Vivien Ebner und Uthe Martin

Waldshut – Zweifache Premiere bei den Stadtführungen in Waldshut: Willy Riegger nahm eine Gruppe auf seine erste Neubürgerführung mit, ein Paar war erst kürzlich zugezogen, das andere Paar waren Heimkehrer, die es in ihre alte Heimat zurückgezogen hat. Haben Neu-Waldshuter ihre Wohnung eingerichtet, sich am Arbeitsplatz eingelebt, Einkaufsmöglichkeiten erkundet, kommt oft das Interesse für die Geschichte der Stadt. Stadtführer Willy Riegger kennt in Waldshut jeden Stein und jede Jahreszahl. Ihm machte es Freude, die Gruppe herumzuführen und Interesse zu wecken für das Schöne und Besondere der Waldstadt. Er befasst sich schon lange mit der Stadtgeschichte und schrieb viel darüber.

Nach dem großen Stadtbrand von 1726 wurde das Rathaus  1766 als schönster barocker Neubau von Waldshut errichtet durch Baumeister ...
Nach dem großen Stadtbrand von 1726 wurde das Rathaus 1766 als schönster barocker Neubau von Waldshut errichtet durch Baumeister Ferdinand Weitzenegger. | Bild: Martin, Uthe

Start des Rundgangs war beim Rathaus, weiter ging es zum wohl ältesten Gebäude der Stadt. Die Gruppe zeigte sich interessiert und stellte Fragen. „Es gibt keine vergleichbare Stadtform“, sagte Riegger und meinte damit die Kaiserstraße, die an beiden Enden von einem Tor abgeschlossen wird.

Vorbei ging es an Richtung Oberes Tor, an Willy Rieggers Elternhaus vorbei. In seine Erzählungen flocht er Informationen über die Architektur der Häuser in der Fußgängerzone ein, zum Beispiel über die so genannten Aufzugsgauben. Die hätten früher dazu gedient, Lasten oder Holz in die oberen Geschosse zu transportieren. Eine Besonderheit in Waldshut ist auch die städtische Gestaltungssatzung, die die Farben der Hausfassaden festlegt.

Stadtführer Willy Riegger legte bei der Restaurierung der Heiliggeistkapelle durch die Ehemaligen der Junggesellenschaft 1468 mit Hand an.
Stadtführer Willy Riegger legte bei der Restaurierung der Heiliggeistkapelle durch die Ehemaligen der Junggesellenschaft 1468 mit Hand an. | Bild: Martin, Uthe

Viele Stufen ging es im Oberen Tor hinauf, vorbei an Jahrhunderten lebendiger Geschichte. Die Türen der ursprünglichen Türmerwohnung, der früheren Gefängniszellen, des historischen Uhrwerks und des Archivs standen offen. Im Turm residiert heute auch die Narro-Zunft. Besucher können in Vitrinen ausgestellte Fasnachtsfiguren betrachten wie Hansele, Geltentrommler und Ranzengardist betrachten. Was man dem Turm heute nicht mehr ansieht: Bis in die 1860er Jahre diente er als Gefängnis. Oben war die Stube des Turmwärters, der zugleich Rhein und Stadt überwachte. Besucher, die die Stufen dort hinauf erklimmen, werden mit einem atemberaubenden Blick über die Innenstadt belohnt.

Weiter ging es nach nebenan zum Johannisplatz, wo heute die Heinrich-Hansjakob-Schule und das Feuerwehrgebäude stehen. Auch ein Spielplatz wurde angelegt. Hier befand sich bis zum 16. Jahrhundert der älteste Friedhof der Stadt. In der Mitte des Platzes stand bis 1804 die erste eigentliche Stadtkirche, die Johanniskirche oder „Untere Pfarrkirche“. „Auf diesem Platz habe ich als Kind gespielt“, erzählte Willy Riegger.

Es folgte ein Rundgang durch den ältesten Stadtteil, vorbei am Greifeneggschlössle, genannt nach seinen früheren Besitzern, der Waldshuter Patrizierfamilie von Greiffenegg. Es wurde auf Fundamenten der Kaiserpfalz errichtet. Beim Gebäude der Staatsanwaltschaft erzählte Willy Riegger von der Theateraufführung von 1993 auf der Bernhalde, die an die Spitalgründung erinnerte.

Die Gruppe genoss bei einem kurzen Halt den Ausblick auf den Rhein. Die Sonne spielte sich im Wasser, der Himmel zeigte sich in sanftem Blau, nur von wenigen Wolken durchzogen.

Weiter führte Willy Riegger die Neubürger längs durch die Rheinstraße bis zum Haberer-Haus mit seinem Aussichtspunkt und dem ehemaligen Spitalareal. Das Spital wurde 1411 von der Waldshuter Bürgerschaft gestiftet und ist bis 1857 so genutzt worden. Gleich nebenan besichtigte die Gruppe die Spitalkapelle „Zum Heiliggeist“. Die Kapelle ist nach Restaurierung durch die Zunft der Ehemaligen der Junggesellenschaft 1468 wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Auch Willy Riegger arbeitete bei der Restauration mit. So wusste er, dass die Wände der Kapelle mehrfach übermalt worden waren.

Im „Gasthaus zum Wilden Mann“ in der Kaiserstraße besichtigten die Neubürger auf ihrer Tour mit Willy Rieger die historische ...
Im „Gasthaus zum Wilden Mann“ in der Kaiserstraße besichtigten die Neubürger auf ihrer Tour mit Willy Rieger die historische Herrenstube. | Bild: Martin, Uthe

Zur letzten Station der Führung ging es zurück in die Kaiserstraße, ins obere Geschoss des Hauses „Zum Wilden Mann“. Früher ein Bürger- und Zunfthaus, beherbergt es heute eine Eisdiele und ein Restaurant.
Im dritten Stock befindet sich die Herrenstube. „Hier am Hochrhein ist es einer der wenigen historischen Säle, die noch fast im Original-Zustand sind“, berichtet Willy Riegger. Dieses ganze Stockwerk gehört den Ehemaligen der Junggesellenschaft 1468. Zum Abschied bedankten die Besucher sich bei dem Stadtführer, eine Neubürgerin sagte: „Man merkt, dass Sie das mit Herzblut machen.“