Bisherige Lockerungen unzureichend

Klar ist: Die Wirtschaft am Hochrhein sehnt die Grenzöffnung und damit die Rückkehr der Schweizer Kundschaft herbei, denn die vergangenen Monate waren für die Geschäftsleute hart und mit gravierenden Umsatzeinbrüchen verbunden. Ohne Schweizer Kunden, stehe eben als Einzugsgebiet nur ein Halbkreis zur Verfügung, erklären Gewerbeverbände und IHK übereinstimmend.

Und das sei schlicht nicht ausreichend. Insofern musste selbst im Lebensmitteleinzelhandel das Mittel der Kurzarbeit eingeführt werden. Gerade im Non-Food-Einzelhandel kam erschwerend der zeitweise komplette Lockdown hinzu, verbunden mit Komplettausfällen auf der Einnahmeseite.

Stempeln am Zoll ist bald nicht mehr nötig. Mit der Mittelfreigabe kommt wieder Bewegung in die Einführung der digitalen Abfertigung der ...
Stempeln am Zoll ist bald nicht mehr nötig. Mit der Mittelfreigabe kommt wieder Bewegung in die Einführung der digitalen Abfertigung der Warenausfuhr und Mehrwertsteuerrückerstattung. | Bild: Oliver Hanser

Zwar gab es zwischenzeitlich etliche Lockerungen – auch im Hinblick auf die Grenzübertritte. Seit 15. Mai wurden die Bestimmungen für die Einreise nach Deutschland erleichtert, seit dem 2. Juni werden sogar wieder Ausfuhrscheine abgestempelt. Doch aus Sicht der Geschäftswelt gehen alle diese Maßnahmen nicht weit genug. Der Werbe- und Förderungskreis Waldshut wie auch der Stadtmarketingverein Pro Bad Säckingen registrieren bislang kaum nennenswerte Umsatzsteigerungen.

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Dass nach wie vor triftige Gründe für einen Grenzübertritt notwendig sind und allenthalben viel Verwirrung herrscht, weil Regelungen sich in gewissen Bereichen sogar widersprechen, wodurch auch Kunden aus der Schweiz abgeschreckt würden, sorgt auch von Beginn an für reichlich Kritik seitens der IHK Hochrhein-Bodensee. Auch nach Wochen habe sich an der Gesamtproblematik nichts geändert, sagt deren Hauptgeschäftsführer Claudius Marx auf Anfrage des SÜDKURIER: „Dass die tatsächliche Intensität der Kontrollen nachgelassen hat, mag zutreffen, kann aber keine Lösung sein. Ein Grenzübertritt „auf gut Glück“ schafft mehr Verwirrung als Klarheit.“

Derartige Bilder, wie am Grenzübergang in Waldshut, kennt man am Hochrhein vor allem am Wochenende. Ob es auch nach der Grenzöffnung ...
Derartige Bilder, wie am Grenzübergang in Waldshut, kennt man am Hochrhein vor allem am Wochenende. Ob es auch nach der Grenzöffnung wieder so zugeht, bleibt abzuwarten. | Bild: Gerard, Roland

Wirtschaftliche, aber auch gesellschaftliche Normalität werden erst dann wieder vorherrschen, wenn die Grenzen beidseitig und ohne Einschränkung für Personen, Waren und Dienstleistungen geöffnet seien, so Marx. Und erst dann sei auch an ein Ende der Krisenstimmung in der Wirtschaft zu denken.

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Diese Ansicht teilen auch Elisabeth Vogt, Vorsitzende von Pro Bad Säckingen, und Jochen Seipp, Sprecher des Werbe- und Förderungskreises Waldshut: „Grenzen begrenzen. Wir freuen uns, mit einer vollständigen Öffnung der Grenzen wieder ein Stückweit zurück zur Normalität vor der Corona-Krise zu kommen“, so Seipp.

Zwischen Vorfreude und Vorsicht: Die Erwartungen der Geschäftsleute

Im Hinblick auf die Rückkehr der Schweizer Einkaufstouristen herrsche bei den Geschäftsleuten wie auch den Mitarbeitern der Unternehmen große Vorfreude, konstatieren die Handels- und Gewerbeverbände: „Dann sind wir wieder eine gemeinsame Region und nicht drei Staaten“, sagt Elisabeth Vogt auch im Hinblick auf die Grenzsituation zum benachbarten Frankreich, die sich ähnlich gestaltet.

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Dass die Wirtschaft erheblich unter dem Ausbleiben der Schweizer Kundschaft gelitten habe, sei kein Geheimnis, ergänzt Seipp: „Das ist von Warengruppe zu Warengruppe allerdings sehr unterschiedlich.“ Insofern sei allenthalben die Hoffnung groß, dass möglichst bald wieder eine Normalität einkehre, wie man sie aus der Zeit von vor der Pandemie kenne.

