Als 24-Jähriger führt Förnbacher erstmals Regie am Theater Basel, spielt dort erste Rollen und ist als Regieassistent tätig. In Deutschland als Darsteller in Filmen und Fernsehserien populär geworden, arbeitet Förnbacher mit Dürrenmatt damals am Basler Theater zusammen. „Ich fand ihn immer großartig und habe ihn unglaublich schätzen gelernt, weil er eine tolle Persönlichkeit und ein gescheiter, irrsinnig witziger Mensch war, intellektuell, aber nicht bierernst.“

Förnbacher erinnert sich an prägnante Begegnungen: „Mit seiner hohen Intelligenz und seinen weit vorausblickenden Stücken hat Dürrenmatt auf mich als jungen Schauspieler einen großen Eindruck gemacht.“ Der große Dramatiker kommt von 1968 bis 1969 als Co-Direktor ans Theater Basel, vom legendären Theaterchef Werner Düggelin ans Haus geholt. In dieser Ära wird Dürrenmatts Strindberg-Nachdichtung „Play Strindberg“ uraufgeführt. „Es war eine spannende Zeit“, so Förnbacher, „aber es ging auch nicht ohne Probleme ab.“ Bekanntlich hat der berühmte Autor seinen Rücktritt erklärt und die Theaterdirektion wütend verlassen, weil er, so sieht es Förnbacher im Rückblick, „ein selbstständig denkender Mensch war und sich keinem Kollektiv unterwerfen wollte.“
Näher kennen lernt er Dürrenmatt bei Synchronarbeiten für die Verfilmung des Kriminalromans „Der Richter und sein Henker“. Ursprünglich will Förnbacher, der 1968 seinen ersten eigenen Spielfilm („Sommersprossen“) dreht, diese Dürrenmatt-Geschichte selber verfilmen und fragt dafür den Schriftsteller wegen der Rechte an – und bekommt diese auch. Nur kann er sie sich dann nicht mehr leisten, weil das Kinosterben beginnt, Filmverleiher bankrott gehen und Förnbacher mit der Ganovenstory „Sommersprossen“ viel Geld verliert.
Stattdessen realisiert der mit Förnbacher gut bekannte Schweizer Oscar-Preisträger Maximilian Schell 1975 den Film. Die ursprünglichen Pläne, dass Förnbacher darin die Hauptrolle spielt, zerschlagen sich. Vielmehr übernimmt mit Jon Voight kein deutschsprachiger Darsteller, sondern ein amerikanischer Filmstar die Rolle. Doch Dürrenmatt stellt selber noch eine spezielle Schweizer Fassung her, in der Förnbacher auf Berndütsch die Hauptrolle des Kriminalbeamten Walter Tschanz spricht. „Wir haben drei oder vier Wochen für diese Sprachfassung gebraucht“, schildert Förnbacher die Synchronarbeiten.
Dialekt mit Berner Akzent
„Dürrenmatt hat immer Dialekt mit Berner Akzent gesprochen, betulich, nicht schnell, aber mit Schalk dahinter, und hat nie versucht, richtig Hochdeutsch zu reden.“ Mit spitzbübische Freude habe er die „Leute auflaufen lassen“. Weil Dürrenmatt während der Filmarbeiten ununterbrochen eine witzige Geschichte nach der anderen erzählt, „haben wir tagelang vor Lachen unter den Mikrofonen gelegen“, so Förnbachers lebhafte Erinnerungen an den Mann, „der gesprüht hat vor Witz und Intelligenz“ – eine Intelligenz, die „nie abgehoben war, sondern theatralisch, wie sie auch in seinen Stücken rüberkommt.“
Ein Genussmensch
Seine persönlichen Eindrücke von dem in Bern aufgewachsenen Pfarrersohn aus dem Emmental sind die eines Menschen, „der gern gelebt, gutes Essen und gute Weine geschätzt hat.“ Dank der Tantiemen aus dem Welterfolgen „Der Besuch der alten Dame“ (1956) und „Die Physiker“ (1962) kann sich Dürrenmatt einen luxuriösen Lebenswandel leisten, mit teuren Autos und Rotweinkeller auf seinem Anwesen in Neuchatel. „Es ging bei ihm ja nie ohne die besten Havanna-Zigarren, und bei den Weinen gab es nur Burgunder“, sagt Förnbacher über den Genussmenschen Dürrenmatt, der das auch mit anderen teilt und gerne Leute um sich hat. „Er liebte Schauspieler. Es hat ihm gefallen, mit kreativen Menschen zusammen zu sein. Das war seine Welt, da war er immer das Zentrum.“

Ähnlich schildert es Dieter Mainka. Der 87-jährige Doyen in Förnbachers Ensemble wird 1967 als Schauspieler und Inspizient an die Komödie Basel engagiert, gehört nach deren Fusionierung mit dem Stadttheater bis 1971 zum Ensemble und erlebt unter Düggelin und Dürrenmatt die große Zeit der „Basler Dramaturgie“. Eng zusammen arbeitet Mainka mit dem Dramatiker bei der Uraufführung von „Play Strindberg“. Der erfahrene Schauspieler ist zu dieser Zeit Dürrenmatt sehr nahe und mit ihm befreundet.
