St. Blasien Zuhören, Staunen und sich von Geschichten und Mythen verzaubern lassen hieß es bei dem Abend der Erzählkunst im Haus des Gastes mit dem Titel „Enthüllungen“. Fünf Erzählerinnen aus Deutschland und der Schweiz erzählten.

„Wir geben etwas, das anfangs noch keine Form hat, Konturen und gestalten“, beschrieb Eliane Tobler (Kienberg, Schweiz) die Tätigkeit der Erzählerinnen und zog damit einen Vergleich zu den Bildhauern, die aus einem Baumstamm eine Skulptur schaffen. Dorothea Klaer (Staufen) erzählte die alte, aus der Türkei stammende Geschichte „Der Zedernbaum“. Zwei reiche Händler beanspruchen eine Skulptur aus Zedernholz für sich. In ihr aber erwacht Leben, sie verlässt die Hütte und begibt sich zu einem großen alten Zedernbaum, der sie in sich aufnimmt. Für den Schnitzer bringt dies eine Erkenntnis mit sich: „Zum Ursprung kehrt jedes Ding zurück.“

Der Jäger Hailibu rettete die Tochter eines Drachenkönigs und erhält zum Dank einen Stein, der es ihm ermöglicht, die Sprache der Tiere zu verstehen, erzählte Antje Kernbach (Potsdam). Die Vögel erzählen ihm von einer bevorstehenden Katastrophe, die sein Dorf vernichten wird. Dank seiner Warnung können sich die Dorfbewohner retten. Hailibu aber wird zu Stein, da er das Wissen der Vögel preisgegeben hatte – er wusste von der Folge, nahm sie aber in Kauf. Passend zum Thema Enthüllungen hatte sich Eliane Tobler die Geschichte von Iki und Sono erdacht. Die schöne Iki verwandelt sich, geplagt von Maden in ihrem Darm, zu einem hässlichen Lindwurm und flieht in den Wald. Dort nimmt sie immer hässlichere Formen an, bis der Vogel Sono sie mit einer Feder berührt. Iki enthüllt sich zu einer wunderschönen Frau. Dank des Sternenverkäufers, von dem Dorothea Bitti (Freiburg) erzählte, gelingt es Menschen in ihrem Leben in Not und abseits der Gesellschaft, sich zusammenzufinden, von ihren Träumen zu erzählen und neue Hoffnung zu schöpfen – ein Blick in die Sterne kann vieles verändern. Die enge Verbundenheit von Mensch und Natur thematisierte Sandra Lass (Ibach) in der Geschichte „Mit Blumen befreundet“. Ein Dichter schließt Freundschaft mit zwei Frauen, die Seelen von Verstorbenen sein sollen. Er findet zu Hause winzige Schuhe aus Blütenblättern, die sich in einen Schmetterling verwandeln, der zum Fenster hinausfliegt und nie wieder gesehen wird. Zwischen den Erzählungen sorgten Klänge für eine mystische Stimmung. Es war ein Abend, der berührte und manchen Gast schließlich nachdenklich zurückließ.