2016 eine Gesamtzahl von 2.051 Erlaubnissen ermittelt, die sich auf 1.240 Spielhallenstandorte in Baden-Württemberg verteilten, einige davon für mehrere Spielhallen an einem Standort. Eine landesweite Statistik zur Schließung von Spielhallen gibt nicht. Vor den Verwaltungsgerichten seien zahlreiche Verfahren mit Bezug zu den seit dem Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags im Jahr 2012 gültigen Vorgaben für Spielhallen (Abstandsgebot und Verbundverbot) anhängig. Aus diesem Grund wurden Spielhallen in vielen Fällen per Verfügung noch nicht geschlossen.

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2. Gibt es Ausnahmegenehmigungen für Spielhallen und Casinos in den Kommunen?

Für Wettvermittlungsstellen gibt es laut Innenministerium keine Möglichkeiten für Kommunen, ausnahmen zu gewähren. Berechtigt für Erlaubnis oder Schließung sei hier das Regierungspräsidium Karlsruhe. „Die Spielhallenbetreiber hatten seit 2012 Gelegenheit, sich auf das neue Recht und auf die Abstandsregelungen einzustellen; dies wird auch von den Gerichten, die über zahlreiche Klagen der Spielhallenbetreiber zu entscheiden haben, immer wieder betont“, so eine Pressesprecherin des Wirtschaftsministeriums. Wie das Landratsamt Waldshut mitteilt, sind seit in Kraft treten des Landesglückspielgesetzes 2012 bis heute sieben Spielotheken weggefallen, mit der neuen Bestimmung wurden zwölf Härtefallregelungen getroffen. „Derzeit befinden sich die Anträge in Prüfung, die nach neuer Rechtslage beurteilt werden müssen. Aufgrund der neuen Regelung ist nicht ausgeschlossen, dass Betriebe wegfallen“, so ein Sprecher des Landratsamts.

3. Steigen die Anfragen in der Suchtberatung?

Peter Grimm von der Fachstelle Sucht in Waldshut.
Peter Grimm von der Fachstelle Sucht in Waldshut. | Bild: Ann-Kathrin Bielang

Das seit dem 1. Juli geltende Glücksspielgesetz erlaubt nun per Konzession legale Glücksspiele im Internet. Das wird in der Fachstelle Sucht in Waldshut durchaus kritisch gesehen, wie Sozialpädagogen Peter Grimm auf Anfrage des SÜDKURIER erläutert.

4. Wie ist die Situation der Kommunen?

In der Gemeinde Lottstetten (Kreis Waldshut), einen Steinwurf von der Schweizer Grenze entfernt, gibt es sechs Spielhallen und zwei Wettbüros. Wie Bürgermeister Andreas Morasch mitteilt, gibt es für die sechs Spielhallen nach § 41des Landes-Glücksspielgesetzes (LGlüG) die alle Spielhallen eine Ausnahmegenehmigung. Wie das Gemeindeoberhaupt bestätigt, wurde im Haushalt 2019 mit rund einer Million Euro Einnahmen aus der Vergnügungssteuer kalkuliert.

„Aufgrund der Coronapandemie fehlten uns diese Einnahmen, da die Spielhallen bis in den Juni hinein geschlossen waren. Sollten die Spielhallen bis Ende des Jahres in Betrieb bleiben, gehen wir von zirka 600.000 Euro Mindereinnahmen aus“, sagt Morasch auf Anfrage dieser Zeitung. In der Nachbargemeinde Jestetten gibt es nur eine Spielothek, die sich wegen der Einhaltung der Abstände zu Schulen momentan im Prüfungsverfahren des Landratsamtes befindet.

Laut Bürgermeisterin Ira Sattler sei zu erwarten, dass diese Spielhalle wegen Unterschreitung des Mindestabstands wohl schließen muss. „Dies bedeutet Einnahmeausfälle insbesondere bei der Vergnügungs- und der Gewerbesteuer. Zudem fallen Arbeitsplätze weg. Der Einnahmeausfall bei der Vergnügungssteuer würde ins Gewicht fallen. Da wir nur einen Spielhallenbetreiber haben, wären bei Offenlegung der Zahlen Rückschlüsse auf das Einkommen und die Steuerhöhe möglich. Das käme einer Verletzung des Steuergeheimnisses gleich.“ Ozan Topcuogullari, Bürgermeister in Klettgau, erklärt auf Anfrage, dass keine der beiden Spielhallen in Erzingen schließen muss, da sie alle im Gesetz geforderten Kriterien erfüllen. „Eventuell gibt es aufgrund der pandemiebedingten Schließung Einbußen bei der Vergnügungssteuer“, räumt er ein. Genaue Zahlen lägen noch nicht vor.

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5. Wie ist die Situation der Betreiber von Spielhallen und Casinos am Hochrhein?

Michael Mühleck, Vorsitzender des baden-württembergischen Landesverbands der Automatenunternehmer und Geschäftsführer der Harlekin ...
Michael Mühleck, Vorsitzender des baden-württembergischen Landesverbands der Automatenunternehmer und Geschäftsführer der Harlekin Spiel- und Unterhaltungsautomatenbetriebs GmbH. | Bild: Verband/SK Archiv

„Das ist im Moment alles noch sehr unbestimmt und schwer zu beantworten“, sagt Michael Mühleck, Vorsitzender des Automaten-Verbands Baden-Württemberg sowie Geschäftsführer der Harlekin GmbH, die am Hochrhein zwischen Lörrach und Lottstetten ein Dutzend Spielotheken und -Casinos betreibt. Aus seiner Sicht gebe es derzeit Standorte, die einen weiterlaufenden Härtefallstatus haben, andere seien auf eine Konzession reduziert worden und dürfen mit neuer Erlaubnis nach § 41 LGlüG betrieben werden. Es gebe zudem Fälle, bei denen Betreiber auf eine Konzession herabgesetzt, aber ebenso mit einer unbestimmten Duldung weitermachen können, wie solche mit mehreren Konzessionen.

Mühleck berichtet von Fällen, in denen aufgrund einer Eilentscheidung des Gerichts Spielhallen und Casinos weiter betrieben werden dürfen, andere würden geschlossen, wieder eröffnet, erneut geschlossen und vielleicht erneut eröffnet. „Wie man unter diesen Umständen mit seinen Mitarbeitern planen und organisieren soll, ist nicht kommentierbar. Manche Betriebe schließen ganz oder teilweise, weil man in diesem Chaos kein Personal mehr bekommen kann.“

Für eine abschließende Bewertung der neuen Situation sei es zu früh, bis Weihnachten könnten konkretere Angaben gemacht werden. Mühleck kritisiert die „ausgemacht unsinnige Glücksspielpolitik“ in Baden-Württemberg. „Die Suchthilfestellen melden für den Pandemiezeitraum, in dem alle Spielstätten und Casinos geschlossen waren, rapide steigende Anmeldungen von Spielsüchtigen“, sagt Mühleck.