Die Apotheken befinden sich wegen Medikamenten-Engpässen in einer schwierigen Situation, berichten Apotheker, die diese Zeitung befragt hat. Oft können sie Patienten nicht helfen. Mittelfristig sei der Arzneimangel für sie sogar existenzbedrohend, berichten sie.

Welche Medikamente sind schwer zu bekommen?

„Es ist in vielen Bereichen eng“, berichtet Christopher Schlieper, Geschäftsführer der Schwarzwaldapotheke Bonndorf. Gerade die rezeptpflichtigen Arzneimittel seien von dem aktuellen Engpass betroffen. Es würde an Antibiotika mit dem Wirkstoff Doxycyclin fehlen, die bei Atemwegserkrankungen oder Borreliose eingesetzt werden. Auch Insulinspritzen und Inhalatoren für Asthmaerkrankungen seien im Moment schwer zu bekommen. Das bestätigen auch Wolfgang Miltenberger von der Thoma-Apotheke in Bernau sowie Bernhard Straub von der Marien-Apotheke, die ihren Hauptsitz in Ühlingen hat und mit einer Filiale in Grafenhausen vertreten ist. Je mehr Technik in der Applikationshilfe steckt, desto schwieriger sei die Beschaffung von Medikamenten. Auch antibiotische Augentropfen und -salben sowie Blutdruckmittel seien momentan Mangelware in Ühlingen, sagt Straub.

Was sind Gründe für die häufigen Engpässe bei Arzneien?

Die Erfüllung der Rabattverträge von Pharmaherstellern und Krankenkassen ist in den Augen von Bernhard Straub das Grundproblem. Durch die Verträge seien deutsche Hersteller gezwungen, günstigere Wirkstoffe aus dem Ausland zu beziehen. Diese würden meist in Ländern wie China oder Indien hergestellt. „Während der Corona-Pandemie war der Export extrem eingeschränkt oder die Wirkstoffe werden dem europäischen Standard nicht gerecht. Bis dann angepasster Nachschub produziert ist, kann es dauern“, sagt Straub.

Nicht nur Wirkstoffe, auch fertige Arzneimittel würden häufig aus dem Ausland bezogen, da die Medikamente dort günstiger verkauft werden, so Christopher Schlieper.
In Wolfgang Meltenbergers Augen ist das ein Wahnsinn – dadurch würde man osteuropäischen Ländern Medikamente wegnehmen. „Gleichzeitig zahlen die Krankenkassen in Deutschland so wenig, dass unsere Hersteller lieber ins Ausland verkaufen.“ Kosten für Transport und Logistik seien seit der Corona-Pandemie ebenfalls extrem gestiegen, zeigt Wolfgang Meltenberger auf.

Haben Apotheken Vorteile, die einer ganzen Kette angehören?

Bei einem höheren Einkaufsvolumen sind die Konditionen besser, sagt Christopher Schlieper. Je mehr man abnehme, desto höher sei der Stellenwert beim Händler. Deshalb könnten Ketten rare Medikamente oft leichter beschaffen als Einzelbetriebe. Dagegen hat Bernhard Straub in Ühlingen-Birkendorf und Grafenhausen andere Erfahrungen gemacht: „Im Großen und Ganzen haben wir keine Benachteiligung beim Großhandel. Die liefern aus, was sie kriegen.“

Kann eine Apotheke Medikamente innerhalb eines Tages besorgen?

Just-in-time Bestellungen seien so gut wie gar nicht mehr möglich, urteilt Christopher Schlieper. Die meisten Medikamente müssten Apotheken vorbestellen und zur Seite legen, um eine Grundversorgung zu gewährleisten. Das aber würde Eigenkapital voraussetzen, das viele Apotheken gar nicht haben.
„Auf Dauer können wir unsere Gesellschaft so nicht mit Medikamenten versorgen“, ahnt Wolfgang Meltenberger. „Solange sich an der politischen Einstellung zur Finanzierung der Gesundheitsversorgung in Deutschland nichts ändert, rechne ich mit noch weiteren Engpässen und Filialschließungen“, sagt auch Christopher Schlieper.

Was kann ein Verbraucher tun, wenn er eine rare Medizin braucht?

Sich als Privatperson zu bevorraten ist in Christopher Schliepers Augen keine Lösung – das würde die Situation insgesamt nur verschlimmern. Besser sei es, rechtzeitig mit dem Hausarzt über mögliche Ausweichmedikamente zu sprechen und Rezepte bei der Apotheke des Vertrauens schon zwei bis vier Wochen im Voraus abzugeben. „In diesem Zeitraum kann man als Apotheke viel organisieren.“

Bernhard Straub empfiehlt außerdem: „Rumtelefonieren und fragen, ob eine andere Apotheke das Medikament vorrätig hat.“ Er würde oft Anrufe von Patienten aus Albbruck und aus noch größerer Entfernung bekommen, die für einen Kinderantibiotikasaft weite Strecken auf sich nehmen. Auch Wolfgang Meltenberger verweist Patienten oft auf andere Apotheken, wenn er selbst ein benötigtes Medikament nicht vorrätig hat. Doch auf die Dauer könnte das für ihn langfristig die Schließung seiner Filiale bedeuten. Ergänzungssortimente wie Kosmetika führt er nicht – das sei nicht im Budget. Deshalb sei seine Apotheke abhängig von verschreibungspflichtiger Arznei, die aktuell wieder Mangelware ist.