Einfach mal spontan nach Dresden fahren oder den zweijährigen Enkel in Frankfurt besuchen – das war für Helmut Maier bislang nicht ohne Weiteres drin. Zwar ist der frühere Rektor der Realschule Tiengen seit sechs Jahren pensioniert. Der Terminkalender des langjährigen Waldshut-Tiengener CDU-Stadtrats und „Feierabend-Politikers“, wie er sich selbst bezeichnet, war jedoch nach wie vor prall gefüllt. Gemeinderats-, Fraktions- und Ausschusssitzungen sowie Treffen mit dem Oberbürgermeister standen in den vergangenen Jahrzehnten auf seiner Agenda. Damit ist nun Schluss. „Nach 25 Jahren darf man aufhören“, erklärt der 70-Jährige, warum er für die jüngste Gemeinderatswahl Ende Mai nicht mehr kandidiert hatte.

Sechs neue CDU-Stadträte sollen den Wechsel bringen

„Der Gemeinderat muss ein Spiegelbild der Gesellschaft sein. Dort braucht man junge Leute, die im Arbeitsprozess stecken und neue Ideen haben“, nennt Helmut Maier einen weiteren Grund für seinen Rückzug aus dem Kommunalparlament. Neben ihm hatten fünf weitere CDU-Stadträte nicht mehr kandidiert. Sechs neuen, zum Teil sehr jungen Kandidaten gelang durch die Wahlen der Sprung in den Gemeinderat. „Dort können nicht nur Rentner und Pensionäre sitzen. Der Wechsel war so gewollt“, sagt Helmut Maier.

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Er selbst begann seine kommunalpolitische Karriere in turbulenten Zeiten. „Die politische Situation in Waldshut-Tiengen war damals angespannt“, erinnert sich Helmut Maier. Nachdem die CDU-Ortsvereine Waldshut, Tiengen und Gurtweil sich im August 1991 auf den Konstanzer Werner Walschburger als Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl festgelegt hatten, bewarb sich der in der Nominierungsversammlung unterlegene Martin Albers als unabhängiger Kandidat und gewann einen Monat später die Wahl als Nachfolger des nicht mehr kandidierenden Franz-Joseph Dresen.

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Der Haussegen bei der CDU in der Großen Kreisstadt hing daraufhin schief. Der Vorsitzende der CDU Tiengen trat zurück, und Maier übernahm dessen Amt. „Als gebürtiger Waldshuter musste ich die Wogen glätten“, blickt er zurück.

Mit Leib und Seele Waldshut-Tiengener

Geboren wurde Helmut Maier 1949 in Waldshut, doch mit kurzer Unterbrechung in Lauchringen wohnt er seit 43 Jahren in Tiengen. Für welchen Stadtteil schlägt sein Herz stärker? „Ich bin Waldshut-Tiengener“, antwortet er bestimmt und fügt hinzu: „Solches Kirchturmdenken ist mir fremd.“ In seinen Augen ist Waldshut-Tiengen 41 Jahre nach der Vereinigung zusammengewachsen, doch natürlich gebe es noch Themen, bei denen die Gräben wieder aufbrechen. „Das hat man zuletzt bei der Freibad-Diskussion gesehen.“

„Spaß gemacht hat mir vor allem die Tatsache, dass ich mitentscheiden und mitgestalten konnte“, beschreibt der scheidende Stadtrat sein 25-jähriges Wirken im Gemeinderat, das er als guten Ausgleich zu seinem Beruf sah. „Als Lehrer hat man eine andere Rolle: Man steht allein vor den Schülern“, sagt der frühere Rektor der Realschule Tiengen. Im Gemeinderat schätzt er die Teamarbeit innerhalb der CDU-Fraktion, die er die vergangene Wahlperiode leitete. „Als Fraktionsvorsitzender war mir aber auch der Austausch zwischen den Fraktionen wichtig.“ Wenn es im Gemeinderat zum Streit kam, dann sei es „immer um die Sache gegangen, und es wurde nie persönlich“, betont Maier und fügt hinzu: „Wir haben alle ein Ziel: das Wohl der Stadt voranbringen.“

Auch die Zusammenarbeit mit seinem Parteikollegen und Oberbürgermeister Philipp Frank, der seit 2015 im Amt ist, sei „auf Augenhöhe“ gewesen. „Wir waren bestrebt, gemeinsame Lösungen zum Wohle der Stadt zu erzielen“, sagt Helmut Maier.

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Als „einschneidendes Erlebnis“ in seiner 25-jährigen Amtszeit als Stadtrat bezeichnet er die Umwandlung der Industriebrache Lonza zwischen Waldshut und Tiengen in den Gewerbepark Hochrhein. „Ein Technologiezentrum ist leider nicht daraus geworden“, bedauert Maier und nennt die fehlende Anbindung an ein Fernstraßennetz als einen der Gründe. „Ein Faktor, den wir bis heute nicht gelöst haben“, sagt er über die Autobahn, die nach wie vor nicht durchgängig den Hochrhein mit anderen Regionen verbindet.

Besuch der Dresdner Semperoper als Geburtstagsgeschenk

Gerne hätte Helmut Maier als Stadtrat noch den Spatenstich für das Klettgau-Carree in Tiengen miterlebt, denn die Stadtentwicklung von Tiengen sei ihm wichtig. Doch die offizielle Baugenehmigung für das Geschäftshaus steht weiterhin aus. Für Helmut Maier und seine Frau Cornelia geht es nun erst mal nach Dresden, wo ein Besuch der Semperoper ansteht. „Ein Geburtstagsgeschenk“, sagt Maier, der vor einem Monat seinen Siebzigsten feierte. Langweilig wird es dem dreifachen Großvater nach seinem Rückzug aus dem Gemeinderat nicht werden: „Ich freue mich darauf, die neu gewonnene Freiheit und die zeitliche Unabhängigkeit mit meiner Frau und meiner Familie zu genießen.“

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