Die CDU hat sich das Ja zur neuen Koalition in Berlin auf einem Parteitag geben lassen. Die SPD hat es demokratischer aufgezogen und einen Online-Mitgliederentscheid durchgeführt. Darin stimmten 85 Prozent zu, die Beteiligung lag bei 56 Prozent. Diese große Mehrheit für die Zusammenarbeit mit den Schwarzen war nicht unbedingt erwartet worden. Umso mehr aber ist die SPD-Führung froh über die große Rückendeckung seitens der Basis.

Koalition ist „kein Wunschkonzert“

Auch am Hochrhein dürfte das Gros der Genossinnen und Genossen froh sein, dass die neue Bundesregierung steht.

Claudia Hecht ist Vorsitzende der SPD in Waldshut.
Claudia Hecht ist Vorsitzende der SPD in Waldshut. | Bild: SPD

„Klar, wir hätten uns als SPD mehr an eigenen Inhalten gewünscht, aber eine Regierungskoalition ist eben nie ein Wunschkonzert“, sagt Claudia Hecht, Vorsitzende der SPD in Waldshut. „Die größte Kröte, die wir haben schlucken müssen, ist sicher die extreme Verschärfung der Grenzkontrollen. Das sehen wir extrem kritisch“, fügt sie an. Auch bedauert sie, dass im Koalitionsvertrag die Reform der Erbschaftssteuer und die Wiedereinführung der Vermögenssteuer keine Themen sind.

Wären das doch gute Mittel gewesen, die soziale Schieflage im Land auszugleichen, wie die Waldshuter Sozialdemokratin findet. Stattdessen sei im Wahlkampf unnötig und auf populistische Weise Stimmung gemacht worden gegen Empfängerinnen und Empfänger von Bürgergeld, von denen nur ein winziger Prozentsatz sich der Vermittlung in Arbeit tatsächlich verweigere.

„Land hat Vorrang gegenüber der Partei“

„In schweren Zeiten hat das Land Vorrang gegenüber der Partei. Ich bin durchaus froh, dass es zur Zusammenarbeit kommt. Diese muss erfolgreich sein, auch um den Rechtsruck im Land zu stoppen“, sagt Philipp Schmidt-Wellenburg, Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Lauchringen. „Im Detail ist für mich die Abschaffung des Bürgergelds ein klarer Rückschritt, damit bin ich unzufrieden“, bekennt er.

Philipp Schmidt-Wellenburg ist Vorsitzender der SPD in Lauchringen.
Philipp Schmidt-Wellenburg ist Vorsitzender der SPD in Lauchringen. | Bild: SPD

Auch bei den Maßnahmen zur Migration habe er Bedenken. Dass etwa der Familiennachzug und die Einwanderung von gefährdeten Ortskräften aus Afghanistan erschwert oder gar gestoppt werde, sei „wenig humanistisch“, wie Schmidt-Wellenburg sagt. Auch das vereinbarte Maß an Klimapolitik nennt er, der von Beruf Physiker ist, „zu wenig ambitioniert“. Ebenso kritisch sieht er, dass Schwarz-Rot den 8-Stunden-Tag zugunsten einer 48-Stunden-Woche ersetzen will. „Es ist doch naiv zu glauben, dass so die Menschen effektiver und motivierter arbeiten“, betont der SPDler.

Die Stimmung ist „nicht euphorisch“

Auch Richard Wagner, Vorsitzender des CDU-Ortsverbands Hohentengen, möchte, dass Schwarz-Rot erfolgreich ist. Er sagt: „Das muss einfach funktionieren.“

Richard Wagner ist Vorsitzender der CDU in Hohentengen.
Richard Wagner ist Vorsitzender der CDU in Hohentengen. | Bild: CDU

Die Erwartungshaltung sei groß, andererseits die Stimmung auch unter den Christdemokraten „nicht euphorisch“. CDU-Stammwählerinnen und -stammwähler etwa seien enttäuscht über „zu linkslastige Themen“ wie etwa 15 Euro Mindestlohn, so Wagner. Dass die „illegale Einwanderung“ jetzt angegangen werde, begrüßt er ebenso wie die Einführung der Wochenarbeitszeit von 48 Stunden. Nur so könne man das Rentenniveau in Deutschland halten.

Dass via Sondervermögen, also Schulden, in die marode Infrastruktur investiert werde, sei „gut und richtig“, auch wenn die CDU im Vorfeld der Wahl neue Schulden ausgeschlossen hatte. Sowohl CDU als auch SPD hätten gute Personalentscheidungen getroffen, ist Wagner überzeugt. Gut für den Hochrhein, gerade beim Fluglärm, sei, dass das Verkehrsressort jetzt bei der CDU liege und nicht mehr bei der bayerischen Schwester, der CSU.

„Mit dem Verhandelten zufrieden“

„Wir sind nach dem Schock der großen Schulden mit dem Verhandelten zufrieden, da steckt eine Menge CDU drin“, bilanziert Gabriele Schmidt, Vorsitzende des CDU-Ortsverbandes Ühlingen-Birkendorf und von 2013 bis 2017 selbst Bundestagsabgeordnete.

Gabriele Schmidt ist Vorsitzende der CDU in Ühlingen-Birkendorf.
Gabriele Schmidt ist Vorsitzende der CDU in Ühlingen-Birkendorf. | Bild: Peter Rosa

Auch sie lobt die von der Parteiführung beschlossenen Personalentscheidungen. „Gerade mit Thorsten Frei haben wir ein Pfund, mit dem wir durchaus wuchern können“, sagt sie. Als Kanzleramtsminister habe er künftig die Koordination der Regierungsarbeit in Berlin unter sich. Schmidts Credo lautet: Wenn die Wirtschaft floriert, floriert Deutschland.

Und darauf, die Wirtschaft zu entlasten, finanziell und von zu viel Bürokratie, komme es jetzt an, wie Philipp Studinger, Vorsitzender des CDU-Ortsverbands Waldshut, findet.

Philipp Studinger ist Vorsitzender des CDU-Ortsverbands Waldshut.
Philipp Studinger ist Vorsitzender des CDU-Ortsverbands Waldshut. | Bild: CDU

Studinger wertet das jetzt zwischen Schwarz und Rot Ausgehandelte als „sehr gute Basis, um den Politikwechsel einzuleiten.“ Beide Seiten müssen jetzt „liefern“.

Jusos sehen viele Inhalte sehr kritisch

In einer Medienmitteilung des Kreisverbands Waldshut der SPD-Jugendorganisation Jusos aber heißt es: „Wir sehen viele Inhalte sehr kritisch, insbesondere in den Bereichen Migration, Klima- und Umweltschutz sowie Arbeit und Soziales.“

Malik Tümkaya ist Vorsitzender des Kreisverbands Waldshut der SPD-Jugendorganisation Jusos.
Malik Tümkaya ist Vorsitzender des Kreisverbands Waldshut der SPD-Jugendorganisation Jusos. | Bild: SPD

Und weiter: „Aus unserer Sicht bleiben zentrale gesellschaftliche Herausforderungen in diesen Feldern unzureichend gelöst.“ Unter dem Strich sei die schwarz-rote Koalition „keine Liebesheirat, sondern ein Zweckbündnis, das unter schwierigen politischen Rahmenbedingungen zustande gekommen ist“.

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