Seit rund neun Monaten leidet der dreijährige Sohn von Stephanie Aßmann aus Horheim immer wieder unter starken Bauchschmerzen. Zunächst stand der Verdacht einer Laktose-Allergie im Raum, der aber nicht bestätigt werden konnte. Die 29-Jährige beendete aufgrund von Diskrepanzen die Zusammenarbeit mit der bisherigen Kinderärztin, einvernehmlich – und machte sich auf die Suche nach einem neuen Kinderarzt in der Region.

„Wir sind voll“: Diese Aussage hat Stephanie Aßmann aus Horheim nach eigenem Bekunden seit dem 29. September von ziemlich allen Kinderarztpraxen im Landkreis Waldshut zu hören bekommen, mit denen sie sich telefonisch in Verbindung gesetzt hat. Mehrere Monate lang suchte sie nach einem Kinderarzt, der die Versorgung ihrer drei Kinder übernimmt. Mit derartigen Schwierigkeiten hat sie aber nicht gerechnet.

„Es ist eine Katastrophe“

Auch der Arzt, der den Dreijährigen bei einem Notfall behandelte, hatte laut Aßmann keine Patientenplätze mehr frei. Die Mutter hat jeden Kinderarzt in der Umgebung rund um ihren Wohnort Horheim abtelefoniert: in Waldshut, Tiengen, Lauchringen, Bonndorf sowie in Jestetten. Ohne Erfolg. Dass Stephanie Aßmann kein Auto zur Verfügung hat, kam noch erschwerend hinzu. „Es ist eine Katastrophe“, so die Mutter: „Es gab Tage, an denen ich nach den vielen Telefonaten abends da saß und dachte: Wo bin ich nur, das kann doch nicht wahr sein.“

Stephanie Aßmann aus Horheim sucht verzweifelt nach einem Kinderarzt für ihre drei Kinder. Alle Praxen haben keine Kapazitäten mehr ...
Stephanie Aßmann aus Horheim sucht verzweifelt nach einem Kinderarzt für ihre drei Kinder. Alle Praxen haben keine Kapazitäten mehr frei, heißt es. | Bild: Stephanie Aßmann

Neben der dringend notwendigen Versorgung ihres chronisch erkrankten Sohnes, wünscht sie sich einfach einen dauerhaften Kinderarzt auch für ihre beiden weiteren Kinder, sieben Jahre und gerade einmal ein Jahr alt. Im Alter ihrer Kinder stehen regelmäßig die U-Früherkennungsuntersuchungen auf dem Programm.

Mutter wünscht dauerhafte Versorgung, keinen ständigen Wechsel von Ärzten

Auf Nachfrage habe die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) die Mutter darauf hingewiesen, dass sie unter der Telefonnummer des Terminservicecenters 116 117 einen Arzt für einmalige Termine zugeteilt bekäme – auch für die U-Untersuchungen. Nur: Dies kann auch bedeuten, dass die Kinder dann jedes Mal in eine andere Praxis müssten. Dies wiederum mache eine Beurteilung der Entwicklung der Kinder schwierig. Aßmann wünscht sich hingegen eine kontinuierliche medizinische Versorgung für die drei.

„Bei Kindern geht das überhaupt nicht, dass ich von einem Arzt zum nächsten geschickt werde.“
Stephanie Aßmann, nach wochenlanger Arztsuche

Die Horheimerin wandte sich auch an ihre Krankenkasse. Doch diese habe die Zuständigkeit der KVBW zugeschoben und andersherum. An die KVBW sandte sie vor mehreren Wochen eine Beschwerde, in der sie ihre problematische Situation noch einmal zusammenfasst. Eine Antwort habe sie aber noch nicht erhalten, sagt sie gegenüber unserer Zeitung.

Die Beschwerde sei eingegangen, erklärt Swantje Middeldorff, Pressereferentin der KVBW, auf Anfrage. „Sie wird auch noch beantwortet, allerdings haben wir zurzeit viele Patientenanfragen, die Beantwortungszeit ist derzeit etwas länger“, so Middeldorff.

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Wer ist denn nun in einem solchen Fall zuständig?

Die KVBW ist laut Middeldorff zuständig für die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung. In der konkreten Versorgungssituation habe man versucht, mit dem Angebot der 116 117 zu unterstützen. Aber auch viele Krankenkassen würden ihre Patienten bei der Arztsuche unterstützen. „Das Problem ist nur gemeinsam zu lösen“, so Middeldorff.

