Wer im Kreis Waldshut den Busfahrplan studiert, muss sich mit Abkürzungen gut auskennen, vor allem mit „WF“ und „WS“. „F“ steht dabei für Ferien, „S“ für Schule. Ob der Bus wirklich fährt, hängt also davon ab, ob die Schulen Unterricht oder Ferien haben. Es gilt daher, die Ferientermine von Baden-Württemberg stets im Blick zu haben. Samstags und sonntags – schulfreie Tage – fährt dann teils, wie etwa zwischen Waldshut-Tiengen und Bonndorf, gar kein Bus oder nur einer alle zwei Stunden, so zwischen Waldshut-Tiengen und Ühlingen. Aber das ist auch nur bis zum späten Nachmittag so – letzte Abfahrt Waldshut Busbahnhof 16.40 Uhr.

Schülerverkehr oder Zweistundentakt

Nur Schülerverkehr oder lediglich im Zweistundentakt – das ist die Realität im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) im Kreis Waldshut. Es ist weit weg von dem, was die Landesregierung im Koalitionsvertrag von 2021 vereinbart hatte, nämlich bis 2026 im ländlichen Raum zu den Hauptverkehrszeiten einen Halbstundentakt im ÖPNV umzusetzen. Grün-Schwarz nennt das Mobilitätsgarantie.

Verkehrsminister räumt es ein

Inzwischen ist klar – auch Landesverkehrsminister Winfried Hermann hat das schon öffentlich eingeräumt: Das Versprechen für 2026 als Zielmarke ist nicht zu halten. Aber man habe es nicht aufgegeben und jetzt solle es 2030 so weit sein. Uwe Mühl von der SBG Südbadenbus GmbH nennt auch das „sportlich“. Für Hermann aber bleibt‘s dabei: „Es geht überall voran bei Bus und Bahn“, aber eben nur „Schritt für Schritt“. Unklar aber ist, ob so das zweite Ziel des Landes, bis 2030 die ÖPNV-Fahrgastzahlen zu verdoppeln, noch erreicht werden kann.

Marathon-Aufgabe statt Sprint

Niklas Nüssle, der Waldshuter grüne Landtagsabgeordnete, sagt: „Die Mobilitätsgarantie war und ist eine Marathon-Aufgabe, kein Sprint.“ Für Sabine Harmann-Müller, Nüssles CDU-Kollegin, ist ein „verlässlicher ÖPNV zentraler Baustein für gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land.“

Auf der Hochrheinbahn ist der Halbstundentakt in der Hauptverkehrszeit schon jetzt Wirklichkeit, ergänzt um die stündlichen RE in ...
Auf der Hochrheinbahn ist der Halbstundentakt in der Hauptverkehrszeit schon jetzt Wirklichkeit, ergänzt um die stündlichen RE in Richtung Bodensee. | Bild: Melanie Völk

Halbstundentakt gibt‘s vereinzelt

Vereinzelt ist regional der Halbstundentakt in der Hauptverkehrszeit ja schon jetzt Wirklichkeit: etwa auf der Hochrheinbahn zwischen Basel und Lauchringen, ergänzt um die stündlichen RE in Richtung Bodensee. Jestetten, Lottstetten und Erzingen profitieren vom attraktiven SBB-Takt Richtung Zürich und Schaffhausen. Busse fahren teils auch schon alle 30 Minuten und öfter, etwa zwischen Waldshut und Stühlingen an Schultagen, zwischen Waldshut und Lauchringen oder Bad Säckingen und Schopfheim. Vergleichsweise gut erschlossen sind die großen Verkehrsachsen der Region, die B34, die B500, die B314. Sorgen macht eher die Anbindung kleinerer Gemeinden im Hotzenwald oder anderer nördlich gelegener Kreisgemeinden wie etwa Bonndorf.

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Geld, Personal und teils auch Nachfrage – daran fehlt‘s. „Aus meiner Sicht wird die Finanzierung die größte Herausforderung sein, da dieser Umfang nicht ‚nutzerfinanziert‘ umsetzbar sein wird“, sagt Mühl. Lothar Probst, Leiter der Abteilung Wirtschaft und Mobilität im Landratsamt Waldshut, pflichtet ihm dabei.

