Ein Hort der Geborgenheit sei Menzenschwand, sagt Cornelia Maier. Längst ist sie dort heimisch und akzeptiert. Als Zugereiste, sie zog 1967 in den kleinen Schwarzwaldort, ging es ihr wie vielen Menschen, die von der Stadt aufs Land ziehen: Sie musste sich stark umstellen und erlebte so manches Ungewohnte.
Für die Liebe von der Stadt aufs Dorf
„Die Liebe ist nicht selten Auslöser, von der Stadt aufs Land zu ziehen“, sagt Cornelia Maier. Und so war es auch bei ihr: Geboren in Göttingen, verbrachte sie Kindheit und Jugend in ihrer Geburtsstadt, Köln und München, bevor sie für die Ausbildung zur Auslandskorrespondentin nach Heidelberg ging. Die Ferien verbrachte die Familie immer in Menzenschwand, wo der Bruder der Großmutter ein altes Schwarzwaldhaus geerbt hatte. Dort lernte sie ihren späteren Mann Erich kennen und lieben.
Gutgemeinte Ratschläge
Ihre Eltern hätten ihr ans Herz gelegt, die Entscheidung, aufs Land zu heiraten, gut zu überlegen. „Aber ich habe die Herausforderung angenommen“, sagt Cornelia Maier. Und auch ihre zukünftige Schwiegermutter hatte ihr vor der Hochzeit etwas zu sagen: „Luege jo, dass ‚r in Wieß hürote chönne.“ Sie habe damals nicht verstanden, was ihre Schwiegermutter habe sagen wollen.
Heimischer werden
Nach der Hochzeit galt es, in Menzenschwand heimisch zu werden. „Als Neue muss man damit rechnen, skeptisch in Augenschein genommen zu werden. Und als Städter ahnt man nichts von den ungeschriebenen Gesetzen, man läuft stets Gefahr, etwas falsch zu machen“, beschreibt sie.
Die Normen
Nach 6 Uhr morgens aufstehen? Undenkbar. Im Liegestuhl entspannen? Geht gar nicht. Und tagsüber keine Schürze tragen? Das sieht ja so aus, als würde man nicht arbeiten und unter der Woche den Sonntagsstaat tragen. Auch der Kirchgang erwies sich als Klippe, dort herrschte Geschlechtertrennung. Es gab Empörung, als sich die Neue einfach neben ihren Mann setzte.
Der Nachwuchs
Nach der Hochzeit erwartete man im Dorf bald Nachwuchs. „Du siehscht hüt so blaß us, bisch verkältet oder waas?“ – so kleidete eines Tages eine Nachbarin ihre Hoffnung, etwas über eine eventuelle Schwangerschaft zu erfahren. tatsächlich ließ der Nachwuchs nicht lange auf sich warten. Da sich das erste Kind als Schreihals erwies, blieben die Ratschläge nicht aus: Sie müsse das Kind bekreuzigen, dann höre es auf zu weinen, hieß es. Ein anderer riet, das Fenster zu schließen, sonst könne man meinen, das Kind werde geschlagen.
Immer beschäftigt wirken
Das Baby mit dem Kinderwagen spazierenfahren? Auch das sei ein Ding der Unmöglichkeit gewesen, erinnert sich Maier. Schnell wäre der Verdacht aufgekommen, man habe nichts zu tun. Es gab Frauen, die immer eine Tasche trugen, um den Eindruck zu erwecken, etwas erledigen zu müssen, erzählt Maier.
Männliche Gewohnheiten
Unverständnis erntete sie, als sie begann, als ausgebildete Skilehrerin Unterricht zu geben. Und das am „hiiterhellen“ Tag. „Do hän ‚r öbbis a‘gfange“, lautete der Vorwurf einer Alteingesessenen, als die Zugezogene begann, Kinder zu den Geburtstagen ihrer Töchter einzuladen, was bis dahin unüblich war – Geburtstag wurde im Kreis der Familie gefeiert. Aber Cornelia Maier ging noch weiter: Sie nahm an Stammtischen teil, die bis dato Männern vorbehalten waren und vertrat ihre Meinung, was ihr den Spitznamen „Frau Ortsvorsteher“ eintrug. Ortsvorsteherin wurde sie nie, aber bestimmte als Orts- und Gemeinderätin Entscheidungen mit.
Das Fazit
„Offen und ehrlich sein, sich in die Dorfgemeinschaft einbringen, den Einwohnern Zeit lassen, einen kennenzulernen, nicht die Nase hochtragen und sich nicht verschließen, dann kann Akzeptanz gut gelingen“, sagt Cornelia Maier heute über das Einleben. Menzenschwand sei für sie ein Hort der Geborgenheit, wo das Leben nicht lebenswerter sein könne. Im Ort sei niemand allein, was gerade in schwierigen Zeiten deutlich spürbar sei.