Das Stühlinger Altstadthaus das wir hier vorstellen, sieht heute ganz anders aus als jenes Haus, in dessen Gewölbekeller das Stühlinger Männle als einziger Stühlinger überlebt haben soll. Der Sage nach raffte eine Seuche im 15. Jahrhundert die gesamte Bevölkerung dahin. Ein schwerbehindertes Männle, das versteckt im Keller des heutigen Hauses Hägele vegetierte, habe nur überleben können, weil im Keller ein Weinfässle und ein Käselaib sein Überleben ermöglicht haben sollen.
Von der Legende zum Wahrzeichen
Behinderte wurden damals oft von ihren Angehörigen versteckt. Alle Stühlinger sollen von diesem arm-und beinlosen Männle abstammen, so erzählt jedenfalls die Sage. Das Männle machte dann sozusagen Karriere als Stühlinger Wahrzeichen. Zusammen mit dem Schloss Hohenlupfen ist es im Stadtwappen bis heute präsent.

Haus im Besitz vieler Bürger
Das Haus an der Gerberstraße war auch das Elternhaus des Stühlinger Mundartpoeten Hans Martin Grüninger. Josef Bernhard, Sparkassen-Mitarbeiter aus Weizen, erwarb das Haus zur Absicherung seiner jungen Familie, bevor er in den Zweiten Weltkrieg ziehen musste. Josef Bernhard kehrte aus Sibirien nicht mehr zurück. Seine Ehefrau Frieda Bernhard, geborene Schalk und die beiden kleinen Töchter Elfriede und Waldtraut siedelten dann auch ins Stühlinger Städtle um.
Frieda Bernhard ist bis heute als resolutes Original vielen Stühlingern in bester Erinnerung. Zusammen mit Feldhüter Josef Würth gründete sie den DRK-Ortsverein Stühlingen. Der Verein wurde für sie schnell zum Lebensinhalt. Das Haus übernahmen später Tochter Elfriede und Schwiegersohn Hermann Hägele, der vor wenigen Jahren gestorben ist. Inzwischen wohnt Enkelin Nina mit Mann und Sohn im Haus der Oma.

Kellergewölbe heute nicht mehr zugänglich
Der Standort des Hauses oberhalb der Zinnmauer, mit der vorgelagerten Aussichtsterrasse ist besonders bemerkenswert. „1902 brannte das alte Anwesen nieder, das auch größer gewesen sein soll als der heutige Bau“, weiß Elfriede Hägele. Das ursprüngliche Haus stand direkt auf der Zinnmauer und grenzte zur Innenstadt hin an die Gerbergasse. Vorhanden ist noch der Keller, in dem das Stühlinger Männle überlebt haben soll. Allerdings wurde dieser Kellerteil beim Zurückbau zugemauert.
Elfriede Hägele (81) fühlt sich im Städtle aufgehoben und zuhause. Sie ist voll des Lobes über die sehr gute Nachbarschaft. Vom Nachbarhaus und der gegenüberliegenden altkatholischen Kirche besitzt sie sogar die Hausschlüssel. Elfriede Hägele gehört zu jenen Menschen, die jede Woche im Pflegeheim die alten Stühlinger besucht, kleine Chauffeurdienste für sie erledigt, mit ihnen spazieren geht oder Spiele macht. „Ich muss etwas zu tun haben, sonst fällt mir die Decke auf den Kopf“, betont die 81-Jährige.
Und dass es auch der Mama gut geht, darum kümmern sich die Töchter Hanni, Bettina und Elvira, die in Lausheim, Grafenhausen und Stühlingen wohnen. An der Hausfassade, Rechterhand des Eingangs, befinden sich eine Hinweistafel und ein Abbild des Stühlinger Männle, gemalt von Tochter Elvira, die an die Geschichte des Hauses erinnern.
Die Stühlinger Altstadt
Stühlingens erste urkundliche Erwähnung datiert auf 1120. Im Jahr 1262 wurde dem Ort das Stadtrecht verliehen. Besiedelt war die Gegend aber wohl schon im sechsten Jahrhundert, wie Grabungsfunde belegen. Die befestigte Stadt wurde 1499 im Schweizer Krieg gebrandschatzt. Das untere Stadttor brannte 1828 nieder. Das Obere Stadttor musste 1846 dem immer stärkeren Verkehrsaufkommen weichen. Die Herren von Küssenberg, die Grafen von Lupfen, die Pappenheimer und die Fürsten von Fürstenberg hatten über den Ort von 1172 bis 1806 das Sagen. 2012 verkauften die Fürstenberger das Schloss Hohenlupfen an den Schweizer Landwirt Martin Stamm aus Schleitheim.