Fast zwei Wochen ist es her, da wurden wegen der Coronavirus-Pandemie in Baden-Württemberg Schulen geschlossen. Was zuvor hierzulande aufgrund der herrschenden Schulpflicht verboten war, bestimmt nun den Alltag vieler Familien: das sogenannte Homeschooling. Doch das Lernen in häuslichem Umfeld stellt Eltern und Kinder vor Herausforderungen. Wir haben uns im Wiesental umgehört.

Die Familiensicht
Uwe und Sandra Kunz haben drei Kinder: Lena geht in die 3. Klasse der Grundschule in Hausen, Sebastian in die 7. Klasse der Realschule in Zell. Lukas besucht die Gewerbeschule in Lörrach. Der Vater arbeitet ganztags, und so unterstützt zumeist die Mutter die häuslichen Unterrichte der Kinder. Sie arbeitet auf 450-Euro-Basis. Nach den Schulschließungen sei der Übergang zum Homeschooling nahtlos verlaufen, berichtet die Mutter. Dies sei von den Schulen gut organisiert worden. Den Lernablauf ihrer Tochter beschreibt Sandra Kurz so: „Per Mail bekommen wir von der Grundschule einen Wochenplan zugesandt, so dass Lena immer genau weiß, was sie machen soll. Täglich von 10 bis 11 Uhr besteht die Möglichkeit, per Videokonferenz mit der Lehrerin zu kommunizieren. Bei diesem Chat kann Lena Fragen stellen und zeigen, was sie daheim gemacht hat. Das funktioniert ganz gut.“ Von der Schule gebe es viel Unterstützung und Anleitung, lobt Sandra Kunz. Der regelmäßige Kontakt zur Lehrerin sei eine große Hilfe.
Bei der Realschule läuft die Aufgabenverteilung über die Lernplattform Moodle, erklärt Sebastian. Hier loggt er sich täglich ein und erfährt, was er zu machen hat. Eine Woche später erscheinen die Lösungen. Die Kommunikation mit den Lehrern erfolgt, anders als bei der Grundschule, telefonisch, per Mail oder per WhatsApp. Vereinzelt abverlangte Aufgabenlösungen können nur per E-Mail an die Lehrer übertragen werden. Sebastian vermisst die persönliche Vermittlung des Lernstoffes. Doch Not macht erfinderisch: Per Videoanrufe helfen Sebastian und sein Freund sich täglich gegenseitig bei den schulischen Aufgaben. „Das Lernpensum ist schon ordentlich“, sagt Sandra Kunz. „Ich finde es gut, dass sich Sebastian mit seinem Freund austauscht. Das hat er sich selbst ausgedacht.“ Lukas arbeitet weitgehend selbstständig, zumal die Eltern ihm beim Lehrstoff der Gewerbeschule fachlich ohnehin kaum behilflich sein können.
Dank der freien Zeiteinteilung hat das Homeschooling für die Kinder auch etwas Gutes: Sie müssen am Morgen nicht zeitig aus dem Bett und können abends länger aufbleiben. „Eigentlich sind die Kinder schon im Ferienmodus“, meint die Mutter. Doch etwas fehlt Lena und Sebastian: Sie vermissen den direkten Kontakt zu ihren Schulkameraden. Videochats können ein persönliches Miteinander nicht ersetzen. Sebastian sagt: „Ich finde es cool, zu Hause zu sein, aber manchmal ist es auch langweilig so allein.“ Zumindest Sandra hat durch eine Aktion der Grundschule im Rahmen des Homeschoolings eine gänzlich undigitale Leidenschaft für sich entdeckt: das Briefeschreiben.
Die Lehrersicht
Die Montfort-Realschule in Zell (MORZ) war technisch gut gerüstet für den Unterrichtsausfall in der Corona-Krise: Seit über zehn Jahren steht dort Schülern und Lehrern eine Internetplattform zur Verfügung. „Lehrer können dort Lernmaterial, interaktive Medien und Tests für die Schüler anbieten“, berichtet Jesko Anschütz, der an der MORZ die Technik betreut. Bislang habe das System namens Moodle keine allzu große Rolle gespielt, doch das sei jetzt anders. Am Anfang gab es kurz Probleme, weil der Landesserver überlastet gewesen sei. „Jetzt läuft es wie geschmiert“, so Anschütz. Die Schüler ziehen mit, manche mit Verzögerung, nicht weniger als 200 Kinder hatten ihre Passwörter vergessen. „Wir hatten das auf dem Schirm, dass einige am Anfang nichts tun“, so Anschütz. Wer in Moodle keine Rückmeldung gab, wurde von den Klassenlehrern kontaktiert. Das Lernen am heimischen Computer könne zwar die Beziehungsarbeit zwischen Lehrern und Schülern nicht leisten. Aber es gebe auch Vorteile: Die Schüler können in ihrem ganz eigenen Tempo arbeiten und sich bei Fragen zu selbst bestimmten Zeiten beim Lehrer melden. „Das nimmt vielen Kindern Druck“, hat Jesko Anschütz beobachtet.
