Sabine Nann lebt in Grunholz und arbeitet als CAD-Konstrukteurin und Geomatikerin in der Schweiz. Mit ihrem Chef hat die 49-jährige zweifache Mutter vereinbart, dass sie Aufträge teilweise auch von daheim erledigen kann. Dafür muss sie zuverlässig telefonisch erreichbar sein und auf eine leistungsfähige Internetverbindung zurückgreifen können. All die Jahre gab es damit nie ein Problem. Bis Sabine Nann am 22. Juni, einem Donnerstag, abends von der Arbeit zurückkehrt. Weder Internet noch Festnetztelefon funktionieren. Und sie funktionieren bis zum heutigen Tag nicht mehr so, wie Sabine Nann sich dies wünscht. Sie weiß heute, wie Telekommunikationsnetzbetreiber mit ihren Kunden umgehen, wenn diese wirklich einmal ein Problem haben.
Mit ihrem Handy versucht Sabine Nann sofort, die Kundenhotline zu erreichen. Jedes Mal ist dauerbesetzt. Am nächsten Tag nimmt ihr Mobiltelefon mit zur Arbeit. Sie wählt im Büro die Kundendienstnummer des Netzbetreibers an, legt ihr Telefon auf den Bürotisch und lässt es dauerläuten. Immer wenn sie aus der Warteschleife fliegt, versucht sie es erneut. Es braucht eine Dreiviertelstunde, bis sie endlich mit einem Menschen redet und nicht mehr mit einer Ansage vom Band. Sie wird angehört, verbunden, wieder angehört, vertröstet.
Sabine Nanns Tocher steht kurz vor ihren mündlichen Abiturprüfungen und muss sich darauf vorbereiten. Sie wird in Französisch geprüft und will französischsprachige Videos ansehen. Nicht möglich. Sabine Nanns Sohn ist promovierter Astrophysiker. Er tritt demnächst eine Stelle in Australien an, hat seine Wohnung in Zürich gekündigt und lebt kurzzeitig wieder bei seiner Mutter. Weil auch er lange in Hongkong lebte, gibt es Probleme mit dem Visum und er muss deshalb viel mit der australischen Botschaft Kontakt halten. Seine zukünftigen Arbeitskollegen wollen mit ihm skypen. Auch das alles nicht möglich. Und natürlich kann Sabine Nann auch nicht von zuhause aus arbeiten.
Nach vier Tagen hat Sabine Nann die Telefonnummer des Unternehmens, das im südlichen Baden-Württemberg für ihren Netzbetreiber den technischen Service übernimmt. Sie versucht einen Termin mit dem Techniker zu vereinbaren. Doch in der Hotline dieses Unternehmens beginnt das alte Hotline-Spiel von vorn. Eine elektronische Stimme rät Sabine Nann, sie solle später anrufen, "um unnötige Wartezeiten zu vermeiden".
Am 27. Juni gelingt es Sabine Nann endlich, einen Termin mit einem Servicetechniker zu vereinbaren. Ihr wird mitgeteilt, dass er am nächsten Tag vor Ort sein werde. Zwischen 8 und 17 Uhr. Sei Sabine Nann nicht zehn Minuten nach seinem Eintreffen zur Stelle, werde der Techniker wieder gehen. Sabine Nann nimmt sich einen Tag Urlaub. Am 28. Juni erhält sie um 15.40 Uhr eine SMS: "Sehr geehrter Kunde, leider müssen wir den Termin absagen. Wir melden uns zeitnah für eine erneute Terminabsprache."
Sabine Nanns Schweizer Chef wundert sich, wie deutsche Telekommunikationsunternehmen mit ihren Kunden umspringen. Er schreibt eine Mail an das Serviceunternehmen, das seine Mitarbeiterin versetzt hat: "Wir finden Ihre Geschäftsführung und Ihre Praktiken im Umgang mit Ihren Kunden sehr bedenklich. Aber offenbar ist das bei Ihnen so üblich… bei uns jedenfalls nicht."
Hat die Mail aus der Schweiz etwas bewirkt? Am 29. Juni jedenfalls kündigt das Serviceunternehmen für den Folgetag wieder den Besuch des Servicetechnikers an. Wie vereinbart, kommt er um 9 Uhr vorbei, führt Messungen durch. Der Fehler liege klar außerhalb des Hauses, sagt er. Vermutlich sei eine Muffe defekt. Das müsse ein Bautrupp wieder in Ordnung bringen, sagt der Techniker. Er baut einen provisorischen Verstärker ein.
Die versprochenen Handwerker kommen am 4. Juli, um die Störung endgültig zu beheben. Sabine Nann ist nicht daheim, aber ihre Tochter. Die Techniker führen wieder Messungen durch und stellen fest, dass im Haus ein gutes Signal ankommt. Die Tochter sagt, dass das wohl der eingebaute provisorische Verstärker sein müsse. Nein, der Fehler liege ganz klar im Haus. Vermutlich ein Wackelkontakt. Sie nesteln an einem Kabel herum und das Haus wieder.
Sabine Nann schreibt am 6. Juli eine Mail an ihren Netzbetreiber und an dessen Servicegesellschaft: "Das Provisorium ist immer noch da... Komisch. Ich verstehe nicht, was ich jetzt machen soll. Kommt da nochmal jemand?"