Laufenburg/CH Fragil wirkende Buchstaben, umwickelt mit weißer Gaze, sind an einer Verbindungswand zwischen Eingangshalle und den Räumen der Logopädie und der Familienberatung befestigt. Als hätte sie ein Windstoß durcheinandergewirbelt. Sie sind so angeordnet, dass die Betrachtenden rätseln müssen, welches Wort diese weißen Buchstaben bilden könnten. „Verbindung“ heißt es. Es ist das Thema der Ausstellung, die bis zum 1. Dezember im Gemeindezentrum Im Hinteren Wasen in Laufenburg zu sehen ist.
Das Spielen mit Worten und Sprache ist in vielen Werken von Dora Freiermuth enthalten. Meistens sind die Worte versteckt, in etwas Neues verwandelt. So in drei Werken, die am Anfang der Ausstellung stehen. Hier hat sie die Buchstaben des Wortes „begrenzt“ immer wieder übereinander geschrieben und die Schnittflächen mit schwarzer Farbe ausgemalt, die weiteren Flächen mit Gold, sodass etwas Neues entstanden ist. Das eigentliche Wort ist nicht mehr erkennbar. Sehr wohl aber ein schönes, geheimnisvolles Bild. Mit derselben Technik hat Freiermuth zwei kleinere Bilder mit den Worten „enthüllt“ und „enträtselt“ geschaffen.
So ist jedes Werk von Dora Freiermuth ein kleines Rätsel, meist ist es ein Trompe-l‘Œil – eine Täuschung. Nicht leicht zuzuordnen. Werke, die dazu einladen, hinzuschauen, zu sinnieren, eigene Deutungen zu suchen, und sich so mit einem Werk zu verbinden. Oder wie an der Vernissage Rolf Brogli, Freund und Logopäde, in seiner Einführungsrede festhielt: „Wir leben in einer Zeit der zunehmenden Polarisierung. Polarisierung ist Abspaltung, ist Leben in Bindungslosigkeit.“ Die Werke Freiermuths tun das Gegenteil. Sie laden ein, sich mit der Umwelt, mit anderen Menschen, mit Kunst zu verbinden.
Freiermuth spielt oft mit scheinbar wertlosen Alltags- und Naturmaterialien, mit Abfallprodukten, mit der Vergänglichkeit. Minutiös formt sie diese in etwas Neues um. Sie überklebt schwarzes Zeichenpapier mit matten Klebestreifen, sodass die neu entstandene Oberfläche wie Filz aussieht. Diese Flächen werden unterbrochen von überlappenden Klebestreifen, die wie Metallfäden wirken. „Viele der Ideen kommen mir beim eigentlichen Arbeiten mit Materialien“, sagt Freiermuth.
Interessant sind auch zwei Arbeiten, die eher am Rande der Ausstellung platziert sind. Darin überklebt sie Graphitpulver mit matten Klebestreifen. Die neue Oberfläche erinnert an eine Kunststoffabdeckung einer Küche. Genau kann man es nicht zuordnen. Freiermuth verwendet oft Grautöne – oder dann das Gegenteil: grelle, kräftige Farben wie Rot, Orange, Gelb oder Gold. In „Trost der Schönheit“ hat sie jeden Tag eine Mandarinenschale zu kleinen Skulpturen geformt, diese haltbar gemacht und mit Gold bemalt. Diese kleinen Skulpturen sind nach der Lektüre von Gabriele von Arnims Buch „Der Trost der Schönheit“ (2023) entstanden, „als Zeichen dafür, dass es jeden Tag etwas Schönes gibt“, erklärt Freiermuth.
Zeitgeschehen fließt ebenfalls in ihre Arbeit ein. Zu Beginn der Ausstellung steht eine Maske, genäht aus Toilettenpapier, das während der Coronapandemie gehortet wurde. Für eine andere Miniatur hat sie den Stein einer Mango und dessen Fruchtfasern mit Epoxidharz haltbar gemacht, gelb bemalt und diesen einer blau bemalten Orangenschale gegenübergestellt. Der Bezug zur Ukraine ist offensichtlich.
Gut, dass die Werke von Dora Freiermuth bis zum 1. Dezember im Gemeindezentrum zu sehen sind, denn sie bergen viele Überraschungen. Auf Anfrage macht die Laufenburger Künstlerin Führungen durch die Ausstellung.