Zoulfia Schreiber ist Deutsch- und Englischlehrerin am Gymnasium Schönau und hat schon viele Rückmeldungen zu ihren Aufgaben erhalten, die sie via Internet den Schülern zusendet. In der Oberstufe klappe das gut, da die Schüler selbstständiges Lernen und die Vorbereitung aufs Abitur gewohnt seien. Bei ihren Fünftklässlern sei das Bild unterschiedlich. Vor allem bei leistungsschwächeren Schülern ist sie sich nicht sicher, ob alle mit den Aufgaben fertig werden. Sie vermisst den direkten Kontakt. Und: „Es ist eine Riesenherausforderung für die Kinder, mit dem ungeregelten Tagesablauf fertig zu werden“, sagt Zoulfia Schreiber. Freilich werde niemand alleine gelassen, manche Schüler (oder ihre Eltern) will die Lehrerin anrufen, um mit ihnen die Aufgaben zu besprechen, wenn der Rücklauf per Mail dazu Anlass gibt. Sie selbst ist auch zu Hause erreichbar. Und nach der Corona-Krise? „Da wird man einiges im Klassenzimmer wiederholen müssen.“
Die Buchenbrandgrundschule in Schönau setzt ebenfalls auf Fernunterricht. „Ich bin ganz glücklich, wie toll das die Schüler hinbekommen und wie die Eltern sie dabei unterstützen“, sagt Lehrerin Stefanie Anschütz. Die Grundschüler senden die fertigen Aufgaben zur Kontrolle an die Lehrerin, zum Beispiel per Mail. Auch Lösungen zur Selbstkontrolle werden im Internet zur Verfügung gestellt. „Wir können gezielt jedem einzelnen Rückmeldung geben“, sagt die Schönauerin. Auch Kinder, die noch nicht lange in Deutschland leben und Sprachprobleme haben, gehen nicht leer aus: Sobald sie mit den Aufgaben Probleme haben, können sie in speziellen Heften mit anderen Übungen weiterarbeiten. Schulleiterin Susanne Spiegelhalder-Rinderle hat, wie sie sagt, „großen Respekt vor dem Engagement der Kolleginnen und der Eltern“. Ihr Eindruck: „Es läuft richtig gut beim Homeschooling. Alle sind wir sehr beeindruckt von dem Eifer der allermeisten Kinder und Eltern.“ Manche Eltern würden Fotos und kleine Filme von den arbeitenden Kindern schicken. „Man muss auch sehen, dass die Kolleginnen wirklich täglich beschäftigt sind und keine Ferien haben“, stellt die Schulleiterin klar. „Sie erstellen Erklärvideos für die Kinder, korrigieren Aufgaben und schicken nicht nur Mails rum, sondern telefonieren, wann immer nötig, mit den Eltern und auch mit den Kindern.“ So bleibe auch die Lehrerin-Kind-Beziehung stabil. Die Kolleginnen stünden auch weiterhin in engem Kontakt mit den Schönauer Caritas-Mitarbeiterinnen, „denn auch die erkundigen sich regelmäßig, ob die Kinder der Asylbewerberfamilien ihre Aufgaben machen, und geben Hilfestellung“.
Am Theodor-Heuss-Gymnasium in Schopfheim werden zur Zeit Erfahrungen mit dem Online-Unterricht gesammelt. Auch das THG hat eine Internet-Plattform eingerichtet, auf der Lehrmaterialien und Aufgaben zwischen Schülern und Lehrern ausgetauscht werden. „Das wird bei uns in den verschiedenen Klassenstufen unterschiedlich gehandhabt“, erklärt Schulleiterin Claudia Tatsch. Bislang könne man noch keine Zwischenbilanz ziehen, große Kritik von Eltern-, Lehrer- oder Schülerseite gebe es aber noch nicht, was zuversichtlich stimme. Was die Lehrertätigkeit angeht, sieht Tatsch sich gut ausgelastet. „Von meiner Unterrichtstätigkeit her kann ich sagen, dass ich fast mehr mit Auswertung und Rückmeldung beschäftigt bin, als wenn der Unterricht normal laufen würde.“