„Es klingt etwas abgedroschen, aber es ist tatsächlich ein Abschied mit einem lachenden und einem weinenden Auge“, sagt Andreas Finke, Vorsitzender der Geschäftsführung der Arbeitsagentur Lörrach. Er verlässt nach drei Jahren Lörrach und übernimmt ab Juni die Leitung der Arbeitsagentur Freiburg.

Sein Nachfolger wird Horst Eckert, bisheriger operativer Geschäftsführer in Lörrach und Finkes Stellvertreter. Wir sprachen mit dem scheidenden Leiter der Arbeitsagentur über die Veränderungen und die aktuelle Situation in der Region.
Wie hat sich die Corona-Pandemie auf Agentur für Arbeit ausgewirkt?
Die Anfragen waren von einem Tag auf den anderen sprunghaft angestiegen, erläutert Finke: „Ich bin unglaublich stolz auf das Team und die Leistung.“ Die große Nachfrage verdeutlicht er an einem Beispiel: So seien es bei der Arbeitgeber-Hotline im vergangenen Jahr fünf bis sechs Betriebe, die sich gemeldet hätten. In Zeiten der Corona-Pandemie meldeten sich rund 200 Betriebe am Tag. Stolz ist Finke auf die 90-prozentige telefonische Erreichbarkeit der Agentur. Um das zu erreichen, wurde Personal aus anderen Bereichen, beispielsweise aus der Arbeitsvermittlung, in den Service Centern und bei zusätzlichen regionalen Telefonhotlines eingesetzt. Es sei Stress für die Mitarbeiter, aber: „Es ist positiver Stress, denn es ist wichtig und wir werden gebraucht“, so Finke.
Welche Weiterentwicklungen gab es?
„Es ist beeindruckend zu sehen, was plötzlich alles möglich wurde und sehr schnell umgesetzt werden konnte.“ Als Beispiel nennt der scheidende Leiter der Arbeitsagentur die Meldung der Arbeitslosigkeit. Vor Corona sei zwingend ein persönlicher Termin in Lörrach nötig gewesen. Dies ist nun problemlos online mit digitaler Identitätsüberprüfung ohne Vor-Ort-Termin möglich. „Tatsächlich war diese Online-Meldung in Vorbereitung für den Sommer, aber die Umsetzung wurde durch Corona rasant beschleunigt“, erklärt Finke.

Allerdings: „Wir waren vor Corona bereits digital gut aufgestellt“, erläutert Finke. Das habe sich während des Lockdowns als großer Vorteil erwiesen. „Wir mussten bei unseren Beschäftigten keine unnötigen Risiken eingehen, es war sehr schnell praktisch die komplette Umstellung auf Telefon und Internet möglich.“ Es habe sich gezeigt: „Wir sind nun mehr für unsere Kunden da als vorher.“ Persönliche Termine sieht Finke ab Juni nach Absprache wieder als realistisch an.
Was lässt sich über Kurzarbeit in der Region sagen?
Immens ist der Anstieg der Kurzarbeitsanträge: 2019 waren es im Agenturbezirk, der sich mit den Landkreisen Lörrach und Waldshut deckt, vier Anzeigen von Unternehmen, die Kurzarbeit anmeldeten. 44 Arbeitnehmer waren betroffen. In diesem Jahr sind bereits rund 4000 Kurzarbeitsanzeigen der insgesamt etwa 10.000 Unternehmen in den beiden Landkreisen bei der Arbeitsagentur eingegangen. Von der Kurzarbeit seien in diesem Kontext 45.000 Arbeitnehmer betroffen. Doch Finke schätzt: „Das wären dann alle Beschäftigten dieser 4000 Betriebe. Da es jedoch möglich ist, dass nur bestimmte Unternehmensbereiche in Kurzarbeit geschickt werden, wird die Zahl niedriger sein.“ Hinzu kommt, dass doch zahlreiche Unternehmen vorsorglich Kurzarbeit beantragt hätten, ohne sofort in die Maßnahme einzusteigen. Derzeit beziffert Finke die Zahl der Arbeitnehmer in Kurzarbeit auf etwa 20.000 im Agenturbezirk.
Wie sieht der Arbeitsmarkt derzeit aus?
15.098 Menschen waren in den Landkreisen Lörrach und Waldshut zum Stichtag 30. April 2020 arbeitssuchend gemeldet. Das entspricht einem Anstieg um 10,6 Prozent im Vergleich zum Vormonat (13.648) und 19 Prozent im Vergleich zum April 2019. „Es ist richtig, dass der Anstieg der Arbeitslosenzahlen deutlich ist, allerdings resultiert dieser vor allem aus der Beendigung befristeter Beschäftigungsverhältnisse“, ordnet Finke ein. Die Entwicklung steigender Arbeitslosenzahlen sei bereits seit vergangenem Jahr zu beobachten gewesen.
Wie sieht es bei den offenen Stellen aus?
Deutlicher seien die Auswirkungen der Corona-Pandemie an der Zahl der gemeldeten offenen Stellen abzulesen: Zwischen 800 und 1000 offene Stellen würden der Agentur durchschnittlich in einem Monat gemeldet werden. Im April 2020 waren es lediglich 243 neue Arbeitsstellen und damit 607 oder 71 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. „Es ist eine Einstellungszurückhaltung zu beobachten“, so Finke. Entscheidend ist aus Finkes Sicht die Entwicklung im Sommer: „Reichen Eigenkapital und Rücklagen und springt die Konjunktur wieder an?“
Wie reagiert die Arbeitsagentur auf diese Entwicklung?
„Wir setzen hier an und bringen unser Weiterbildungsangebot voran, sodass Arbeitssuchende in dieser Zeit die Chance zur Weiterqualifizierung nutzen können“, so Finke. Dies vor allem im Bereich der Digitalkompetenzen, deren Bedeutung während der Krise nochmals deutlich zugenommen hat. In diesem Zusammenhang würden derzeit die Mitarbeiter der Agentur wieder verstärkt in den Bereichen Beratung tätig werden. „Vor allem gilt es nun auch Jugendlichen Orientierung zu geben und Perspektiven aufzuzeigen“, so Finke.
Welche Herausforderungen bringt die Zukunft?
Ganz grundsätzlich würde der scheidende Leiter der Arbeitsagentur allseits mehr Veränderungsbereitschaft begrüßen, auch in Zeiten, in denen alles vermeintlich rund laufe. „Die Bereitschaft zur Veränderung ist eine Herausforderung“, sagt Finke. Mit den Themen Wohnraum und Kinderbetreuung gebe es beispielsweise zwei große Zukunftsbereiche, deren Bedeutung in der Region wachsen würden.