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Und was ist mit Busfahrern und Lokführern?

Aber auch klar: Schon heute sollen bundesweit 60.000 Busfahrerinnen und -fahrer fehlen. Und die, die noch fahren, stehen vielfach vor der Rente. Nicht anders sieht es bei den Lokführerinnen und Lokführern aus. Und davon, dass da viele junge Menschen Schlange stünden, um nachzufolgen, ist ja nichts bekannt. Warum sonst würde sich Mühl wünschen, dass „mehr junge Menschen sich für das Busfahren begeistern könnten“ – was sie ja tun, aber eben in aller Regel nur als Fahrgast, nicht hinterm Steuer.

Aber selbst wenn Geld und Fachpersonal sämtlich vorhanden wären – wenn leere Busse durch die Region führen, wäre das auch nicht Sinn der Sache. Tatsächlich hat die coronabedingte Nachfrageflaute im ÖPNV das Land beim Tempo der Umsetzung der Mobilitätsgarantie ausgebremst. Teils sind laut Nüssle die Einbrüche noch immer nicht wettgemacht. Und so gelte es, „verloren gegangene Fahrgäste wieder für den ÖPNV zu gewinnen“, wie er sagt. Aber eben: Mehr Nachfrage wird wohl nur mit mehr Angebot zu haben sein. Oder wie es Hermann formuliert: „Ein gutes Angebot motiviert zum Umstieg.“

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So viel ÖPNV gibt‘s sonst nirgends

Wobei Mühl schon jetzt dem regionalen ÖPNV ein Kränzchen windet. Er sagt zum Kreis Waldshut: „Sie werden in Deutschland sonst keinen derart strukturierten ländlichen Landkreis mit so viel ÖPNV finden.“ Auf allen Seiten gebe es „sehr viel Herzblut und Engagement“, das Angebot im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten und Anforderungen anzupassen und auszuweiten.

An Busfahrerinnen und Busfahrern fehlt es auch im Kreis Waldshut, Xhemali Shukolli aber ist einer.
An Busfahrerinnen und Busfahrern fehlt es auch im Kreis Waldshut, Xhemali Shukolli aber ist einer. | Bild: Hans Christof Wagner

Man wird es schon jetzt sagen können: Dass der Bus fahrplanmäßig alle 30 Minuten fährt, wird im Kreis Waldshut auch 2030 wohl nicht kommen. Stattdessen heißt der Trend hier: On-Demand-Verkehre. Diese passen sich an den individuellen Bedarf der Fahrgäste an und fahren auf Bestellung.

On-Demand Chance für ländlichen Raum

Schon bestehende On-Demand-Verkehre hätten einen „enormen Zugewinn an Fahrgästen“ nach sich gezogen, sagt ein Sprecher des Landesverkehrsministeriums. Auch Hans Saurer aus Waldshut-Tiengen, Mitglied im südbadischen Vorstand des Verkehrsclubs Deutschland, sieht in On-Demand „Hoffnung für schwächer besiedelte Gebiete“. Da heute jeder mit Smartphone unterwegs ist und die optimalen Fahrtrouten per KI berechnet werden können, seien die Möglichkeiten inzwischen deutlich besser als bei früheren Versuchen, schätzt Saurer.

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Aber: Für den Bereich Waldshut/Höchenschwander Berg hat man einem von Probsts Abteilung ausgearbeiteten On-Demand-Projekt jüngst erst gar keine Chance auf Bewährung gegeben. Für fünf Jahre hätte es das Land mit 30 Prozent der Kosten von total 2,7 Millionen Euro bezuschusst. 70 Prozent wären an Landkreis und den bedienten Kommunen Waldshut-Tiengen, Weilheim, Höchenschwand, Häusern und St. Blasien hängengeblieben. Aus Sicht der Kreisverwaltung wohl zu viel Geld. Empfahl sie doch angesichts „schwer abschätzbarer und voraussichtlich überschaubarer Akzeptanz durch die Bürgerinnen und Bürger“ dem Ausschuss für Technik, Umwelt und Verkehr des Kreistages Nein zum Projekt zu sagen. Das tat dieser dann auch.