Freiburg/Oberes Wiesental – „Jesses Maria“, entfährt es einem Teilnehmer der Ortsbegehung beim Anblick des gigantischen blauen Krans, der horizontal in einer Schneise über 100 Meter lang hingestreckt mitten im Wald unterhalb des Schauinslands liegt. Auch Todtnaus Bürgermeister Oliver Fiedel, der diesen Termin organisiert hatte, ist sichtlich beeindruckt: „Das kann man sich gar nicht vorstellen.“ Deshalb sind die Beteiligten mit einem großen Umweg aufgrund von Sperrungen und Umleitungen überhaupt angereist: Sie können sich die Dimensionen des geplanten Eingriffs an der Lailehöhe und die Folgen durch riesige Windräder auf die Anwohner vor allem im Aftersteg nicht vorstellen.
„Willkommen auf dem Taubenkopf“, empfängt der Geschäftsführer von Ökostrom Freiburg, Lukas Schuwald, die Wiesentäler mitten in einem heftigen Regenguss auf der Baustelle. Er skizziert die lange Vorlaufzeit von zehn Jahren: Planung, Corona, Krieg in der Ukraine. Aber jetzt steht ein Windrad am Taubenkopf, am anderen fehlen noch die Flügel. Trotz widriger Umstände sollen die beiden Anlagen am Jahresende am Netz sein. Eine ist 229 Meter hoch. Die andere ist mit 246 Metern eine der größten in Deutschland. Die an der Lailehöhe soll mit 261 Metern sogar noch höher ausfallen. Eine Anlage bringt zehn Millionen Kilowattstunden im Jahr und kann 3000 Haushalte mit Strom versorgen. Für den Investor interessant: Der Preis der Enercon-Anlage beträgt 17 Millionen Euro. Aber sie bringt 2 Millionen Euro Ertrag jährlich etwa 20 bis 25 Jahre lang.
Für die Anlieger im Oberen Wiesental ist vor allem interessant: Wie groß sind die Eingriffe in die Landschaft und die zu erwartenden Nebenwirkungen? Sie sehen einen Stellplatz, der kleiner ist als erwartet. Viel kleiner als in Gersbach. Gleichwohl reichte der Baggermeißel nicht, um aus einem Gebirgshang eine plane Fläche zu schaffen; es musste gesprengt werden, wie Schuwald berichtet. Es wurde Schotter dorthin gekarrt, wo einst Waldboden war. Und es wurden Bäume gefällt. Schuwald sagt, es musste ein Prozent des jährlichen Einschlags von Freiburg für die Windräder am Taubenkopf gefällt werden. Das klingt nach wenig. Bürgermeister Fiedel, gelernter Forstexperte, denkt aber, dass auch die angrenzenden Bäume nun geschwächt seien und durch Sonnenbrand oder Windwurf leiden. Intakter Waldboden sei durch Verdichtung zerstört.
Der Ökostrom-Chef erklärt, dass Baden-Württemberg nur die Hälfte des verbrauchten Stroms selbst erzeuge. Schuwald überzeugt durch Offenheit: Natürlich hinterlasse die Windkraft im Schwarzwald einen deutlichen ökologischen Fußabdruck. Es sei eine „massive Materialschlacht“, wenn 3000¦Tonnen Beton, Stahl und Kunststoff mitten in den Wald gebracht werden. „Im Schwarzwald ist es kompliziert zu bauen“, sagt er. „Die Topographie, der Netzanschluss – und die Leute.“ Da hat Schuwald die Lacher auf seiner Seite.
Es geht um den Schattenwurf, den es am Taubenkopf nicht gibt, aber an der Lailehöhe. Das ist geregelt. Nur acht Stunden Schattenwurf seien den Anliegern im Jahr per Gesetz zumutbar. Das werde gemessen. Dann geht‘s ums Thema Fledermäuse. Wenn sie fliegen, werden moderne Windräder abgeschaltet. Vögel seien kein Problem.
Das Dilemma für die Entscheider: Es gibt Studien, die das eine beweisen genauso wie das Gegenteil, bedauert Fiedel. Er habe den Auftrag, zum Wohl der Bürger zu entscheiden, was noch höher rangiere als die zu erwartenden Einnahmen für die Gemeinde. Für Schuwald ist auch der angebliche Abrieb von Kunststoffen auf den Rotorblättern kein Problem. Es gebe nur ein paar Dellen durch Hagel oder Blitzschlag, die alle zehn Jahre ausgebessert würden. Ein Teilnehmer sorgt sich um die Begehbarkeit der Loipen, wenn möglicherweise Eisbruch vom Windrad drohe. Keine Sorge, beruhigt der Investor: Die neuen Rotorblätter seien beheizt.
Ein wichtiger Punkt für die Ortsbegeher am Taubenkopf ist die Frage der Wegbreite für den Transport. Badenova, die an der Lailehöhe bauen will, hatte auf 4,50 Meter beharrt. Vor Ort am Taubenkopf misst Bürgermeister Michael Fischer nach: Es sind gut sechs Meter. Plus Böschung. In einer Kurve auch 25¦Meter. In einer Kehre 45 Meter. Und die Schneisen müssen für eine spätere Revision bleiben, wie Schuwald bestätigt. Das Wasser ist für den Ökostrom-Chef auch kein Problem. Es sickere auch weiterhin durch die Schotterschicht. Aber ob es sich dann vielleicht einen anderen Weg sucht, weiß auch er nicht. Am Ende bleiben am Taubenkopf trotz neuer Erkenntnisse einige Fragezeichen.