An imposanten Steilfelsen in ganz Europa und in Boulderhallen in der nahen Schweiz ist Stefanie Brust (39) aus Tiengen seit ihrer Jugend geklettert. „Aufstiege wagen, sich selbst herausfordern – Klettern ist ein toller Sport, weil er mutig und selbstbewusst macht und dazu auch noch den Teamgeist fördert“, sagt sie. Weil es im Landkreis Waldshut kein Indoor-Kletterangebot gab, entschloss sie sich, 2016 die Boulderhalle „Hotzenblock“ zu eröffnen. „Ich wollte meine eigene Heimat mitgestalten!“

Ort der Begegnung für alle

In diesem Jahr feiert die Halle neunten Geburtstag – und aus der Ursprungsidee wurde viel mehr: „Wir sind nicht nur eine Kletterhalle, sondern ein Ort der Begegnung für alle!“

Ob Eltern, die zum Krabbeltreff oder Kindergeburtstag verweilen, Menschen mit Beeinträchtigungen, Geflüchtete, psychisch Kranke aus Tageseinrichtungen – alle verbringen hier gemeinsam Zeit, trinken Cappuccino, essen Eis, messen sich bei Kletterkursen oder unterstützen sich gegenseitig bei sportlichen Herausforderungen.

Die Wunderkinder-Selbsthilfegruppe mit vom Down-Syndrom betroffenen Kindern trifft sich jeden Monat zum gemeinsamen Toben – in den ...
Die Wunderkinder-Selbsthilfegruppe mit vom Down-Syndrom betroffenen Kindern trifft sich jeden Monat zum gemeinsamen Toben – in den Wintermonaten in der Boulderhalle Hotzenblock in Tiengen. | Bild: Sira Huwiler-Flamm

Nach den für viele finanziell und sozial herausfordernden Corona-Jahren entschied sich Brust, die Boulderhalle 2022 in eine spendenbasierte, gemeinnützige GmbH umzuwandeln. „Auch für jede alleinerziehende Mama und jede sozial schwache Familie soll ein Besuch bei uns möglich sein“, sagt Brust.

Täglich außer montags

Mitinhaber und Geschäftsführer ist Andreas Lämmel (35) aus Waldshut, der selbst auch schon als Bub im Schlücht- und Albtal kletterte. Täglich außer montags hat die Halle geöffnet. „Möglich ist das nur, weil unsere zwei Festangestellten Unterstützung von rund 20 Ehrenamtlichen haben, die Kurse leiten, Anfänger einführen, hinter der Theke stehen, den Schraubenzieher schwingen“, sagt Lämmel.

Im Vorraum der Boulderhalle steht auch eine Fairteiler-Station, die gemeinsam mit Foodsharing Waldshut hier aufgestellt wurde und der ...
Im Vorraum der Boulderhalle steht auch eine Fairteiler-Station, die gemeinsam mit Foodsharing Waldshut hier aufgestellt wurde und der Lebensmittelverschwendung entgegenwirken soll. Hier füllen die Helfer fleißig die Spende-Kisten (von links): Sven Nowak und Stefanie Brust von der Boulderhalle Hotzenblock sowie Cynthia Beck und Anna Geiger vom Foodharing-Bezirk Waldshut. | Bild: Sira Huwiler-Flamm

Pro Monat verzeichnen sie rund 1900 Eintritte, darunter auch Schulklassen und sonderpädagogische Schulen aus dem gesamten Landkreis. „Ob mit körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen, seelischer Aufgewühltheit oder weil man einfach Spaß am Sport hat – bei uns sind alle in ihrer Vielfalt willkommen“, sagt Lämmel.

Dass sie das bewusst auch nach außen kommunizieren, ist Brust wichtig: „Im Alltag haben wir selten Begegnungen mit Menschen mit Behinderungen. Das möchten wir ändern, denn: Nur was uns fremd ist, macht uns Angst. Wir nehmen Berührungsängste!“

Eine Vision soll wirklich werden

15.000 Euro Fixkosten muss das Hotzenblock-Team jeden Monat einnehmen, dazu Rücklagen für die wärmeren Monate bilden. „Gemeinnützigkeit bedeutet eben auch, stetig Sponsoren zu suchen und Fördermittelanträge zu stellen“, sagt Lämmel. „Ich würde mir wünschen, dass wir hier in Zukunft weniger kämpfen müssen.“

Eine Vision, die die beiden haben: Noch gezieltere Förderangebote schaffen. „Mit ausgebildetem Fachpersonal könnten wir individueller auf geistige, motorische oder psychologische Bedürfnisse eingehen.“

Was sie sich für die Zukunft der Region wünschen? „Dass sich mehr Menschen trauen, den Schritt in die Gemeinnützigkeit zu gehen“, sagt Lämmel. „Reich werden wir nicht, aber wir schlafen jeden Abend glücklich ein!“

„Hotzenblock ist einzigartig“

Kinderzeichnungen an der Wand hinter dem Bouldercafé-Tresen sind bunte Dankesbotschaften in Kindersprache. Sarah Häseler, Professorin für Soziale Arbeit mit Schwerpunkt „Lokale Demokratie-Förderung“ an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen in Berlin, hat zum Thema geforscht und sagt: „Das Konzept des Hotzenblocks ist in Deutschland einzigartig. Durch die Spendenbasiertheit nehmen sie auch die Community in die Verantwortung – das schafft einen neuen öffentlichen Raum und ein besonderes Gemeinschaftsgefüge für die gesamte Region.“