Edelgard Bernauer

In unserem zweiten Beitrag in der Serie „Kindheit in Stühlingen vor 75 Jahren“ berichtet Roland Högele (80) über seine Erlebnisse. Er lebte mit den Eltern und drei Geschwistern im Bahnwärterhäuschen auf Höhe „Breschneck“; später bei seiner Tante Klara Buggle in Weizen-Bahnhof; danach in der „alten Post“ (heute Haus Tröndle) und schließlich im ersten Haus der Rappenhalde-Siedlung, das seine Familie 1950 bezog. Dort verbringt er den Ruhestand, nachdem er lange Jahre als selbstständiger Elektromeister in Berlin gelebt hat.

Die aufregendste Zeit erlebte Högele im und nach dem Krieg im Bahnwärterhäuschen. „Mein Vater war Streckenläufer der Wutachtalbahn zwischen Stühlingen und Waldshut. Er wurde zum Kriegsdienst abkommandiert, und bevor er einrückte, versorgte er meine Mutter mit einer Schusswaffe, denn das Bähnlerhäuschen steht bis heute weitab von Stühlinger Wohngebieten.“

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Bomber der Alliierten hatten es immer wieder auf die Wutachtal-Bahntrasse abgesehen. Doch der Schienenverlauf war aus der Luft schwer auszumachen, weil die Schienen über weite Strecken an Hangkanten verliefen. „Die Flieger flogen oft so tief, dass eines Tages in der Küche die ganze Decke herunterkam“, erinnert sich Högele. Zwei Bomben rissen große Trichter nicht im Gleisbereich, sondern dort, wo sich heute der Sportplatz befindet. „Wir Kinder hatten immer wahnsinnige Angst, wenn sich Tiefflieger näherten“, erinnert sich der 80-Jährige.

Roland Högele (80) erinnert sich an seine Kindheit vor 75 Jahren in Stühlingen.
Roland Högele (80) erinnert sich an seine Kindheit vor 75 Jahren in Stühlingen. | Bild: Edelgard Bernauer

Weil die Mutter Angst um ihre Kinder hatte, schickte sie diese zu ihrer Schwester Klara Buggle nach Weizen. Dort gab es einen Luftschutzkeller. Als später die französischen Besatzer das Bähnlerhäuschen quasi auf den Kopf stellten, fanden sie nichts Interessantes. Die Schusswaffe hatte Högeles Mutter unter den Bahnschienen versteckt. Auf Höhe „Breschneck“ desertierten zum Kriegsende viele deutsche Soldaten über eine Engstelle an der Wutach in die Schweiz. Oft warfen sie ihre Waffen zuvor irgendwo ins Gebüsch oder in die Wutach. Das hatten die Franzosen mitbekommen und das Bahnwärterhäuschen genau unter die Lupe genommen. Högeles Mutter kam sechs Monate ins Waldshuter Gefängnis, obwohl bei ihr nie etwas gefunden wurde.

Panzersperren versagen

Die B 314 war zwischen Stühlingen und Weizen mit Panzersperren bestückt, die ihren Zweck nicht erfüllten. Die Panzer rollten über die Sperren hinweg, die nur aus Baumstämmen bestanden. Bevor Högeles Vater in den Krieg ziehen musste, baute er seiner Familie einen Fluchtweg in das unwegsame Waldgelände im Gewann „Breschneck“. Högeles Mutter putzte im Forstamt und in der Sparkasse, war also häufig nicht zu Hause. Das Häuschen wurde mehrfach ausgeraubt. Es fehlten Geschirr und Bettwäsche. „Die Diebe konnten nur Stühlinger gewesen sein“, sagt Högele. Die Familie war arm. „Ich erinnere mich, dass meine Geschwister und ich Kohlen aufklauben mussten, die von Güterwagen der Wutachtalbahn auf die Geleise gefallen waren.“

In der „alten Post“

Nach 1945 zogen die Högeles in die „alte Post“, ein großes Bauernhaus, das zum Hotel „Post“ gehörte. Ebenerdig hauste ein Schuhmacher, im Hauptgeschoss die Pächterfamilie Weidele. Die Högeles bezogen das Obergeschoss. 1950 waren die Högeles die erste Familie, die in eines der Siedlungshäuser an die Rappenhalde umzog. Die Siedlung wurde auf Initiative von Bürgermeister Jakob Limberger für Flüchtlinge und Spätheimkehrer gebaut.

Die Schulzeit

Högele erinnert sich an die Schulzeit, als vier Klassen in einem Zimmer unterrichtet wurden. „Wir Schüler wurden gebeten, Holz mitzubringen, um die Schulzimmer heizen zu können. Lehrer waren damals Gustav Häusler, Paula Hoppenberg und Robert Moos. Es gab jeden Tag Schülerspeisung, wobei ein Schokolädle und ein Weggle am beliebtesten waren.“

Die Lehrzeit

Roland Högele durfte auch zur Schülerspeisung in die Nachbargemeinde Schleitheim. Von 1957 bis 1965 war er in den Camera Lichtspielen Filmvorführer. Högele erlernte den Beruf des Elektrikers und machte den Meister. „Ich arbeitete eine Zeit lang auch in der Schweiz beim dortigen späteren Bürgermeister Kurt Bollinger, wo es mir sehr gut ging und ich viel gelernt habe.“

In Berlin

Ein Jahr lang war Högele im Wizemer Hüsli (Gasthaus „Sonne“) bei der Famlie Oeschger sozusagen als Hausknecht in Lohn und Brot. „Ich bekam im Monat 60 D-Mark sowie Kost und Logis.“ 1965 zog es ihn nach Berlin. Dort betrieb er ein Elektrogeschäft und war unter anderem im Auftrag der Stadt und Kirche zuständig für alle Glocken katholischer Berliner Kirchen.