Als eine der ersten Frauen in ganz Baden-Württemberg erhielt Barbara Rueb vor 50 Jahren ihren Meistertitel als Raumausstatterin. Im kommenden Frühjahr tritt die dann 78-Jährige ihren wohlverdienten Ruhestand an. Im Gespräch mit dem SÜDKURIER blickt Rueb zurück. Auf ihre Ausbildung als einzige Frau unter 23 Männern, auf die Arbeit in ihrem eigenen Geschäft und einen Beruf, der im Zeitalter von Ikea ums Überleben kämpfen muss.

Als einzige Frau musste Rueb zunächst gegen Klischees kämpfen

„Ich habe denen gezeigt, dass ich was drauf habe“, sagt Barbara Rueb, als sie über ihre Zeit an der Meisterschule in Stuttgart erzählt. Als einzige Frau des Jahrgangs und eine der ersten Frauen überhaupt machte Rueb im Jahr 1974 ihren Meister als Raumausstatterin. Unter den 23 Männern sowie den Ausbildern herrschten zunächst Vorurteile gegen die damals 27-Jährige. „Die haben gedacht, ich komme nur um einen Mann zu finden, aber sie haben gemerkt, dass ich einiges kann“, so Rueb.

Ihren Meistertitel machte Barbara Rueb 1974 in Stuttgart. In ihrer Klasse war sie die einzige Frau unter 23 Männern.
Ihren Meistertitel machte Barbara Rueb 1974 in Stuttgart. In ihrer Klasse war sie die einzige Frau unter 23 Männern. | Bild: Julius Berchtold

Der Rektor habe sie zunächst gar nicht aufnehmen wollen, erzählt Rueb, doch hinterher seien alle froh gewesen, dass sie da war. „Durch Sie wurden die Burschen anständiger“, habe ein Ausbilder nach dem erfolgreichen Abschluss zu ihr gesagt. Noch heute hat Rueb Kontakt zu ihren damaligen Kollegen. Nächste Woche fährt sie mit ihrem Mann zum jährlichen Klassentreffen nach Mittenwald in Bayern.

Barbara Rueb steht in einer langen Familientradition

Vor ihrem Meistertitel war Rueb auf die Bezirksschule in der Schwesterstadt auf der anderen Seite des Rheines gegangen. Anschließend absolvierte sie eine Ausbildung als Tapezierdekorateur und arbeitete dann nach ihrem Meistertitel im Geschäft ihres Vaters, das sie nach dessen Tod 1980 übernahm und in zwei Schritten umbaute. Schon ihr Großvater hatte als Sattler und Tapezierer gearbeitet.

„Eigentlich war es für meinen Vater von Anfang an klar, dass auch ich diesen Beruf ausüben würde“, erzählt Rueb. „Und ich war zufrieden damit. Es hat mir immer Spaß gemacht.“ Auch heute brennt Rueb für ihren Beruf. Sie erzählt freudestrahlend von kniffligen Aufträgen und Einsätze an besonderen Orten, von venezianischen Sofas und modernen Sesseln. Begeistert berichtet sie von ihrem Auftrag im Schloss Bürgeln, wo sie in liebevoller Handarbeit die Wandbespannung erneuerte und individuelle Vorhänge anfertigte.

„Heutzutage sind fast alle Wohnungen gleich“

Die Wertschätzung für die Historie und die Verbindung von Tradition mit neuen Anforderungen sind entscheidend für Ruebs Arbeit als Raumausstatterin. Nähen, Polstern, Wände verspannen – all das gehört bis heute zu ihren täglichen Aufgaben. „Die Kunden richtig beraten und individuell schauen, welche Stoffe und Muster passen. Das macht mir am meisten Spaß“, erklärt sie. Dabei musste die Meisterin, die auch 13 Jahre lang an der Gewerbeschule Waldshut unterrichtete, häufig clevere Lösungen finden, um den finanziellen Rahmen nicht zu sprengen.

In ihrem Geschäft verkauft Rueb Stühle, die sie selbst gepolstert hat. Im Vordergrund zu sehen ist ein Stuhl, der mit besonderem ...
In ihrem Geschäft verkauft Rueb Stühle, die sie selbst gepolstert hat. Im Vordergrund zu sehen ist ein Stuhl, der mit besonderem Rosshaarstoff mit Metallfäden überzogen ist. | Bild: Julius Berchtold

Eine besondere Leidenschaft hat Rueb für schöne, bunte Stoffe aus verschiedenen Ländern und Zeiten. „Daran habe ich viel Freude“, so die 77-Jährige, die stolz ist auf ihre vielfältigen Polster-, Möbel- und Gardinenstoffe und ihre große Sammlung an Musterbüchern. Dass heutzutage die meisten Wohnungen ohne bunte Vorhänge und Tapeten auskommen und sich stattdessen in einem schlichten schwarz-weiß mit Ikea-Möbeln zeigen, empfindet Rueb als großen Verlust. „Heutzutage sind fast alle Wohnungen gleich. Da geht die ganze Atmosphäre verloren und das ist auch nicht gemütlich“, findet sie.

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Trotz dieser Entwicklung ist die Raumausstatterin überzeugt, dass es ihren Beruf weiter geben wird. Allerdings stellt auch sie fest, dass es immer weniger werden, die dieses Handwerk erlernen. „Immerhin“, so Rueb, „sind es heute viel mehr Frauen als früher.“

Die Raumausstatterin tritt im Frühjahr ihren Ruhestand an

Für ihr eigenes Geschäft in der Laufenburger Innenstadt hat Rueb keinen Nachfolger gefunden. Beide ihre Töchter haben sich beruflich anders orientiert und einen externen Interessenten gebe es nicht. „Für so ein kleines Geschäft in der Altstadt finden sie niemanden. Das Geschäft wird schließen müssen“, erklärt sie. Aus Teilen des Gebäudes soll eine Ferienwohnung entstehen. Doch eine kleine Werkstatt soll erhalten bleiben, denn ohne nähen und polstern geht es dann doch nicht: „Auch wenn ich im Frühjahr den Ruhestand antrete, bleibe ich meinem Beruf treu.“

„Ein Leben ohne Werkstatt kann ich mir einfach nicht vorstellen“, erklärt Rueb. „Ich habe immer für den Beruf gelebt und ich habe immer noch Ideen.“ Zunächst sollen die eigenen Möbel frisch aufgepolstert werden. Einige Schätze von ihrem Dachboden möchte sie außerdem an Museen vermitteln.