„Bis dass der Tod euch scheidet“ lautet die Formel, der Ehepaare bei der kirchlichen Hochzeit zustimmen. Doch kommt es zu einer Ehescheidung, kann dies sogar über den Tod des ehemaligen Ehepartners hinaus Konsequenzen haben – insbesondere für denjenigen, der versorgungspflichtig ist. Denn setzt man sich nicht gezielt zur Wehr, laufen Rentenkürzungen im Sinne des Versorungsausgleichs einfach weiter.
Änderung der Versorgungsleistung dauerte sieben Jahre
Hans-Peter Kurz aus Bad Säckingen kann davon ein Liedchen singen. Mehr als 80.000 Euro wurden ihm im Lauf der Jahre als Versorgungsleistung für seine Ex-Frau von der Pension abgezogen – obwohl diese bereits seit 2013 verstorben ist. Erst jetzt hat er mit seinem Ansinnen auf Änderung der Versorgungsleistung Recht bekommen. Den größten Teil des zu Unrecht bezahlten Versorgungsausgleichs wird er dennoch nicht mehr wiedersehen.
Rentenkürzung trotz Tod der Ex-Frau: „Himmelschreiende Ungerechtigkeit“
Vor nunmehr zwölf Jahren ließ sich der Bad Säckinger Pensionär Hans-Peter Kurz (77) von seiner Frau scheiden: „Mir war durchaus bewusst, dass ich einen hohen Unterhalt bezahlen müsste, denn meine Ex-Frau hatte nie gearbeitet, sondern war mit der Erziehung unserer beiden Kinder beschäftigt.“
Überrascht wurde der frühere Bahnbeamte allerdings, als der Versorgungsausgleich auch dann noch von seiner Rente abgezogen wurde, nachdem seine frühere Gattin im Mai 2013 verstorben war. Umgehend habe er sich mit der zuständigen Pensionsstelle in Verbindung gesetzt: „Man hat mir nur gesagt, dass das eben Pech sei und ich keine Möglichkeiten habe, etwas dagegen zu unternehmen, weil die 36-Monate-Frist für die Rückabwicklung bereits verstrichen war.“

Nachdem er von seiner Gemeindeverwaltung und dem Landratsamt Waldshut ähnlich lautende Aussagen zu hören bekommen habe, habe er sich zähneknirschend in sein Schicksal gefügt, sagt Kurz. Gleichwohl habe er immer wieder versucht, auf sein Anliegen aufmerksam zu machen, denn: „Ich empfand es als himmelschreiende Ungerechtigkeit.“
Auftrieb erhielt er aber erst, nachdem er von einer Gerichtsverhandlung in Berlin las, in der die Sachlage annähernd gleich war wie in seinem eigenen Fall. Der Kläger erhielt am Ende Recht, es erfolgte eine Neuberechnung des Versorgungsausgleichs. Schließlich wandte sich Hans-Peter Kurz an den Rechtsbeistand aus dem Berliner Fall – mit Erfolg: Anfang Oktober endete das Änderungsverfahren nach 14 Monaten zu Kurz‘ Gunsten.
Experte Werling: „Zehntausende Betroffene zahlen falschen Versorgungsausgleich“
Dass die Zahl der Menschen, die derartigen Probleme mit dem Versorgungsausgleich haben, deutschlandweit in die Zehntausende gehen dürfte, davon ist auch Rudi Werling, der Mann, der Hans-Peter Kurz zu seinem Recht verhalf, überzeugt. Er ist Inhaber der Kanzlei Werling Rentenberater in Pforzheim und seit über 30 Jahren im Versorgungsausgleichsrecht tätig. Mehr als 90 Prozent der Fälle, die auf seinem Schreibtisch landen, drehen sich um das Thema Versorgungsausgleich. Seine Mandanten kommen aus dem ganzen Bundesgebiet.

Erstes Problem: Welches Gericht ist beim Versorgungsausgleich zuständig?
Ein wesentlicher Grund für die große Betroffenheit ist, dass es sich beim Versorgungsausgleich um ein hochkomplexes juristisches Spezialgebiet handelt. Das gehe schon bei der gerichtlichen Zuständigkeit los, wie Rudi Werling im Gespräch mit unserer Zeitung darstellt: Werde die Entscheidung über den Versorgungsausgleich vom Familiengericht bei der Scheidung getroffen, sind für weitergehende juristische Auseinandersetzungen je nach Art der Rentenzahlung das Amtsgericht, das Arbeitsgericht, das Verwaltungsgericht oder gar das Sozialgericht zuständig.
Ebenso problematisch: Die hohe Fehlerhäufigkeit bei der Berechnung des Versorgungsausgleichs von Amtswegen. Der Versorgungsausgleich werde bei der Scheidung festgelegt, komme aber erst beim Eintritt in den Ruhestand zum Tragen. Das heißt also: „Man darf sich nicht darauf verlassen, dass alle Faktoren noch zutreffen, ebenso müssen Aspekte wie Rentenanpassungen mit einkalkuliert werden.“ Das geschehe nicht immer in korrekter Weise.
