Der Kampf um das Pater-Jordan-Haus in Gurtweil geht weiter. Ein Waldshuter Architektenbüro wurde beauftragt, vier Varianten für die Zukunft des Gebäudes zu prüfen: Erstens: den Erhalt des Gebäudes im Rahmen einer mittlerweile dringend notwendigen Sanierung. Zweitens: einen Teilabriss zur Verkleinerung der Grundfläche, ebenfalls inklusive Sanierung. Drittens: einen Abriss des Gebäudes mit Neubau am selben Standort. Und viertens: die Aufgabe des Pater-Jordan-Hauses und den Ausbau der Pfarrscheuer als neuem Standort der Gurtweiler Gemeindeaktivitäten. Bis Ende des Jahres soll über das weitere Vorgehen Gewissheit herrschen.
Auf der einen Seite steht die katholische Kirche, auf der anderen die Interessensgemeinschaft Pater-Jordan-Haus. Denn, obgleich dass dieses ein zentraler Standort des kirchlichen und weltlichen Gurtweiler Gemeindelebens sei, wie die IG argumentiert, sei er, so die katholische Kirche als sein Träger, der Anzahl der hier lebenden Katholiken nach zu groß und zu teuer.
Für neuen Zündstoff zwischen den beiden Parteien sorgte jüngst die Ermittlung des tatsächlichen Raumbedarfs. Basierend auf den Vorarbeiten der IG waren Mitte des Jahres Gespräche mit Vereinen und Nutzergruppen geführt worden. Die Interessensgemeinschaft wirft dem Pfarrgemeinderat vor, beim Ergebnis auf die Fläche der Pfarrscheuer am Prälatenweg hingearbeitet zu haben. Sollte dieser Raumbedarf durch die Pfarrscheuer gedeckt werden, würde das mit hoher Wahrscheinlichkeit das Ende des Pater-Jordan-Hauses bedeuten.
- Position der IG: „Die Interessensgemeinschaft ist mit dem Beschluss, den vom Pfarrgemeinderat an die Architekten weitergegebenen Bedarf als Grundlage zu verwenden, nicht einverstanden“, sagt Dieter Hauser, Sprecher der IG. Seiner Auskunft nach sei hierbei ein teilbarer Raum für maximal 90 Personen als ausreichend bewertet worden – was der ungefähren Fläche der Pfarrscheuer entspräche. Nach Analyse der Nutzerbefragungen sei die IG zu dem Schluss gekommen, dass dies den Raumbedarf nicht abdecke. Notwendig sei ein Raum für mindestens 120 Personen, da oft auch Senioren und Gehbehinderte mit Rollstühlen an Veranstaltungen teilnehmen und hierfür mehr Platzreserven benötigt würden. Darüber hinaus müsse gleichzeitig ein Raum für mindestens 35 Personen zur Verfügung stehen, was bei einem einzigen, teilbaren Saal, nicht möglich wäre. Der Denkmalschutz der Pfarrscheuer stünde einem bedarfsgerechten und damit teurem Umbau ebenfalls im Wege. Ganz abgesehen vom ungünstigen Standort der Pfarrscheuer für öffentliche Veranstaltungen zwischen mehreren Wohnhäusern.
- Die Position des Pfarrgemeinderats: Heiko Gleixner, Vorsitzender des Pfarrgemeinderats, stellvertretender Vorsitzender des Stiftungsrats und Mitglied im Gemeindeteam Gurtweil, entgegnet, die ursprünglichen Zahlen für den Raumbedarf stammen von der IG selbst. Sie seien durch die Gespräche mit den Nutzergruppen nur unwesentlich angepasst worden. Im Gegenzug würden nun etliche Veranstaltungen für über 130 Personen angemeldet werden, wie es sie hinsichtlich Größe und Besucherzahl in den vergangenen Jahren in Gurtweil nie gegeben habe. Hiermit werde versucht, die Pfarrscheuer vorab als Möglichkeit zu disqualifizieren. Dabei sei die Aufgabenstellung an den Pfarrgemeinde- und Stiftungsrat seitens des Bistums der Erzdiözese Freiburg nicht nur, den Status Quo zu erhalten, so Gleixner. Man müsse in Anbetracht steigender Kirchenaustrittszahlen auch an die Zukunft denken.
Den Denkmalschutz der Pfarrscheuer sehe er in Anbetracht der bereits früher durchgeführten Veränderungen und der Wichtigkeit einer möglichen Nutzung als unproblematisch. Auch sei ihr Standort in der Nähe der Kirche ideal für das Gemeindeleben. Das Jordan-Haus sei hingegen ein hoch defizitäres Gebäude, dessen Fläche rund doppelt so groß sei, wie dem Ort, gemessen an der Zahl der hier lebenden Katholiken, zustehe.
Gleichzeitig erkennt Gleixner den hohen Stellenwert für und die starke Identifikation der Gurtweiler mit dem Jordan-Haus an. „Es schlagen zwei Herzen in meiner Brust“, sagt er, am Ende müsse es aber auch eine wirtschaftlich angemessene Lösung geben. Der Stiftungsrat als Entscheidungsträger sei allen vier Varianten gegenüber ergebnisoffen. Die vorgebrachten Einwände der IG seien inklusive aller Argumente nun ebenfalls an die Planer weitergeleitet worden. Die Ergebnisse sollen noch vor Ende des Jahres öffentlich präsentiert werden.
Das Haus und die Hintergründe
- Das „Gebäudekonzept“, das 2017 vom Stiftungsrat der Seelsorgeeinheit Maria Bronnen in Auftrag gegeben wurde, ist verpflichtend für jede Kirchengemeinde. Dabei kommen sämtliche ihrer Gebäude auf den Prüfstand. Das Ziel ist die Anpassung des Gebäudebestands auf das pastoral Nötigste. Hintergrund ist die sinkende Zahl der kirchensteuerzahlenden Katholiken (in Gurtweil zurzeit rund 980). In der Seelsorgeeinheit Maria Bronnen wurden unter Zuhilfenahme von Planungsbüros 33 Kurzportraits von Gebäuden erstellt (März 2017). Handlungsbedarf besteht bei drei Gemeindehäusern und einem Pfarrhaus, darunter ist auch das Pater-Jordan-Haus. Dieses besitzt mit 693 Quadratmetern eine mehr als doppelt so große Fläche wie abhängig von der Katholikenzahl zugelassen (334 Quadratmeter).
- Die Interessensgemeinschaft hatte Möglichkeiten vorgelegt, den Platzbedarf zu reduzieren und das Haus wirtschaftlicher zu machen. Darüber hinaus gab es Anfang des Jahres einen runden Tisch mit Vertretern der Seelsorgeeinheit Maria Bronnen, der Interessengemeinschaft Pater-Jordan-Haus und der Erzdiözese Freiburg.
- Das Pater-Jordan-Haus wurde 1975 gebaut und nach Johann Baptist Jordan (1848 bis 1918), dem Gründer des Salvatorianer-Ordens, benannt. Mit rund 460 Belegungen im Jahr ist es ein zentraler Ort für das Dorfgeschehen. Hauptnutzer sind das Bildungswerk (126 Belegungen in 2016), die Kirchenmusik (107), die Schule (80), die Pfarrei (56), private Nutzer (39), überpfarreiliche Belegungen (33), Senioren (elf) und örtliche Vereine (sieben).
- Das Erzbistum: Mit rund 1,9 Millionen Katholiken gehört das Erzbistum Freiburg zu den großen der 27 Diözesen in Deutschland.