Der 19-Jährige, der am 26. März in der elterlichen Wohnung im Hohentengener Ortsteil Lienheim seine Eltern und seinen Bruder getötet haben soll und seine Schwester versucht hat zu töten, muss wohl viele Jahre in die Psychiatrie.

In ihren Schlussvorträgen haben sich Oberstaatsanwalt Christian Lorenz, Christine Küpfer, die Vertreterin der Nebenklage, und Verteidiger Urs Gronenberg übereinstimmend dafür ausgesprochen, den jungen Mann in eine psychiatrische Klinik einzuweisen.

Dabei gehen alle drei davon aus, dass der Beschuldigte für lange Zeit in der Klinik bleiben muss. Von ihm, so Christian Lorenz, gehe nach wie vor eine unkontrollierbare Gefahr aus. Damit übernahm der Oberstaatsanwalt die Argumentation des Kinder- und Jugendpsychiaters Michael Günter, dessen knapp zweistündiger Fachvortrag neben den Plädoyers im Mittelpunkt des letzten Tags der Beweisaufnahme stand. Am kommenden Freitag, 6. September, wird Martin Hauser als Vorsitzender Richter der Ersten Großen Jugendkammer des Landgerichts Waldshut das Urteil verkünden.

Experten sprechen von schlechter Prognose

Die Prognose, die Günter dem 19-Jährigen ausstellt, ist keine gute. Fraglich sei, ob die Behandlung überhaupt noch anschlagen werde. Bis jetzt – der Beschuldigte ist bereits in einer psychiatrischen Klinik untergebracht – gebe es bestenfalls minimale Erfolge. Es werde eine „lange, lange Behandlung“ sein, die ambulant nicht möglich sei.

Die mehrtägige Hauptverhandlung, so sagte der Kinder- und Jugendpsychiater, habe seinen Eindruck verstärkt, dass der Beschuldigte unter einer Schizophrenie leide. Einige Tage vor der Bluttat Ende März sei er wahnhaft entgleist, wobei es mindestens ein Jahr zuvor bereits „eindeutige psychotische Episoden“ gegeben habe.

Ausgeprägte religiöse Wahnvorstellungen

Kognitiv, so der Sachverständige, sei der Beschuldigte nicht gut ausgestattet. Er habe die zweite Klasse der Grundschule wiederholen müssen und die Hauptschule nur mit einem ganz schlechten Abschluss abgeschlossen. Er rangiere im Bereich der Lernbehinderung und habe keine vernünftige Weiterentwicklung erlebt.

Günter sprach von einer stark eingeschränkten psychischen Symptomatik und ausgeprägten religiösen Wahnvorstellungen. Diese seien keineswegs linear. Mal sehe er sich als vom Teufel besessen, mal als Racheengel Azrael, der alles Böse bekämpfe. So auch am Wochenende der Bluttat. Da sei sein Bruder Lucifer gewesen und seine Eltern vom Teufel besessen. Und auch seine Schwester, die die Bluttat überlebte, sei mit dem Bösen im Pakt gewesen.

Unklar, ob Therapie überhaupt sinnvoll ist

Ausführlich ging der Psychiater auf den Unterschied zwischen Plus- und Minussymptomen ein. Letztere seien medikamentös nur schwer behandelbar und beim Beschuldigten eindeutig dominant. Er sei sehr verschlossen, wenig zugänglich und leide unter einer erheblichen Antriebsstörung. Das alles, so der Psychiater, seien eindeutige Symptome einer Schizophrenie. Der Beschuldigte gewähre nur ganz wenige Einblicke in sein Innenleben. Eine drogenindizierte Psychose sei dabei auszuschließen. Symptome dafür wären schon lange abgeklungen. Die Krankheit wäre auch ohne Canabis ausgebrochen; möglicherweise allerdings später.

Auf die Frage, ob die Therapie Erfolg haben werde, meinte der Sachverständige: „Wir sind noch nicht mal beim ersten Schritt, der Einsicht des 19-Jährigen, krank zu sein.

Kurz und knapp fiel die Stellungnahme der Jugendgerichtshilfe aus. „Es gibt keine Ansatzpunkte, an denen die Jugendhilfe greifen könnte.“

In ihren Plädoyers kamen Staatsanwalt Christian Lorenz, Nebenklägerin Christine Küpfer und Verteidiger Urs Gronenberg zum gleichen Ergebnis. Der 19-Jährige sei schuldunfähig und müsse in eine psychiatrische Klinik eingewiesen werden. „Man verlässt so eine Verhandlung immer mit einer Sprachlosigkeit“, beschrieb Oberstaatsanwalt Christian Lorenz seine Mühe, die schrecklichen Ereignisse am 25. und 26. März in Lienheim in Worte zu fassen. Der Begriff Tötung greife eigentlich zu kurz. „Es war eine Vernichtung“, sagte der Oberstaatsanwalt.

Wohnung glich einem Schlachtfeld

Die Wohnung habe hinterher einem blutgetränkten Schlachtfeld geglichen. Mit viel Empathie wandte sich der Oberstaatsanwalt den Opfern zu. „Sie haben noch einen großen Teil ihres Lebens vor sich; hoffentlich finden sie einen Weg, mit dem Geschehenen umzugehen.“

Es werde noch lange dauern, bis die drei Schwestern des 19-Jährigen die Tat verarbeitet haben, meinte Christine Küpfer, die die Geschwister und die Schwester der getöteten Mutter in der Nebenklage vertritt. „Die Schwestern haben Angst, aber auch Wut und Trauer“, sagte Küpfer. Wut, weil vier Enkelkinder ihre Großeltern verloren haben und Trauer darüber, dass der kleine Bruder zu so etwas fähig gewesen sei. Wie aus den Äußerungen der Rechtsanwältin herauszuhören war, ist nicht ausgeschlossen, dass die Schwestern ihrem Bruder bei der Aufarbeitung des Geschehenen in der Klinik zur Seite stehen.

Verteidiger Urs Gronenberg nahm diese Ankündigung anerkennend zur Kenntnis. Wie zuvor schon der Oberstaatsanwalt begründete er die Schuldunfähigkeit seines Mandanten. In einem Strafverfahren hätte er auf Freispruch plädieren müssen, sagte Gronenberg. Dies, obwohl sein Mandat „mit Tötungs- und Vernichtungswille“ gehandelt habe. Der Beschuldigte sei noch immer der Überzeugung, dass seine Eltern vom Teufel besessen seien und sein Bruder Lucifer gewesen sei, der bekämpft werden musste. Und im Moment der Tat habe auch seine Schwester zu den Bösen gehört.

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