Luftig gestaltet sich die Situation auf den Parkplätzen, wie hier auf dem Aldi-Areal im Laufenpark, seit der Grenzschließung. Das könnte ...
Luftig gestaltet sich die Situation auf den Parkplätzen, wie hier auf dem Aldi-Areal im Laufenpark, seit der Grenzschließung. Das könnte sich ab Montag, 15. Juni, wieder ändern. | Bild: Baier, Markus

IHK-Chef Marx bremst indes die Euphorie: „Wir rechnen nicht mit dem verschiedentlich befürchteten „Ansturm“ auf deutsche Geschäfte und Einkaufszentren, sondern gehen von einem eher langsam anlaufenden, stetigen Prozess aus.“ Es gebe generell eine Zurückhaltung der Kunden, die zum Teil auf der „verwirrenden Vielfalt und Änderungsgeschwindigkeit der Corona-Vorgaben beruht“, zum Teil auf der Vorsicht der Menschen, die vielfach noch immer zuhause bleiben, und zum Teil auf den Hygienekonzepten, die das Einkaufs- und Gastronomieerlebnis belasten.

Zugleich sehen viele Geschäftsleute wie Bruno Hall, Geschäftsführer von Expert Villringer mit Hauptsitz in Lörrach, eine gewisse Zurückhaltung, die auf Zukunftsangst fußt: „Viele Menschen sind von Kurzarbeit betroffen oder haben Angst um ihren Arbeitsplatz. Deswegen schieben sie größere Anschaffungen lieber auf.“

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Wann und ob der Handel wieder das Umsatz-Niveau vor der Pandemie erreichen wird, ist jedenfalls ungewiss, zumal der Einkaufstourismus bereits vor Corona tendenziell rückläufig war, gibt Claudius Marx zu bedenken: „Bereits deshalb wird es keine vollständige Rückkehr zum status quo ante geben.“

Hygiene-Bestimmungen bleiben unverhandelbar

Gerade von Gewerkschaftsseite gibt es große Skepsis, dass mit der Rückkehr der Schweizer Kundschaft in den Geschäften ein Stück weit der Schlendrian Einzug halten könnte, um die Schweizer Kundschaft nicht zu vergrätzen, oder aber die Konzepte nicht mehr aufgehen, weil plötzlich wieder deutlich mehr Kunden in die Innenstädte strömen. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi warnt in einer Mitteilung gar vor „chaotischen Verhältnissen“, die möglicherweise zulasten der Mitarbeiter in den Geschäften und Lokalen gehen könnte.

„Wir teilen diese Bedenken nicht. Die Schutzmaßnahmen gelten weiterhin für alle Kunden, egal woher diese kommen, das hat mit der Öffnung der Grenze erstmal nichts zu tun“, betont Elisabeth Vogt. Generell sollte die Grenzöffnung erst einmal als positive Entwicklung gesehen werden, denn „diese ist ein wichtiger Faktor, der zum Erhalt unserer Arbeitsplätze beiträgt“. Dies sollte laut Vogt auch eine Gewerkschaft entsprechend würdigen.

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Auch der Handel in Waldshut-Tiengen sieht sich bestens auf den zu erwartenden Zuwachs an Kunden vorbereitet, versichert Jochen Seipp. Und zugleich werde unvermindert an den geltenden Regelungen wie Mindestabstand, Maskenpflicht, Bereitstellung von Desinfektionsmittel festgehalten. Denn am Ende sei es unerheblich, woher die Kundschaft komme: An die geltenden Vorschriften müssten sich alle halten.

Trends und Tendenzen: Mit welchen Herausforderungen es die Wirtschaft in der Region zu tun bekommt – zwei Beispiele

Und überhaupt liege es im ureigenen Interesse des Handels, die Vorschriften einzuhalten, auch wenn dies an einigen Stellen zu Wartezeiten und Unannehmlichkeiten für die Kundschaft führen könne, sagt auch Claudius Marx. Denn ein zweiter Lockdown – noch dazu aufgrund von Unachtsamkeit oder Leichtsinn – wäre für den Handel eine Katastrophe. Grundsätzliche Bedenken habe die IHK indes nicht, denn auch die Schweizer seien zwischenzeitlich an Beschränkungen und Corona-bedingte Verhaltensmaßregeln gewöhnt. Es gebe keinen Grund, daran zu zweifeln, dass auch die Schweizer Kundschaft sich kooperativ verhalte.

Keine speziellen Willkommens-Angebote für Eidgenossen

Die Corona-Krisen haben sowohl die Gewerbetreibenden in Waldshut-Tiengen als auch in Bad Säckingen genutzt, um Kampagnen oder Aktionen zu entwickeln, mit denen auf den jeweiligen Standort aufmerksam gemacht wird. Diese richten sich aber ausdrücklich an alle Kunden, nicht nur an bestimmte Gruppen.

Pro Bad Säckingen hat etwa die neue Bad Säckinger Card oder die rabattierten Stadtgutscheine geschaffen, um den örtlichen Handel und Gewerbe zu unterstützen, schildert Elisabeth Vogt.

In Waldshut-Tiengen wurde die Werbekampagne „Mit Abstand am Schönsten – Willkommen in Waldshut & Tiengen“ entwickelt, mit der Kunden auf die große Branchenvielfalt wie auch die Familienfreundlichkeit der Wirtschaft in Waldshut und Tiengen aufmerksam gemacht werden sollen. Auch hier gelte laut Jochen Seipp die Devise: Eingeladen ist jeder, der Wohnsitz ist dabei unerheblich. Gleichwohl wurde in in der Schweiz erscheinenden Medien großformatig geworben.

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