Rickenbach Die doppelte Premiere beim Jahreskonzert des Musikvereins Rickenbach am Sonntag, 27. April, in der Gemeindehalle Willaringen war ein voller Erfolg und nichts weniger als die Antwort auf die Frage, warum Blasmusik und der MV Rickenbach auch im 165. Jahr seines Bestehens noch Menschen begeistert. Es war das erste Konzert mit dem neuen Dirigenten Jean-Christophe Naas und erstmals spielten die Musikerinnen und Musiker an einem späten Sonntagnachmittag. Trotz zweier Zugaben war das Konzert, welches mit wohl kuratierter musikalischer Vielfalt aufwartete, für die Zuhörer viel zu schnell vorbei.

Michael Jackson und Blasmusik? Für die einen unvorstellbar, für die anderen womöglich skurril – definitiv aber eine Grenzüberschreitung. Aber hier im besten Sinne. Sicher war es am Sonntagabend nicht das erste Mal, dass „Thriller“ – ein Welthit aus den 1990er-Jahren – seinen Weg in die Blasmusik fand. Die eindrückliche Melodie, der Beat, sie klangen vertraut anders, wohltuend und rissen selbst die Älteren im Publikum mit. David Westermann, der, wenn er nicht an der Tuba spielte, durch das Programm führte, hatte sogleich die passende Überleitung: In seinem Musikvideo entführt der King of Pop sein Date auf einen Friedhof; für den MV Rickenbach war das Stück ein Friedhof: „Sechs Kreuze – er spielte auf die Noten des Arrangements an – sind auch für uns eine Herausforderung“, erklärte er.

Deutlich konventioneller, aber deswegen nicht weniger anspruchsvoll, war die „Harmonie der Blasmusik“ aus der Feder von Christoph Walter. Der musikalische Leiter der Basel Tattoo vereint darin Anleihen taktvoller Märsche, warmer Harmonien und filigraner Flötenklänge. Als Eröffnungsstück nach der Pause war es eine Art musikalische Zusammenfassung der ersten Hälfte, die Naas mit zwei Märschen umrahmte.

In „Celtic Flutes“ brillierten Heike Rössler und Emma Schmidt als Solistinnen an den Querflöten. Sie verliehen dem irischen Stück, welches melodisch in einzelnen Passagen auf die wechselvolle, ja oft leidvolle Geschichte der grünen Insel einging, seine leichtfüßige Charakteristik. Tiefe, mitunter bedrohliche Passagen kündeten von Sturm und Gefahr, die wärmeren und ruhigeren ließen die Melancholie hinter sich, blickten nach vorne.

Der Kampf gegen Windmühlen sollte am Sonntagabend auf dem Hotzenwald musikalisch bleiben. Die Melodien zu Don Quixote, der wohl wichtigsten Figur der spanischen Weltliteratur, changierten mal in taktvollem Stakkato, mal ausufernd ruhig zwischen Abenteuer, Illusion und Wirklichkeit.

Natürlich war auch dieses Jahreskonzert wieder vielfältig und eine musikalische Reise. In seiner Ausgewogenheit zwischen klassischen Märschen, modernen Arrangements und dem behutsamen Übertritt der Genregrenzen war es aber mehr als das: Die Musikerinnen und Musiker gaben – nicht zuletzt auch dank der Auswahl des Dirigenten – die Antwort, warum Blasmusik über Jahrhunderte hinweg attraktiv ist und Menschen – auch junge – begeistert. Blasmusik integriert und verbindet, sie schafft Zusammenhalt, bewahrt und lebt Kultur, indem sie sie sanft fortentwickelt.

Mehr Informationen über den Musikverein 1860 Rickenbach, zur musikalischen Ausbildung und zu den anstehenden Terminen sind im Internet zu finden unter http://www.mv-rickenbach.de.