„Hallo“, „Servus“, „Morgen“, rauscht es mehrmals durch die Lautsprecher von Lehrerin Selina Haberstrohs Notebook, das provisorisch erhöht auf einem Karton steht. Der Bildschirm zeigt die Oberfläche der Videokonferenz-Funktion der Lernplattform Moodle. Es ist Freitagvormittag, die dritte Schulstunde hat soeben begonnen. Die siebte Klasse der Werner-Kirchhofer-Realschule hat jetzt Mathe bei Frau Haberstroh.

Kameras müssen ausgeschaltet bleiben

Die vielen „Hallos“ sind für Haberstroh das Zeichen, dass ihre Schüler auch wirklich da sind. „Das Problem ist, dass die Video-Konferenz nicht läuft, wenn alle Kameras an sind. Sonst würde ich sehen, dass meine Schüler physisch anwesend sind“, erklärt Haberstroh die doch sehr analoge Anwesenheitskontrolle per Namen-Ausrufen und Antwort-Geben. Dass sie ihre Schüler nicht einmal in der Videokonferenz sehen kann, sei schade, aber es gehe eben nicht anders.

So sieht der Lehreralltag momentan aus: Mit PowerPoint-Präsentation und digitalen Whiteboards findet der Unterricht online über die ...
So sieht der Lehreralltag momentan aus: Mit PowerPoint-Präsentation und digitalen Whiteboards findet der Unterricht online über die Lernplattform Moodle statt. | Bild: Maria Schlageter

Während Haberstroh noch die Namensliste abarbeitet, ploppen auf ihrem Bildschirm schon die ersten Nachrichten im Chat auf: Fragen zur Stunde, zum Thema, Fragen danach, wie es allen geht. Der Chat und die Audioverbindung der Videokonferenz sind die hauptsächlichen Kommunikationswege, über die die Schüler mit ihrer Klassenlehrerin Frau Haberstroh seit dem harten Lockdown in Kontakt sind.

Dass die Schulen nach den Weihnachtsferien geschlossen geblieben sind hält sie für richtig. Als Teil einer „Task-Force“ des Lehrerkollegiums hat sie schon zu Beginn des Schuljahres den immer wahrscheinlicher werdenden Schulschließungen mit vorbereitet. „Wir wollen den Schülern eine Struktur liefern. Deswegen bilden wir den Stundenplan eins zu eins auch im Online-Unterricht ab. Die Klassen sind von der ersten bis zur letzten Stunde in ihr virtuelles Klassenzimmer eingeloggt und wir Lehrer kommen dann dazu“, erzählt Haberstroh.

Meldung per Mausklick

Für diesen Freitagvormittag heißt das: Dritte Stunde Mathe. „Heute machen wir mit den linearen Gleichungen weiter. Auflösen nach x“, kündigt Haberstroh an. Ob ihre Schüler dabei schon das Handy in der Hand halten oder weiter konzentriert vor ihren Laptops sitzen, weiß sie nicht. Sie hofft letzteres und beginnt die Hausaufgaben zu besprechen. Wie im Präsenzunterricht auch können sich auch hier die Schüler mit einem Mausklick melden, Haberstroh ruft auf, erklärt und korrigiert über ihr Mikrofon.

Was sagen die Schüler zum Online-Unterricht?

„Im Großen und Ganzen läuft es gut. Man merkt nur, dass die Motivation gerade sehr nachlässt. Es wird zäh – für Lehrer und Schüler“, sagt Haberstroh. Ihr Mikrofon ist jetzt auf stumm geschaltet, ihre Schüler hat sie in virtuelle Gruppenräume verteilt, wo sie eigenständig Aufgaben lösen müssen. Nach fünf Minuten holt sie die Klasse wieder in einen Raum zurück. Auf ihrem Bildschirm, den sie mit den Schülern teilt, trägt Haberstroh Lösungen ein und erläutert die verschiedenen Rechenwege. Wie auf einer klassischen Schiefertafel können die Siebtklässler vor ihren Bildschirmen mitverfolgen was Haberstroh aufschreibt.

Am Ende von jeder Stunde liest Haberstroh nochmal Namen vor, aber dieses Mal nur vier. Die Auserwählten müssen Aufgaben abgeben, was in diesem Fall heißt, sie auf Moodle hochzuladen. Dass sie erst am Schluss verrät, wer abgeben muss ist eines der didaktischen Mittel, die sich Haberstroh während des Online-Unterrichts angewöhnt hat: „So passen die Schüler während der Stunde besser auf, weil sie ja nicht wissen wen es trifft.“

Sorge um den Schulstoff

Denn genau das ist eine allgegenwärtige Befürchtung, dass die Schüler zu viel vom Schulstoff verpassen oder irgendwann nicht mehr hinterherkommen. Damit das nicht passiert müssen alle Initiative zeigen, denn von den Lehrern allein hänge das nicht ab, meint Haberstroh. „Ich versuche potentielle Ungleichheiten auszugleichen, indem ich ansprechbar bin und jeden fördere, der es möchte. Die Schüler müssen unsere Angebote aber auch annehmen“, sagt sie. So sollten aus ihrer Klasse alle einen sicheren Messengerdienst auf ihr Handy laden. Darüber können sie ihre Schüler auch außerhalb der Unterrichtszeiten bei mathematischen Unklarheiten kontaktieren.

Haberstroh, die neben Mathe auch Geografie und AES (Alltagskultur, Ernährung, Soziales) unterrichtet, ist eine engagierte Lehrerin. Sie steht noch am Anfang ihrer Berufslaufbahn – ein Vorteil in der aktuellen Situation: „Für mich ist die Umstellung vielleicht nicht so krass wie für Kollegen, die schon jahrelang unterrichten.“

Online-Unterricht gut eingeübt

Eine tatsächliche Ausnahmesituation war so gesehen der erste abrupte Lockdown vor knapp einem Jahr. „Damals gab es nur Wochenaufgaben und die Schüler mussten sich selbst strukturieren, wann sie was machen, was schwer war“, erinnert sich Haberstroh. Auf die erneute Schulschließung im Winter war die Werner-Kirchhofer-Realschule deutlich besser gerüstet: „Wir Lehrer haben Laptops bekommen und die Schüler waren vorbereitet.“

Anfangs sei der Online-Unterricht an Dingen, wie einem vergessenen Passwort gescheitert. Das passiere heute kaum mehr. „Die Schüler sind besser organisiert. Ein großer Vorteil ist außerdem, dass wir auch Online-Leistungen benoten dürfen, das gibt dem Ganzen eine Ernsthaftigkeit“, sagt Haberstroh. Wichtig sei ihr keinen Schüler ganz aus den Augen zu verlieren: „Ich habe keinen Schüler, den ich nicht erreiche.“

Mittlerweile sind ihre Siebtklässler in Deutsch, sie selbst hat jetzt eine Freistunde. Doch anstatt auf einen Plausch ins Lehrerzimmer zu gehen, bleibt sie allein in ihrem Arbeitszimmer. Auch hier bleibt etwas auf der Strecke. Viele Lehrerkollegen, vermissen sich ebenso wie es ihre Schüler tun.

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