Noch immer gibt es Berufe, in den Frauen die Ausnahme sind. Anna Gerritsen (24) aus Degernau ist eine dieser Frauen. Inzwischen ist sie Abwassermeisterin, hat Ende Juni ihren Arbeitsplatz in der Kläranlage Stühlingen aufgeben und ging zurück in ihren Ausbildungsbetrieb. Sie ist nun Chefin der Kläranlage Achdorf, die zur Stadt Blumberg gehört. Sie hat sich in einer Männerdomäne durchgesetzt und Respekt verschafft.

Die Auswertung der Wasserproben im Labor zählt zu den wichtigen Aufgaben von Abwassermeisterin Anna Gerritsen, hier in der Kläranlage ...
Die Auswertung der Wasserproben im Labor zählt zu den wichtigen Aufgaben von Abwassermeisterin Anna Gerritsen, hier in der Kläranlage Blumberg-Achdorf. | Bild: Gerald Edinger

Die 24-Jährige ist ihrem ehemaligen Arbeitgeber in Stühlingen dankbar, dass er sie unterstützte, als sie berufsbegleitend die Meisterschule in Stuttgart besuchte und ihre Ausbildung bezahlte. Anna Gerritsen wollte keine weiterführende Schule besuchen und kam nach einem Praktikum mit dem Wusch nach Hause: „Ich will in einer Kläranlage arbeiten!“ Während in der Schule einige die Nase rümpften und sie kritisch beäugten, standen ihre Eltern hinter diesem ungewöhnlichen Wunsch.

Auf ihrem beruflichen Weg hatte sie von zwei Männern Unterstützung. Während ihrer Ausbildung war es Dieter Schmiedl, dem sie nach dessen Pensionierung im Sommer 2020 als Leiterin der Abwasserbeseitigung in Blumberg folgte. Während ihrer fünfjährigen Tätigkeit als Fachkraft für Abwassertechnik in Stühlingen war es ihr Vorgänger Wilfried Amann, der ihr aus dem Ruhestand mit Rat und Tat zur Seite stand.

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Nach ihrem Schulabschluss wurde eine Ausbildungsstelle bei der Stadt Blumberg frei. Dieter Schmiedl weihte sie in die Geheimnisse von Technik und Labor in der Kläranlage Achdorf ein. „Er unterstütze mich in der Ausbildung und behandelt mich so, wie er sich das für seine Tochter in einem Ausbildungsbetrieb wünschte“, erzählt sie im Gespräch mit dieser Zeitung. Ihren Vater Achim Gerritsen hat sie mit ihrer Begeisterung für den Beruf angesteckt. Ein halbes Jahr nach dem Ausbildungsstart seiner Tochter wurde er in der Kläranlage Erzingen angestellt.

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An ihre praktische Ausbildung in Achdorf hat sie nur gute Erinnerungen. Anders lief es nach ihren Schilderungen mit anderen Ausbildern. Sie war in ihrer Lehrzeit die einzige Frau, wie auch später in der Meisterschule, und manche Ausbilder ließen sie das spüren. „Sie haben immer etwas vorbereitet, obwohl ich das gerne allein gemacht hätte“, so, wie die anderen Azubis eben auch.

Früh Interesse für den Beruf

Da sie in naturwissenschaftlichen Fächern gut war und technisch interessiert, hat sie dieses Berufsfeld interessiert. Die Aufgaben sind vielfältig: Von der Laboranalyse der Wasserproben über die technische Wartung der Anlage bis zur Arbeit am Computer gehöre vieles dazu, was sich Außenstehende nicht vorstellen könnten. „Und täglich gibt es neue Herausforderungen.“ In Achdorf hat sie Unterstützung durch zwei männliche Kollegen, in diesem Team fühle sie sich wohl.

Ein Beruf für den Umweltschutz

Verständnis zeigt sie für junge Menschen, die sich für Umweltschutz engagieren. Noch besser fände sie allerdings, wenn sie sich dann für einen Beruf entscheiden würden, der mit diesem wichtigen Anliegen zu tun hat. Abwasseraufbereitung trage zum Schutz der Umwelt bei, gerade deshalb macht sie Werbung für diesen Beruf, der stigmatisiert werde und für viele Leute „ein Gschmäckle“ hat: „Es riecht zwar immer etwas modrig, aber daran gewöhnt man sich.“ Hier werde aber aus Abwasser wieder Wasser, im dem man schwimmen, es sogar trinken könne. Mit dem entstehenden Gas werde Strom produziert und die getrockneten Klärschlämme würden durch Verbrennung in Energie umgewandelt. „Anders als bei Kohle, muss man diesen Rohstoff nicht abbauen.“

Man darf keine Ekel haben

Zu den unangenehmeren Aufgaben gehört die Rattenbekämpfung im 120 Kilometer langen Kanalnetz von Blumberg. Deshalb wünscht sie sich, dass Menschen sie nicht füttern, indem sie Essensreste im Abfluss entsorgen. „Ekel darf man in diesem Beruf also nicht haben“, sagt Anna Gerritsen. Sie macht Frauen Mut, diese Ausbildung ins Auge zu fassen. Im Herbst 2021 wird im Klärwerk Achdorf eine Ausbildungsstelle frei. „Ich wünsche mir, dass Eltern sich Gedanken machen, wie wichtig dieser Beruf ist“, sagt sie.