Bei einer fünfmonatigen Tournee mit 150 Vorstellungen des Kriminalstücks „Die Panne“ in Deutschland, der Schweiz und Österreich arbeitet er als persönlicher Assistent Dürrenmatts, übernimmt die Abendregie und auch die Proben für ihn, kümmert sich um die Beleuchtung: „Wir zwei funktionierten prima“, blickt Dieter Mainka zurück. „Dürrenmatt war sehr humorig, aber auch sehr genau und korrekt. Ich musste ständig bei ihm sein, immer an seiner Seite bleiben. Er hat mich in den Fängen gehabt.“
Fan der Grashoppers Zürich
In wacher Erinnerung ist ihm Dürrenmatts Fußballleidenschaft: „Er war ein großer Fan der Grashoppers Zürich. Haben die verloren, war er unleidlich, nicht zu genießen.“ Viele wüssten auch nicht, dass Dürrenmatt gut gemalt, aber nie etwas verkauft, sondern eher verschenkt hat. Nach den Proben seien sie immer zum Essen gegangen, aber „Fritz“, wie Mainka Dürrenmatt nannte, hatte nie Geld dabei. „Der Wirt bekam ab und zu ein Bild von ihm als Gegenleistung geschenkt.“ Auch an die Toilette in Dürrenmatts Haus über dem Neuchateler See erinnert sich Mainka gut. Denn sie war rot ausgemalt und mit Kriminalromanen bestückt. Über Dürrenmatts Art sagt er: „Er war nie laut, sondern ruhig, bedächtig und sehr behutsam mit Schauspielern.“
Für Dieter Mainka, der von 1972 mit der unvergesslichen Elisabeth Flickenschildt in „Der Besuch der alten Dame“ auf Tournee geht, ist die Dürrenmatt-Phase „eine schöne Zeit.“ In 250 Vorstellungen mimt er die Rolle des Lehrers, während er seit nunmehr 20 Jahren im Förnbacher Theater den Alfred Ill gibt, die Jugendliebe der Milliardärin Claire Zachanassian. Außerdem steht Mainka als Einstein in „Die Physiker“ auf der Bühne.
Die Helmut Förnbacher Theater Company hat sich schon früh die Rechte gesichert, um diese Dürrenmatt-Klassiker in der Theaterhalle im Badischen Bahnhof spielen zu können, die seit 24 Spielzeiten laufend im Programm sind. Unverständlich ist für Helmut Förnbacher, dass gut 20 Jahre lang fast niemand mehr Dürrenmatt spielte. Seine Company ist mit die erste gewesen, die diese Stücke wieder auf den Spielplan setzte.
Themen immer noch aktuell
„Damit haben wir viele junge Leute erreicht“, sagt Förnbacher über seine Inszenierungen dieser Bühnenwerke, die sich als Schullektüre gehalten haben. Ganze Schulklassen, auch aus Waldshut, kommen zu den Aufführungen. Die Themen von Moral und Ethik, die Dürrenmatt vor 60 Jahren aufbrachte, sind für den Regisseur Förnbacher unvermindert aktuell. Etwa die Frage, wie weit die Wissenschaft gehen darf („Physiker“) und wie verführbar und korrumpierbar die Menschen sind („Alte Dame“).
Mit seinem langjährigen Ensemblemitglied Dieter Mainka hat der Theaterleiter einen Darsteller, der durch seine enge Beziehung zu Dürrenmatt ein anderes Verhältnis zu den Stücken hat. Durch ihn hatte das Förnbacher-Theater Material, das andere Bühnen nicht haben, und intimere Einblicke in die Arbeitsweise des Dramatikers, der nie restlos mit einem Stück zufrieden war und immer wieder daran feilte.
Für Schauspieler, so schwärmt Förnbacher, der selber den Möbius in den „Physikern“ sowie die Gatten und den Oberrichter in der „Alten Dame“ spielt, sind die Rollen „ein Fressen“, selbst die kleinsten: „Das sind Menschen auf der Bühne und nicht nur gedankliche Konstrukte.“ Deshalb hofft er, gerade vor dem Hintergrund des 100. Geburtstags Dürrenmatts, dass die Theater in der Schweiz bald wieder öffnen können.