Eine Trauer ohne Abschied

Ein Schlag nach dem anderen im vergangenen Jahr. Im März starb die erste Schwester, wenig später die zweite und nochmals etwas später der Bruder – alle drei nicht an Corona. „Und meine Mutter konnte sich nicht von ihren Geschwistern in Italien verabschieden“, erzählt die Tochter, die in einer Gemeinde am Hochrhein lebt. Die Teilnahme an den Beerdigungen im Heimatland der Familie sei aufgrund von Corona nicht möglich gewesen. Es war eine Trauer ohne Abschied. „Und ohne Abschied kommt es dir irreal vor“, sagt die Tochter. „Es ist eben schwer, Menschen los zu lassen, die ohne richtigen Abschied von dir verschwunden sind.“ Auch den Rest der Familie in Italien habe man nicht sehen können.

Angst – Panik – keine Freude

Auch habe sich die Mutter nicht von der Trauer ablenken können – konnte keine Freundinnen treffen, mit ihnen essen gehen, wie sie es sonst so gerne macht. Die Corona-Verordnung verbot dies. Alles, was sie hätte aufbauen können, sei nicht möglich gewesen. Sie war mit der Traurigkeit allein. „Wir haben versucht, sie so gut es geht aufzuheitern, aber irgendwann ging auch das nicht mehr. Dann hat sie sich Hilfe geholt.“

Denn nach dem zweiten Todesfall im Sommer 2020 war die Mutter in eine tiefe Depression gefallen. Sie sei immer ausgelaugt gewesen, habe keine Freude mehr empfinden können und habe auch mit einer ständigen Angst gelebt, was als Nächstes passieren könne – nach so vielen Schicksalsschlägen in nur einem Jahr. Normalerweise sei ihre Mutter eine temperamentvolle, lebenslustige und humorvolle Frau, wie die Tochter erzählt. „Typisch italienisch eben“. Davon war dann nichts mehr da. „Sie ist nicht mehr so, wie ich sie kenne“, erzählt die Tochter. Panikattacken und tiefe Traurigkeit waren fortan an der Tagesordnung.

Nun gibt es Hoffnung

Auch für die Tochter sei die Situation sehr schwierig. „Meine Mutter ist für mich meine beste Freundin“, erzählt sie. Sie litt mir ihr und ihre Gedanken kreisten nur noch um die Mutter. Auch sei es ziemlich schwierig gewesen, eine geeignete Klinik zu finden. Nun ist die Mutter aber in einer – wie die Tochter sagt – passenden Klinik untergebracht. „Wir telefonieren jeden Tag und ich merke schon an der Stimme, dass es ihr langsam besser geht“, erzählt sie. Dies sei ein Hoffnungsschimmer in dieser schweren Zeit.

Corona macht alles noch schwieriger

Doch Corona erschwere die Situation noch mehr. So gebe es in Kliniken laut Angaben der Tochter weniger Therapien als notwendig und auch die Besuche seien nur eingeschränkt möglich. Nur am Wochenende könne die Tochter ihre Mutter draußen besuchen. Oder die Mutter dürfe zur behutsamen Gewöhnung an den Alltag übers Wochenende nach Hause.

Die Tochter sitzt im Schlosspark Bad Säckingen und ihre Gedanken kreisen um ihre erkrankte Mutter.
Die Tochter sitzt im Schlosspark Bad Säckingen und ihre Gedanken kreisen um ihre erkrankte Mutter. | Bild: Verena Wehrle

Sie hofft, dass ihre Mutter in einigen Wochen wieder nach Hause darf. Und dann möchte sie ihr so gut es geht helfen, wieder den Alltag zu meistern. Denn: „Ich kann einfach nicht los lassen.“

Viel Niedergeschlagenheit im Umfeld

Die junge Frau habe in ihrem Umfeld noch mehr Menschen, die gerade durch und wegen Corona in eine Depression oder Erschöpfung gefallen wären. Etwa junge Mütter mit Kindern, die überfordert seien. Viele seien ausgelaugt. Die Batterie sei leer. Auch mache sie sich viele Gedanken über all die Selbstständigen, die keine Perspektiven mehr sehen würden. Auch sie selbst habe sich in dieser Zeit oft gefangen gefühlt, sei oft nicht richtig motiviert gewesen, erzählt sie. Mit Blick auf den Zustand ihrer Mutter könne sie nun aber endlich wieder Hoffnung schöpfen und zuversichtlicher nach vorne schauen.

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