Jutta Binner-Schwarz

Am 26. April 1945 endete mit dem Einmarsch der französischen Truppen in der Region Stühlingen der Zweite Weltkrieg. Die Schweizer Nachbarn verfolgten die Geschehnisse jenseits der Grenze und reagierten mehr als einmal großherzig. „Frauen und Kinder aus Grimmelshofen befinden sich oben im ‚Sackhau‘ an der Grenze und nächtigen dort.“ Diese Meldung erreichte den Schleitheimer Gemeindepräsidenten Alexander Wanner und Pfarrer Hermann Stamm spät am Abend des 23. April 1945. Schon kurz darauf begann eine unvergleichliche Hilfsaktion.

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Über diese stand am 27. April unter der Überschrift „Grimmelshofer Vorstadt“ im „Schleitheimer Bote“ zu lesen: „Die Nacht ist ohne Ende, heißt es in einem schweizerischen Soldatenlied. Wie vielmehr muß das zutreffen für eine Mutter mit vier oder sechs Kindern. Wir müssen helfen, es ist eine Nachbargemeinde, zu der man in alten Zeiten gute Beziehungen gehabt hatte. Man sprach ja vorher schon davon, daß den Nachbargemeinden in dem Moment, wo das Leben der Frauen und Kinder gefährdet ist, Hilfe durch vorübergehendes Asyl gewährt werden soll. Am Dienstag wurde zu diesem Zweck die Methodistenkapelle in Hofwiesen requiriert.“

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Die letzten Apriltage 1945 hatten das Kriegsgeschehen auch nach Grimmelshofen gebracht. Das Dorf wimmelte von deutschen Soldaten, deren sinnloser Plan es war, das Dorf mit allen Mitteln zu verteidigen. Die französischen Truppen rückten näher, die Bahnstrecke war immer wieder Angriffsziel von Tieffliegern. Die Grimmelshofener Frauen versteckten sich mit ihren Kindern im Wald bei den Reichenberger Höfen nahe der Grenze. Dort im „Sackhau“ war der Grenzverlauf erst kurz zuvor mit Tafeln, Schweizer Kreuzen und Pfählen deutlich markiert worden. Hier verbrachten die Frauen, mit dem Nötigsten ausgerüstet, etliche Tage und Nächte im Freien. Selbst ein 14 Tage alter Säugling war dabei. Einige Kühe versorgten sie mit der notwendigen Milch.

Methodistenkapelle wird zum Asyl

Als Gemeindepräsident Wanner von diesem Notlager erfuhr, gab er sofort die Anweisung, die Schutzsuchenden nach Schleitheim zu holen. Hierzu erhielt er die Erlaubnis der Militär- und Zollinstanzen. Sogleich richtete die Obdachlosenfürsorge die Methodistenkapelle im Dorfviertel „Hofwiesen“ her. Die Bevölkerung stellte Matratzen, Decken und Bettzeug zur Verfügung, auch für Lebensmittel wurde gesorgt. Mit Ross und Wagen wurden die Grimmelshofenerinnen und ihr Nachwuchs im „Hohwald“ am Abend des 24. April 1945 abgeholt, zuvor wurden ihre Personalien aufgenommen und ihre Habe registriert.

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Einen Tag später floh eine weitere Gruppe, die im „Ebenezer“ im Haus „zur Eintracht“ untergebracht wurde. Etwa 43 Flüchtlinge auf Zeit kamen so für einige Tage in den Genuss der Schleitheimer Gastfreundschaft. Sie verbrachten bei den Schleitheimern, mit denen sie vor dem Krieg beste Kontakte gepflegt hatten, alles in allem eine gute Zeit, wenn auch die Sorge um die Daheimgebliebenen groß war. Am Montag, 30. April, ging es zu Fuß zurück nach Grimmelshofen, das Gepäck wurde mit einem Lastwagen transportiert.

Dank an die Nachbarn

Im „Schleitheimer Bote“ erschien kurz danach diese Anzeige: „Die Grimmelshofer Mütter danken unseren Schleitheimer Nachbarn für die liebevolle Aufnahme und fürsorgliche Verpflegung, die sie während der Zufluchtstage empfangen haben. Wir werden das den Schleitheimern nie vergessen. Im Namen aller: Frieda Kühn.“