Eine noch stärkere Orientierung an den Bedürfnissen der Menschen sei ein ebenfalls wichtiges Zukunftsfeld für die Agentur für Arbeit, beispielsweise die persönliche Unterstützung bei der Weiterentwicklung für langjährige Beschäftigte. „Gleichzeitig kann ich aber auf vieles zurückblicken, auf das wir als Team wirklich stolz sein können“, sagt Finke und nennt als Beispiel die Gründung Jugendberufsagentur und das Jugendbüro in Rheinfelden.
Seinem Nachfolger Horst Eckert wünscht Finke, dass er die Zeit nach Corona gut managen und die Möglichkeiten und Chancen der Digitalisierung nutzen wird.

Es gehe darum, gemeinsam mit den Beschäftigten Veränderungsprozesse positiv zu gestalten, und dabei an erster Stelle die Kunden der Arbeitsagentur im Blick zu behalten, so Finke. Er selbst hat mit Eckert in den vergangenen drei Jahren intensiv zusammengearbeitet und sagt: „Ich habe keine Zweifel, dass ihm das gelingen wird.“
Weiterhin vor allem Telefon- und Onlinezugang
- Die Situation: Seit 18. März haben die Arbeitsagenturen und Jobcenter (gemeinsame Einrichtungen) bundesweit die persönlichen Kontakte mit Kunden in den Dienststellen reduziert und Anliegen telefonisch oder online geklärt. Dieses Vorgehen habe sich auch unter dem Aspekt des Gesundheitsschutzes bewährt, teilt die Arbeitsagentur mit. Alle Regelungen, die seit dem 18. März gelten, haben weiterhin Bestand.
- Anträge: Eine Arbeitslosmeldung kann bis auf Weiteres auch telefonisch erfolgen und wird gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt persönlich nachgeholt. Anträge auf Geldleistungen können online unter http://www.arbeitsagentur.de gestellt werden.
- Auszahlungen: Die wichtigste Aufgabe bleibt die Zahlung von Geldleistungen, um Existenzen zu sichern. Dazu gehören neben dem Kurzarbeitergeld, dem Arbeitslosengeld und der Grundsicherung auch alle Leistungen der Familienkasse. Das Geld soll wie gewohnt auf die Konten der Kunden überwiesen werden.
- Die Hotlines: Arbeitnehmerkunden: 07621/178777 und 0800/4555500; Arbeitgeberkunden: 0800/4555520; Kunden der Berufsberatung, Jugendliche: 07621/178888; Kunden des Jobcenters Lörrach: 07621/178350. (mol)