Mehrgeschossige Wohnbauten, das Langenstein-Stadion und das höchste Gebäude der Stadt – die Südstadt ist aus Tiengen nicht mehr wegzudenken. Jahrtausendelang war es andersrum, denn "das Gebiet war bis in die 60er Jahre städtebaupolitisch tabu", erinnert sich Tiengens Alt-Bürgermeister Werner Dörflinger, damals Gemeinderat. Regelmäßige Überschwemmungen durch die Wutach und ein hochstehender Grundwasserspiegel ließen das Areal regelmäßig geradezu versumpfen.
Lange nur Wiesen und Schrebergärten
Eine Trockenlegung wäre teuer und unrentabel gewesen und so bestand die Flächen sehr lange aus Wiesen und Schrebergärten. Vereinzelt fanden sich Ställe und einzelne Gehöfte. Am anderen Wutachufer wurde bereits seit Beginn des 20. Jahrhunderts Fußball gespielt, auf der Langensteinwiese, wo bis heute der namensgebende Menhir steht. Schon damals galt der Ort als Naherholungsgebiet für Freizeit und sportliche Aktivitäten in der Natur. Ebenfalls war hier lange Zeit das Brauchtum aktiv. Die Festwiese an der Wutach war der Rummelplatz des Schwyzertags, bevor das Fest 2003 in neuer Form in die Innenstadt zurückgeholt wurde.

Zum Ende des Zweiten Weltkriegs und in den Folgejahren setzte dann die Veränderung ein. Große Flüchtlingsströme aus den verlorenen deutschen Ostgebieten hatten eine extreme Notlage auf dem Wohnungsmarkt ausgelöst. In Tiengen entstanden bis nach 1950 die Neue Heimat, gegenüber dem Umspannwerk, in Tiengen auch "Katholische Siedlung" genannt, und die Siedlung westlich des heutigen Kreisverkehrs, die "Evangelische Siedlung". Doch das reichte nicht.
Linderung der Wohnungsnot
Tiengens letzter eigener Bürgermeister, Franz Schmidt (1961 bis 1975) hatte die Linderung der Wohnungsnot Anfang der 60er Jahre schließlich zu einem kommunalen Anliegen von höchster Priorität erklärt. Die Südstadt sollte Wirklichkeit werden. Doch die städtischen Mittel reichten für die aufwendigen und teuren Maßnahmen zur Abdichtung des Baugrunds und für den Hochwasserschutz nicht aus. Eine Alternative gab es hierzu aber nicht und so begann die Suche nach privaten Investoren.
Lonza-Block ist eines der ersten Gebäude
Eines der ersten Gebäude war der sogenannte "Lonza-Block". In seinen Hochzeiten in den 50er und 60er Jahren beschäftigte das Chemie-Unternehmen als einer der größten Arbeitgeber der Region dort, wo heute der Gewerbepark Hochrhein ist, bis zu 1600 Mitarbeiter. Es folgte eine explosionsartige Bebauung des neuen Baugebiets an der Wutach und die neuen Straßenzüge erhielten charakteristisch die Namen der ehemaligen deutschen Ostgebiete.
Mit der Bevölkerung wächst der Bedarf an Infrastruktur
Die Stadtbevölkerung wuchs mit dem neuen Ortsteil rasant und mit ihr der Bedarf an Infrastruktur. Ende der 60er Jahre entstanden das Klettgau-Gymnasium und die Stadthalle. Mehr ein Zeichen des damaligen Zeitgeists, als eines von Platzmangel war der Bau des höchsten Gebäudes der Stadt, das im Jahr 1973 zwölfgeschossig in der Pommernstraße 8 fertiggestellt wurde.

Abgebrochener Riese statt zweites Hochhaus
Der Bau eines zweiten Hochhauses wurde gleich nebenan begonnen, aber nie fertiggestellt. Viele Tiengener werden sich an die "Abgebrochener Riese" genannte Bauruine erinnern, die erst Mitte der 70er Jahre entfernt wurde. 1993 wurde schließlich als eine der letzten großen Baumaßnahmen in der Südstadt das neue Langensteinstadion fertiggestellt. Doch bis heute entstehen hier immer wieder neue Wohnbauten.
Weiterführende Schule für wachsende Bevölkerung
Das Klettgau-Gymnasium ist eine weiterführende Schule in der Tiengener Südstadt. Sein Bau begann im Jahr 1968 mit dem Hauptgebäude, um der wachsenden Bevölkerung eine nahe Alternative zum damals bereits bestehenden und mittlerweile überbeanspruchten Hochrhein-Gymnasium Waldshut zu bieten. Die Einweihung erfolgte 1969 und der erste Jahrgang wer der von 1969/70. Der Bau war damals etwas Besonderes, denn nur das Fundament und zwei Treppenhäuser wurden betoniert. Der Rest der Bausubstanz wurde in Fertigteilen angeliefert. Rasch steigende Schülerzahlen machten bald ein neues Gebäude erforderlich. Aus der Notlage heraus wurde der alte Pavillon gebaut, aber 1994 aufgrund von gesundheitsschädlichen Baumaterialien wieder abgerissen. Der neue Pavillon wurde pünktlich zum Schuljahr 1994/1995 fertiggestellt. Das Planen des markanten Erweiterungsbaus begann 1996, seine Einweihung erfolgte 1998. Seit dem 13. Juli 2013 gibt es am Gymnasium eine Mensa. Erster Schulleiter des Klettgau-Gymnasiums war Franz Josef Schrenk, sein Stellvertreter Ernst Huber füllte sein Amt noch bis 1991 aus. Bereits 1985 hatte Günther Faller die Schulleitung übernommen. 2005 wurde er von Bernd Crößmann abgelöst, dem 2015 der derzeitige Schulleiter, Manfred Römersperger, folgte. Am Klettgau-Gymnasium werden derzeit knapp 900 Schüler unterrichtet.