Keine automatischen Anpassungen beim Tod des Ex-Partners
Ebenso wenig könne man erwarten, dass Veränderungen in den persönlichen Verhältnissen automatisch berücksichtigt werden. Das gelte eben bis hin zum Tod des ausgleichsberechtigten Ex-Partners. Denn: Die Versorgungsträger seien nicht zur Überprüfung etwaiger Veränderungen in der Lebenssituation ihrer Klienten verpflichtet. De facto könnten sie dies organisatorisch wie auch aufgrund datenschutzrechtlicher Bestimmungen gar nicht leisten.
Grundsätzlich gelte: „Automatismen gibt es nicht.“ Und selbst wenn man sich wie Hans-Peter Kurz aus eigenem Antrieb mit dem Versorgungsträger in Verbindung setzt und den Tod des Ex-Partners meldet, sei der Fall juristisch betrachtet längst nicht so klar, wie man dies als Laie denkt. Denn: „Regelungen zum Versorgungsausgleich gelten lebenslänglich.“
Versorgungsträger behalten zu viel bezahlte Ausgleichsbezüge
Doch was passiert eigentlich mit dem gekürzten Geld, wenn der Ex-Partner gar nicht mehr lebt? „Ich dachte ja immer, der Versorgungsausgleich sei nach dem Tod meiner Ex-Frau in eine Art Sozialfonds geflossen“, berichtet Peter Kurz.
Doch das ist falsch, wie Fachmann Werling erklärt: „Das Geld bleibt beim Versorgungsträger, der also erheblich profitiert, wenn man sich als Betroffener nicht wehrt.“ Denn das Geld fließe in den regulären Etat.
Dies sei im Übrigen alles im Sinne des Gesetzgebers. Erst vor wenigen Jahren habe das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die Regelungen zum Versorgungsausgleich im Grundprinzip bestätigt, so Rentenberater Werling.
Gegen Rentenkürzung vorgehen: Ohne Experten-Hilfe wird es schwer
Wer etwas an seiner eigenen Situation ändern möchte, wenn der Ex-Partner gestorben sei, muss einen Antrag stellen. Um dabei unliebsame Überraschungen zu vermeiden, rät er entschieden dazu, von Beginn an einen Experten hinzuzuziehen, erst recht, wenn ein Änderungsverfahren notwendig wird: „Ein Spezialist kann Ihnen schon die wichtige Frage nach den Erfolgsaussichten eines Antrags beantworten.“
Für den Mandanten sei dies zwar mit Aufwand verbunden, denn um eine verlässliche Einschätzung abgeben zu können, benötige er umfangreiches Aktenmaterial. Aber dafür könne ein Experte manchmal sogar dann noch weiterhelfen, wenn zuvor bereits Anträge abgelehnt worden sind, sagt Rudi Werling: „Wir prüfen Anliegen unabhängig von Behördenentscheidungen, einzig auf Basis des geltenden Rechts und der Unterlagen, die uns Mandanten vorlegen.“ Das mache für ihn selbst sogar in gewisser Weise den besonderen Reiz aus, sagt Werling: „Es ist oftmals juristische Detektivarbeit, alte Urteile jetzt neu rechtlich zu bewerten. Mit Erfolg: Die 3-Jahres-Frist gilt dann oftmals nicht.“
Trotz allem braucht es auch auf Seiten des Betroffenen ein ordentliches Maß an Geduld, denn Verfahren auf Änderung des Versorgungsausgleichs dauern schnell mal sechs bis zwölf Monate – abhängig von der Zahl der Beteiligten und anderen Faktoren.
Kein pauschales Recht auf Erstattung
Für die möglichen Ansprüche eines Klienten ist dies allerdings unerheblich, denn eine Erstattung von zu unrecht geleisteten Zahlungen ist nach Ablauf der 36-Monate-Frist erst ab dem Zeitpunkt möglich, an dem ein Antrag eingereicht wurde.
Im Fall von Hans-Peter Kurz heißt das: Er erhält zu viel geleistete Versorgungsausgleichszahlungen rückwirkend zum 1. Juli 2019 zurück. Alles was er davor bezahlt hat – fast 84.000 Euro -, ist weg. „Ganz schön bitter. So habe ich als Lohn für 37 Berufsjahre bei der Deutschen Bahn jahrelang nur die halbe Pension ausbezahlt bekommen“, sagt er gegenüber unserer Zeitung.
Doch diese Zeiten seien jetzt endlich vorbei. Anfang Oktober habe er den Erfolgsbescheid für seinen Änderungsantrag erhalten. Fortan werde er also „keinen dicken Hals mehr haben“, wenn er seine monatliche Pensionsabrechnung bekomme, sagt er.
Aber die Erlebnisse hätten eben auch dazu geführt, dass er mit seiner Geschichte an die Öffentlichkeit gehen wollte. Um all die anderen Betroffenen, die ähnliche Probleme haben oder vielleicht noch gar nicht wissen, dass bei ihrem Versorgungsausgleich etwas nicht stimmt, zu helfen. „Wenn mein Fall nur einem Betroffenen weiterhelfen kann, bin ich schon zufrieden“, sagt er.