Der Hochrhein gehört zu den am meisten vom Lehrermangel betroffenen Gebieten im Land. Dies wurde jüngst beim Pressegespräch mit der stellvertretenden Landesvorsitzenden der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Ricarda Kaiser, sowie GEW-Vertretern in Wehr deutlich. Beim Gespräch war die mangelnde Lehrerversorgung das vorherrschende Thema. Die GEW stellte klare Forderungen an das Land.
Wie ist die Situation am Hochrhein?
„Unsere beiden Landkreise und dabei insbesondere der Kreis Waldshut sind besonders vom Lehrermangel betroffen“, so Anja Hanke, Vorsitzende der GEW Kreis Lörrach. In den vergangenen Jahren seien im Schulamtsbezirk Lörrach (Landkreise Lörrach und Waldshut) jeweils zu Schuljahresbeginn rund 400 Lehrerstellen zu besetzen gewesen.
Von diesen seien jeweils rund die Hälfte mit nicht ausgebildeten Personen besetzt worden, so Hanke. Die Zahlen betreffen alle Schulen, nicht aber die beruflichen Schulen sowie Gymnasien.
Die Besetzung der Lehrerstellen am Hochrhein
Insbesondere in den Grund- und Sonderschulen würden jedes Jahr zu Schuljahresbeginn nur noch etwa die Hälfte der Stellen mit ausgebildeten Lehrkräften besetzt werden können, so Anja Hanke. Die anderen Stellen würden – wenn möglich – mit ungelernten Kräften, sogenannten Nichterfüllern, besetzt.
„Wir sind dankbar, dass sie da sind und wir brauchen sie nächstes Jahr wieder, aber die Meisten werden vor den Sommerferien vom Kultusministerium aus Kostengründen entlassen“, bedauert Hanke. Ricarda Kaiser betont: „Das ist eine wirklich schwierige Situation und damit steht und fällt alles, was an Unterrichtsqualität geplant ist.“

Warum ist der Lehrermangel gerade am Hochrhein so ausgeprägt?
Dazu erklärt Hanke: „Da gibt es den großen Magnet Freiburg und als Grenzregion lockt die Schweiz mit viel attraktiveren Arbeitsbedingungen.“ Darüber hinaus seien viele Lehrer nicht bereit, für eine Stelle umzuziehen, vor allem nicht aufs Land. Und auch die Pendler aus Freiburg würden nicht so weit fahren wollen.
„Die Attraktivität des Berufs reicht nicht mehr aus, damit junge Menschen einen Umzug in Kauf nehmen.“Christine Gengenbach, stellvertretende Vorsitzende GEW Kreis Lörrach
Ricarda Kaiser verdeutlichte dies mit der Beschreibung des Bewerbungsverfahrens: So würden einige nur eine Region, etwa Freiburg, bei der Bewerbung angeben, und damit in Kauf nehmen, keine Stelle zu bekommen. Diejenigen, die bei der Ortswahl flexibler sind, bekämen auch eine Stelle. Demnach ständen eigentlich noch viel mehr ausgebildete Lehrkräfte zur Verfügung, die jedoch nicht umziehen wollten und somit ohne Stelle blieben.
Welche Schulen sind besonders betroffen?
Besonders betroffen sind laut Anja Hanke Sonderschulen, die SBBZ. Diese hätten insgesamt nur eine Lehrerversorgung von 80 Prozent und bei manchen Schulen seien diese bis zur Hälfte mit Personen ohne fachliche Ausbildung besetzt. „Das größte Drama dabei: Die Nichterfüller bekommen keinerlei fachliche Begleitung, diese bleibt vor Ort bei den Kollegen hängen.“
Petteri Möhwald, im Kreisvorstand der GEW Lörrach, unterrichtet an der Wiesentalschule Maulburg. Hier sei ein Industriemeister eingestellt, der Technik unterrichtet. Er sei fachlich top, müsse aber bezüglich Lehrplan und Unterrichten komplett von vorne beginnen, so Möhwald. Das Land starte nun einen Modellversuch, in dem es Nichterfüllern Fortbildungen anbiete. Jedoch würden diese für die Lehrkräfte der Region nur in Rottweil und Offenburg stattfinden, seien freiwillig und zusätzlich sowie ohne Zertifikat, wie der GEW moniert.
„Man hat die Leute, braucht sie auch, lässt sie aber völlig allein.“Anja Hanke, Vorsitzende GEW Kreis Lörrach, über Nichterfüller, also Lehrer ohne Ausbildung
Was sind die Folgen des Lehrermangels?
Da die Belastungen durch den Lehrermangel für alle Kollegen immer größer würden, mache dies den Beruf immer unattraktiver. „Seit zwei Jahren haben wir immer mehr Kündigungen, das gab es vorher nicht“, so Hanke. Auch von Anfang an gekürzte Stundenpläne, einen zusätzlichen Unterrichtsausfall bei Krankheit, da keine Krankheitsvertretungen mehr verfügbar sind, seien Folgen.
Was fordert die GEW?
„Uns fehlt von der Landesregierung ein schlüssiges Konzept, um dem Lehrkräftemangel entgegenzuwirken. Man könnte etwa ländliche Regionen attraktiver machen, zum Beispiel mit einer Ortszulage, gerade in Mangelregionen“, so Hanke.
„Die mangelnde Bildung wird irgendwann wirklich zu einem gesellschaftlichen Problem, wir dürfen nicht vergessen: Bildung ist unser höchstes Gut.“Benita Hasselblatt, Vorsitzende GEW Kreis Waldshut
Auch Ricarda Kaiser vom GEW-Landesvorstand ärgert sich: „Der wirkliche Wille hier etwas zu bewegen, ist nicht da. Im Haushalt hat Kultusministerin Schopper keine einzige Ausgabe für den Bildungsbereich durchbekommen.“