Der Erweiterungsbau des Kindergartens in St. Blasien strebt seinem Ziel entgegen. Er gründet auf einem 130 Jahre alten ideellen Fundament. Den Fabrikanten Ernst Friedrich Krafft (1823 bis 1898), der in den ehemaligen Klostergebäuden eine Baumwollspinnerei betrieb, beschäftigte in seinen letzten Lebensjahren das vermehrte Bemühen um die Betreuung und Erziehung der örtlichen Kinder, deren Eltern überwiegend Spinnereibeschäftigte waren.
Die Stiftung
Sein Einsatz könnte als vordergründiger Gunsterwerb bei der Bevölkerung gedeutet werden, genauso aber als echter menschlicher Dienst des überzeugten Christen. Die Anregungen, Gespräche und Verhandlungen zogen sich vom Frühjahr bis in den Frühherbst 1891 hin. Mit 3000 Mark Einlage schuf der Unternehmer am 11. März 1891 die von ihm gewünschte Kleinkinderschulstiftung, die als unübersehbare Herausforderung wirkte.
Die katholische Pfarrei (die evangelische wird erst später gegründet werden) und die politische Gemeinde waren angesprochen. Die vielen Debatten, Einwände und finanzielle Sorgen werden in diesen Zeilen übersprungen: Zum 1. September 1891 erschien die Nothelferin in Gestalt und Form einer Schwesternstation der Franziskanerinnen vom Göttlichen Herzen Jesu aus Gengenbach – im Volksmund der Einfachheit halber naheliegend als Gengenbacher Schwestern bezeichnet.
Die Einrichtung
Die erste Aufgabe wurde die Einrichtung eines Kindergartens, für den der Spinnereibesitzer Krafft – nach dem mangelnden Vermögen der kirchlichen und politischen Gemeinde – in seinen Spinnereiräumen, das heißt, im westlichen Flügel neben dem Dom (heute unter anderem Kollegsküche), Platz für die Schwestern und die Kinderschüler zur Verfügung stellte.
Die Erziehung
Gut vier Jahrzehnte wird hier verdienstvolle Arbeit geleistet, die nicht mit den pädagogischen Ansprüchen und Erkenntnissen ein Jahrhundert später gemessen werden darf, sondern vor dem Hintergrund des sozialen Fortschritts am Ende des 19. Jahrhunderts. Auf Fotos auf der Treppe zum heutigen Kücheneingang sind viele damaligen St. Blasier Kindergartenkinder festgehalten und somit auch verewigt.
Das Foto
Das undatierte Foto aus einem Archiv enthält keine Namensangaben. Die ältere Ordenstracht der Schwestern und die Position auf den Domstufen legt die Vermutung nahe, dass die Aufnahme aus der Zeit stammen könnte, als die Kindergartenräume gerade ein paar Schritte nebenan in der jetzigen Kollegsküche waren. Vielleicht erkennt irgendjemand noch jemanden, damit das historische Foto somit zeitlich einzuordnen wäre.
Das Ende
Mit der Übernahme der Spinnerei- und vormaligen Klosteranlage durch die Gesellschaft Jesu, also die Jesuiten, in den Jahren 1933/34 war verständlicherweise das Ende des Kindergartens in diesen Räumen besiegelt. Das bevorstehende Gymnasium mit Internat war auf jeden Raum angewiesen.
Mit der stattlichen Zahl von 13 Schwestern (die übrigens seit dem Frühsommer 1892 auch die Krankenpflege übernommen hatten) zog die Station der „Gengenbacher“ Ende August 1934 in das Gebäude der jetzigen Sozialstation. Der angrenzende Garten (etwas größer wegen des noch nicht vorhandenen Theophil-Lamy-Hauses) sah manches frohe Fest und hörte viele helle Kinderstimmen.
Der „Quantensprung“ mit der neuen Kinderschule im Theophil-Lamy-Haus seit Anfang Juli 1975, das schmerzliche Ende der Schwesternstation im September 1991 (also genau zum 100-Jährigen) und der kommende Ergänzungsbau bilden den Dreiklang einer nachwirkenden jüngeren Vergangenheit, anspruchsvollen Gegenwart und natürlich Zukunft.