Dirk Sattelberger

Die Motorradsaison neigt sich für dieses Jahr dem Ende zu und hinterlässt eine verheerende Bilanz: Alleine im Oberen Wiesental gab es bis Oktober drei Tote und 15 Schwerverletzte. Welche Lehren können daraus für die Zukunft gezogen werden? Wir waren auf Spurensuche.

  • Der erste Tote am Notschrei: Der 25. April war ein guter Tag für eine Spritztour in den Schwarzwald. Doch der Ausflug endete für einen 27-Jährigen in einer Katastrophe: Auf der Fahrt vom Notschrei auf der L 126 in Richtung Todtnau stürzte er plötzlich in einer Kurve, rutschte in eine Leitplanke und verlor ein Bein. Er starb kurz darauf im Krankenhaus. Noch heute kommen Menschen, die ihm nahe standen, an die Unfallstelle. Der Mann aus dem Kreis Waldshut war der erste Motorradfahrer im Kreis Lörrach, der dieses Jahr tödlich verunglückte.
  • Die Todesserie reißt nicht ab: Nur wenige Tage später, am 9. Juni, verlor ein weiterer junger Mann sein Leben ganz in der Nähe. Der 20-Jährige aus Bayern geriet bei der Rückkehr aus Todt­nauberg in den Gegenverkehr auf einer schmalen Straße. Er starb auf der Kreisstraße 6307. Auf dieser Straße fuhr dann im September eine 19-Jährige in den Straßengraben, kollidierte mit Felsen und kam mit dem Helikopter schwerverletzt ins Krankenhaus. Am Donnerstagabend, 24. Oktober – die Freiluftsaison war schon fast zu Ende –, kam ein 58-jähriger Motorradfahrer bei Todtnau-Geschwend in einer Kurve in den Gegenverkehr und fuhr frontal in ein entgegenkommendes Auto. Als der Rettungshubschrauber landete, war er nicht mehr zu retten; das dritte Todesopfer im Bereich Todtnau. Das sind ungewöhnlich viele Opfer auf den Straßen des Oberen Wiesentals zwischen Zell, Häg, Wembach und Todtnau. Von Januar bis September des Vorjahres gab es „nur“ zwölf Leicht- und 15 Schwerverletzte, aber keine Todesopfer. Dieses Jahr dann 15 Schwerverletzte, 16 mit leichten Verletzungen und drei tote Männer.
  • Wieso sind so viele gestorben? Die Polizei schaut sich jeden Unfall ganz genau an. Jedes Mal seien die Umstände verschieden, erklärt Verkehrspolizeichef Uwe Oldenburg im Polizeipräsidium Freiburg. Das einzige, was die Unfälle verbinde, sei die Tatsache, dass Menschen Fehler machen, die dann zu dem Unglück führen. In vielen Fällen seien die verunglückten Motorradfahrer einfach zu schnell gefahren, so Oldenburg. Nicht unbedingt zu schnell im Sinne eines Tempolimits, sondern zu schnell für eine bestimmte Kurve. Wer dann zu heftig oder zu spät bremst, kommt zu Fall. Die anschließenden Kollisionen mit Autos oder Leitplanken enden tödlich, wenn mehrere Organe oder der Kopf schwer verletzt oder Gliedmaßen abgetrennt werden, berichtet Oldenburg (siehe nebenstehender Text). „Jeder Verkehrspolizist versucht zu ergründen, warum Unfälle passieren.“ Er zählt auf: Zu hohe Geschwindigkeit, zu geringe Konzentration, zu lange aus der Übung, Überschätzung der eigenen Kräfte, Flüssigkeitsverlust, Fehler anderer Fahrer, Gegenstände auf der Fahrbahn... Die Unfallhäufung am Notschrei und einige Kilometer talabwärts in Geschwend dieses Jahr sind rätselhaft und vermutlich reiner Zufall.
  • Kann die Polizei Unfälle verhindern? Die Antwort darauf fällt ambivalent aus: „Wenn unsere mobilen Messstellen dazu führen, dass Motorradfahrer langsamer fahren, habe ich nichts dagegen“, sagt Oldenburg, der seit 38 Jahren den Polizeiberuf ausübt. Gleichzeitig gebe es keine wissenschaftliche Untersuchung darüber, ob Prävention und Kontrollen Motorradunfälle tatsächlich verhindern. Ein Beispiel: Im vergangenen Jahr war die B 317 Schwerpunkt der mobilen Verkehrsüberwachung im Landkreis Lörrach, berichtet Ronny Plaul, Chef der polizeilichen Verkehrsüberwachung in Lörrach. Es ging um Geschwindigkeit und Lautstärke der Maschinen. Drei bis viermal so häufig seien Motorradfahrer auf dieser Bundesstraße kontrolliert worden. Gab es deswegen weniger Unfälle? Ronny Plaul zuckt mit den Schultern. Nein, dieser Effekt sei so nicht feststellbar. Auf der anderen Seite: Vielleicht konnten die Beamten den einen oder anderen Unfall verhindern, weil sie zu schnelle Fahrer verwarnt und ihnen ins Gewissen geredet haben.
  • Wie geht es weiter? Wenn im kommenden Frühjahr die Temperaturen steigen und die Saisonzulassungen am 1. April oder 1. Mai die erste Ausfahrt ermöglichen, muss wieder mit schweren Unfällen gerechnet werden – das legen die langjährigen Unfallzahlen nahe. Die Zahlen getöteter Biker liegen im Polizeipräsidium Freiburg im Schnitt zwischen acht und 14. Dieses Jahr sind es bislang elf. Von Streckensperrungen hält die Polizei übrigens nicht viel, weil die Motorradfahrer auf andere Strecken ausweichen würden und Personal zur Überwachung fehle. So wird es nach der Winterpause wieder stichprobenartige Kontrollen geben. Und aller Voraussicht nach wieder schwere Unglücke mit Motorradfahrern.