Am 27. Januar jährte sich die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz zum 80. Mal. Passend zu diesem Internationalen Tag des Gedenkens an den Holocaust lud der Geschichtsstammtisch Hotzenwald im Gasthaus Adler in Niederwihl zum ersten Vortrag NS-Justiz in Freiburg in diesem Jahr ein. Groß war das Interesse am Vortrag von Thomas Kummle über das Unrecht und das brutale Wirken der NS-Justiz in Freiburg und in der nahen Umgebung.

Früherer Richter forscht über NS-Unrechtsstaat

Thomas Kummle, Präsident des Amtsgerichts Freiburg a. D., sprach bei seinem Vortrag in Niederwihl über das Unrecht und das brutale Wirken der NS-Justiz in Freiburg.

Passend zum Gedenktag: Thomas Kummle (rechts) mit Geschichtsstammtisch-Initiator Gerhard Krug nach seinem Referat NS-Justiz in Südbaden.
Passend zum Gedenktag: Thomas Kummle (rechts) mit Geschichtsstammtisch-Initiator Gerhard Krug nach seinem Referat NS-Justiz in Südbaden. | Bild: Hans-Jürgen Sackmann

Der pensionierte Amtsgerichtspräsident gab Einblicke, wie Nationalsozialisten den Staat und seine Institutionen, die Wirtschaft und die Zivilgesellschaft vollständig für sich vereinnahmt haben. Mit Strafrechtsfällen aus der Region zeigte er das Unrecht auf, das vielen Menschen durch die NS-Justiz widerfahren ist.

„Wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart“, mit diesem berühmten Zitat von Richard von Weizsäcker startete Thomas Kummle seinen Vortrag über die Willkür und Gräueltaten der NS-Täter in Richterroben. Durch die Reichstagsbrandverordnung am 28. Februar 1933 und dem Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 war die Meinungsfreiheit, Brief- und Postgeheimnis, die Säulen der Demokratie, der Rechtsstaat völlig binnen zwei Monaten aus den Angeln gehoben. Mit der Dauerausstellung im Amtsgericht in Freiburg zur NS-Justiz, mit dem Katalog dazu und seinen Referaten will der ehemalige Amtsgerichtspräsident die dunkle Aura auch in den Gerichtssälen in Freiburg aufzeigen.

Todesurteile in der Region

Er zeigte einige Bilder von Massenveranstaltungen in Säckingen 1936 und Freiburg 1939, wo jeder hingehen musste. Sie dienten zur Vereinnahmung der Bevölkerung. Die Neubildung von Parteien war bereits seit 14. Juli 1933 verboten.

In seinem zweiten Teil zeigte der promovierte Jurist, dass auch in Südbaden die Unrechtsjustiz durch eine Prozessführung mit Aggression und Befangenheit geprägt war. Sie war darauf angelegt, die Angeklagten zu demütigen und weitgehend ihres Rechts auf Verteidigung zu berauben. Die Urteile des Sondergerichts in Freiburg waren unanfechtbar und sofort gültig. Einige endeten tödlich.

Voller Saal: Thomas Kummle, Präsident des Amtsgerichts a.D. (links stehend), beantwortet Fragen zu seinem Referat NS-Justiz in Freiburg. ...
Voller Saal: Thomas Kummle, Präsident des Amtsgerichts a.D. (links stehend), beantwortet Fragen zu seinem Referat NS-Justiz in Freiburg. Die Teilnehmer sind sich einig, dass dieses Kapitel der Geschichte sich nicht wiederholen darf. | Bild: Hans-Jürgen Sackmann

Das Hören eines ausländischen Senders reichte, um in die Fänge der Geheimen Staatspolizei Waldshut zu geraten. Dies wurde im Jahr 1941 den Eheleuten Paul und Liska Müller sowie dem Mieter Karl Krug aus Binzgen zum Verhängnis. Sie kamen für das Rundfunkverbrechen zuerst in Schutzhaft und wurden anschließend zu je zwei Jahren und sechs Monaten Zuchthaus und die Ehefrau zu einem Jahr Gefängnis verurteilt.

Öflinger Landwirt kam in Schutzhaft

Thomas Kummle präsentierte den Fall des Josef Frommherz aus Öflingen. Er kritisierte auf einer Versammlung von 100 Öflinger Landwirten die kriegswirtschaftsbedingten Ablieferungspflichten von Getreide. „Dann pflanzen wir eben nur noch so viel an, dass es für den Eigenbedarf reicht.“ Er kam in Schutzhaft und die Vorlage am Volksgerichtshof zur Übernahme wurde abgelehnt. Das Sondergericht Freiburg setzte seine Strafe gegen die sofortige Einberufung in die Wehrmacht aus. Der fünffache Vater ist im Jahr 1945 gefallen.

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Wilhelm Köhler aus Görwihl, der wegen ein paar lapidaren Äußerungen die Erteilung des Religionsunterrichts entzogen wurde. Nach weiteren negativen Berichten zu bayerischen Soldaten kam Köhler in Schutzhaft wegen Verstoß gegen das Heimtückegesetz. Nach der Verschiebung ins KZ Dachau landete er aufgrund Anklage vor dem Sondergericht Freiburg im Gefängnis. Nach einem Jahr und zwei Monaten Gefängnis landete er wieder im Pfarrerblock Nummer 26 in Dachau.

Sondergericht urteilte rigoros

Bei der Betriebsprüfung durch den Viehwirtschaftsverband Baden ergab sich im Mai 1943 bei Metzgermeister Eugen Mülhaupt aus Waldshut eine Fehlmenge an Fleisch. Durch unrichtige Gewichtsangaben und markenfreie Fleischabgabe wurden 700 Zentner Fleisch der Kriegswirtschaft entzogen. Weitere Beteiligte waren der Schlachthausaufseher Gerber und der amtliche Wieger Welte zusammen mit dem Viehaufkäufer Fässle. Es folgte das umfangreichste Verfahren des Sondergerichts Freiburg. Mülhaupt wurde zum Tode verurteilt und 25. Juli 1944 in Bruchsal hingerichtet.

Der Volksgerichtshof wurde per Gesetz vom 24. April 1934 gegründet. Die politischen Straftaten des Hoch- und Landesverrats wurden vom Reichsgericht an den Volksgerichtshof verlagert. Die Zuständigkeiten wurden später wiederholt ausgedehnt auf „Wehrkraftzersetzung“ und „Feindbegünstigung“. Allein 1943 verhängte der Volksgerichtshof, die höchste juristische Instanz des NS-Regimes, mehr als 1500 Todesstrafen, insgesamt waren es mehr als 5000.

„Kein Vergessen!“

„Was ist Recht? Was ist Unrecht? Was ist Gesetz?“ Das Grauen, die Willkür, gewandet in die Robe des Rechts. Die deutsche Justiz, auch in Freiburg, ging nach diesen Verbrechen nahtlos zum Alltag über.

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Die Richter, die Bluturteile gesprochen hatten, kehrten innerhalb kürzester Zeit auf ihre Posten zurück. Während Nazi-Opfer über Jahrzehnte hinweg um ihre Rehabilitierung kämpfen mussten, konnten Nazi-Richter weitermachen, als hätten sie niemals Schuld auf sich geladen.

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„Vergessen darf man das Geschehene auf keinen Fall und so was darf nicht noch einmal passieren“, darin war sich der Referent mit den Zuhörern im Saal einig.