Wie steht es um die Versorgung mit Kinderärzten im Landkreis Waldshut?

„Es herrscht vor allem eine Diskrepanz zwischen berechneter Versorgung und der realen Versorgung vor Ort“, sagt Middeldorff. Ärzte unterlägen der Bedarfsplanung. Der Gesetzgeber gebe vor, wie viele Kinderärzte sich pro Einwohner niederlassen dürfen. Daraus ergibt sich laut Middeldorff dann der Versorgungsgrad.

Ein Wert von 100 Prozent sei optimal, dann gilt der Bereich als ausreichend versorgt. Dies gilt laut Middeldorff für alle Facharztgruppen. Der Landkreis Waldshut liege derzeit bei 128 Prozent mit 13,5 Versorgungsaufträgen beziehungsweise Arztsitzen. Die Liste der Kinderärzte im Landkreis auf der Internetseite der KVBW zeigt 16 Treffer an – darunter alle Ärzte, auch jene in Gemeinschaftspraxen.

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„Der Landkreis ist also rein rechnerisch sehr gut versorgt“, sagt Middeldorff. „Und trotzdem haben Familien Probleme, einen Kinderarzt zu finden.“ Denn die meisten Kinderarztpraxen arbeiteten am Anschlag, „viele können keine weiteren Patienten aufnehmen, Notfälle werden natürlich immer behandelt“, erklärt die Pressereferentin der KVBW. Die Lage sei aber in anderen Regionen nicht besser.

Sie fügt hinzu: „Wir wissen das und können es dennoch nicht ändern, da wir an diese Bedarfsplanung gebunden sind.“ Die KVBW versuche schon lange, politisch darauf hinzuwirken, dass die Bedarfsplanungs-Richtlinie entsprechend angepasst wird.

Was sorgt noch für den Ärztemangel?

Der Gesetzgeber und die Bedarfsrichtlinie ließen wenig Spielraum für Sonderzulassungen, so Middeldorff. „Und selbst, wenn man da etwas ändern kann, bleibt immer noch das andere Problem: Es gibt einfach zu wenige niederlassungswillige, junge Ärzte. Insgesamt haben wir ein großes Nachwuchsproblem.“

Ist dies ein Problem des ländlichen Raums?

„Nein, es ist kein Stadt- oder Land-Problem. Auch in Stuttgart haben viele Menschen Probleme einen Kinderarzt zu finden“, nennt Swantje Middeldorff ein Beispiel.

Warum vergibt die KVBW nur einmalige Termine?

Der Gesetzgeber habe festgelegt, dass die Terminservicestelle einmalige Termine vermittelt. Dies könne sie aber nur, weil die Kinderärzte verpflichtet sind, entsprechende Termine der KVBW zu melden. „Nur diese können wir vermitteln; Einblick oder gar Zugriff auf die Praxis-Terminkalender haben wir natürlich nicht“, erläutert Swantje Middeldorff.

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Wäre ein Hausarzt eine Lösung?

Stephanie Aßmann hat sich bereits bei einer Hausärztin nach einer dauerhaften medizinischen Versorgung ihrer Kinder erkundigt. Doch auch diese erteilte der Mutter eine Absage. Denn sie würde die U-Untersuchungen der Kinder nicht durchführen.

Swantje Middeldorff erklärt dazu: „Im Prinzip dürfen Hausärzte diese zwar durchführen und auch abrechnen, aber viele machen es nicht.“ Gerade die frühen Untersuchungen seien doch sehr speziell und ein Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin sei dafür ganz sicher besser ausgebildet.

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Am Ende hat der Fall von Stefanie Aßmann und ihren drei Kindern zumindest teilweise eine positive Wendung genommen: Ein Hausarzt in Tiengen hat der Mutter zugesagt, die Untersuchungen der drei Kinder zu übernehmen, wie sie uns erzählt. Er werde die U-Untersuchungen durchführen und auch den Jungen mit den Bauchschmerzen anschauen. Die Mutter hat erst Mitte Dezember einen Termin. Ob dort dann eine dauerhafte medizinische Versorgung der Kinder möglich sein wird, sei noch unklar.

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