Horatio Gollin

In der Serie „Meine Werkstatt“ schauen wir Handwerkern und Kreativen über die Schultern, wenn die zu ihrem Werkzeug greifen. In der kleinen Werkstatt von Tuncay Sati, der im Gewerbegebiet Schildgasse einen Schuh- und Schlüsselservice betreibt, braucht es vor allem Schleifgeräte und Fräsen, um Schuhe zu reparieren und Schlüssel nachzumachen.

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Arbeit an einem neuen Absatz

Mit dem Schleifgerät zieht Tuncay Sati vorsichtig das überstehende Material des neuen Absatzes am Schuh ab. Zuvor hatte er den alten Absatz entfernt, die Stelle abgefräst und einen neuen Absatz fest geklebt. Nach 20 Minuten in der Presse bei dis zu sechs Bar Druck hält der Kleber bombenfest. Sechs Bar werden bei Holzsohlen eingesetzt. „Bei Synthetik kann sich das Material dehnen, es dürfen dann nicht mehr als zwei Bar sein, sonst könnte es platzen. Das schwillt an wie ein Luftballon“, erklärt Sati.

Das ist noch echtes Schuhmacher-Handwerk. Tuncay Sati schleift eine frisch geklebte Sohle ab und macht sie passend, bis der Schuh wieder ...
Das ist noch echtes Schuhmacher-Handwerk. Tuncay Sati schleift eine frisch geklebte Sohle ab und macht sie passend, bis der Schuh wieder wie neu ist. | Bild: Horatio Gollin

Er wiederholt den Schleifvorgang

Er wiederholt den Schleifvorgang, bis der neue Absatz passt. Der nächste Arbeitsschritt findet nur einen Schritt entfernt statt: Maschinell wird der neue Absatz in der passenden Farbe der restlichen Sohle eingefärbt. Absätze und Sohlen gehören zu den häufigsten Problemen, mit denen Kunden zu Sati kommen – und Schlüssel.

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Arbeiter, Geschäftsführer und Inhaber in einem

Den Schuh- und Schlüsselservice „First Class“ beim Kaufland führte Sati schon zu Famila-Zeiten. „Am 2. August war es genau 21 Jahre her, dass ich das Geschäft eröffnet habe“, sagt Sati. „Arbeiter, Geschäftsführer und Inhaber bin ich alles in einem. Das ist praktisch ein Einmannbetrieb.“ Von 9 bis 20 Uhr steht Sati an sechs Tagen in der Woche in seinem nur wenige Quadratmeter großen Laden. Er meint: „Das ist okay. Ich arbeite gerne, und ich mache es ja für mein eigenes Geschäft.“ Erst seit einem Jahr hat er stundenweise eine Aushilfe eingestellt.

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Er ist gelernter Stuckateur

Der 54-jährige Sati hat eigentlich den Beruf des Stuckateurs erlernt, aber anschließend hat ihm die Branche nicht zugesagt. Wegen der unregelmäßigen Feierabende, wie er erzählt. „An manchen Tagen haben wir bis nachts zehn, elf Uhr gearbeitet, daheim war ich dann erst um Mitternacht. Das war für mich zu viel. Ein No-Go“, erinnert er sich.

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Über einen Freund in die neue Branche

Über einen Freund der Familie ist er in die Schuh- und Schlüsselservicebranche gekommen – vor 21 Jahren. „Jetzt bin ich in der 21. Etage. Mal sehen, wie weit es noch hoch geht“, scherzt Sati, der in Sigmaringen aufgewachsen und über Tuttlingen und Bamberg nach Rheinfelden gekommen ist. „Hier in Rheinfelden bin ich sesshaft geworden. Ich habe keine Lust mehr umzuziehen.“ Sati wohnt in Nollingen. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Drei Maschinen für den Schlüsselservice

Für den Schlüsselservice braucht er drei Maschinen. Mit der Schlüsselfräse, der Bohrmuldenfräse und der Schubschlüsselfräse kann er jeden Schlüsseltyp vom Briefkastenschlüssel bis zum Zimmerschlüssel kopieren. Je nach Typ werden kleine Mulden in den Schlüssel gebohrt oder die Markierungen in den Bart gefräst. „Handwerklich ist es nicht schwierig“, sagt Sati. Anhand des Originalschlüssels sucht er in einem Katalog den passenden Rohling aus.

50 gängige Modelle auf Vorrat

Die 50 gängigsten Modelle hat er vorrätig, andere kann er bestellen. Schlüssel und Rohling werden in die entsprechende Maschine eingespannt. „Es gibt ein paar Punkte auf die man achten muss, aber wenn man sich daran hält, sollte nichts passieren.“ Auf der einen Seite wird das Original abgetastet, während die Fräse die Markierungen in den Rohling arbeitet.

Es passt nicht immer alles sofort

„Es ist nicht so, dass gleich alles passt“, sagt Sati. Für eine Kundin musste er einen Schlüssel mehrfach nachmachen. „Irgendwann habe ich gesagt: Ich kann es noch 20 Mal versuchen und es wird nichts, bestellen Sie bitte ein neues Schloss.“ Er ist sich aber sicher, dass in 90 Prozent der Fälle die erste Kopie passt. Nur bei abgenutzten, abgebrochenen oder verbogenen Schlüsseln gibt er keine Gewährleistung. Im Zweifelsfall sucht er mit dem Kunden nach einer anderen Lösung, eben ein neues Türschloss.

Manchmal Schuhe, manchmal Schlüssel

„Manchmal kommen nur Schuhe, manchmal nur Schlüssel“, erzählt er achselzuckend. Es gibt aber noch ein drittes Feld: Mit einer Graviermaschine erstellt Sati auch Klingel- und Türschilder. „Mich würde es freuen, wenn das Handwerk allgemein wieder mehr geschätzt würde. Das geht leider immer mehr verloren“, sagt er. Da freut es ihn natürlich besonders, dass eine Kundin ihm immer wieder selbstgemachte Marmelade vorbei bringt.