Was zeigt das bisher als älteste Aufnahme von der Waldshuter Fasnacht geltende Foto? Eine Zirkustruppe? Sicher ist nur: Das Foto stammt von Carl Deiss, der am 5. Februar 1874 in Waldshut ein Fotoatelier eröffnete. Es wurde von dessen erst kürzlich verstorbenem Urenkel Axel Bauer bis vor wenigen Jahren im klassischen Metier der Schwarz-Weiß-Fotografie weitergeführt, ehe er das Atelier krankheitsbedingt endgültig aufgeben musste. Die alte Deiss-Aufnahme ist exakt nicht zu datieren – frühestens 1874 oder aus einem der bis 1879 folgenden Jahre. Also zwischen 147 und 142 Jahre alt.

Wen das älteste Fasnachtsfoto zeigt, ist nicht überliefert, liegt also noch tiefer im Dunkel der Waldshuter Narrenhistorie. Die acht Männer mit echten und teils angeklebten Bärten, die zwei Männer in Frauenkleidern sowie die fünf Kinder, zwei davon sicher Mädchen, sind längst nicht mehr zu identifizieren. Erst recht nicht, wer unter den Tiermasken Elefant, Löwe und Bär steckte. Waren diese 18 Personen also tatsächlich als Zirkustruppe auf den Straßen der Waldshuter Innenstadt unterwegs, mit Dudelsack, Trommel und Schalmaien? Der Dritte von links in der hinteren Reihe sieht mit seinem Sternenschmuck aus wie der damals zum Zirkus gehörende Wahrsager, während der elegante Mann rechts von ihm mit seiner verwegenen Hutkrempe und dem Cape der Zirkusdirektor persönlich zu sein scheint.
Die Straßenfasnacht in Waldshut war zwischen 1874 und 1879 – wenn überhaupt – eine bescheidene Angelegenheit. Von 1874 ist bekannt, dass von einem „Narrenkomitee“ nach mehrjähriger Pause wieder zu Fasnachts-aktivitäten aufgerufen wurde. Auch wird zum ersten Mal von einem Hansele-Umzug berichtet. 1876 nennt sich das Narrenkomitee erstmals Narrenrat, der neben den Vereinen eigene Fasnachtsveranstaltungen durchführt. Am 9. Februar 1878 erschien im Alb-Bote die Anzeige des Waldshuter Narrenvereins, mit der zur Hauptversammlung mit „Wahl des Narrenrats und Verschiedenes“ eingeladen wurde. Einen Bericht über die Versammlung sucht man jedoch vergeblich. Bekannt ist nur, dass sich der Narrenverein 1878 auflöste und erst 1882 wieder in Aktion trat.
Junggesellenschaft, „Liederkranz„ und Stadtmusik waren zwischen 1874 und 1879 mit ihren Maskenbällen die wichtigsten Träger der Waldshuter Fasnacht. 1878 veröffentlichte der Alb-Bote am Samstag, 16. Februar, dieses Notiz: „Der Ball der Junggesellenschaft, der seit undenklichen Zeiten alljährlich im Rebstock abgehalten wurde, findet dieses Jahr am Fasnachtsmontag im Kornhaussaale statt. Wir wollen wünschen, dass die alte, ächt gemüthliche Stimmung, die dem Balle der Junggesellen stets einen so großen Besuch sicherte, auch im neuen Lokale erhalten bleibt und diese Tanzunterhaltung sich würdig ihren Vorgängern anreiht.“ Bereits am Schmutzigen Donnerstag hatte im Kornhaussaal ein „Costümirtes Kränzchen“ des „Liederkranz„ stattgefunden, am Samstag dann der noch größere Maskenball dieses Vereins.
1879 pausierten die Junggesellen offenbar, während „Liederkranz„ und die Stadtmusik erneut zu Bällen einluden. Über den Maskenball des Liederkranzes am 22. Februar 1879 schrieb der Alb-Bote: „Wenn man die früher vom ,Liederkranz arrangirten Unterhaltungen beschuldigte, dass sie von einem gewissen steifen Tone beherrscht werden, welcher die Heiterkeit stets in strengen Schranken halte, so darf dies vom gestrigen Balle keineswegs gesagt werden, vielmehr herrschte die ungezwungenste Fröhlichkeit bis zum Morgen.“

Ganz groß raus kam die Fasnacht in Waldshut im Jahr 1900 mit dem Fasnachtsspiel „Waldshutensia“, das am Fasnachtsmontag, 26. Februar, vor dem Waldshuter Rathaus stattfand und mit einem prächtigen Fasnachtsumzug endete. 400 Mitwirkende waren angekündigt. „Werfen wir einen Rückblick auf die lustigen Tage“, so der Alb-Bote am Aschermittwoch, „so ist es in erster Linie das am Montag aufgeführte Festspiel ,Waldshutensia‘, welches unser Interesse in hohem Maße erweckt haben dürfte. Unter großem Zudrange auswärtigen Publikums, begünstigt vom schönsten Frühlingswetter, spielte sich diese historische Episode aus dem Schwedenkriege in den Straßen unserer Stadt ab. Die zum größten Teil prachtvollen Kostüme und Gruppen, die schön geschmückten Wagen, die Herolde, das Dampfschiff mit seiner schmucken Bemannung, boten einen unvergesslichen Anblick. Wer einen ungefähren Begriff davon hat, welch große Arbeit und Mühe erforderlich ist, eine solche Aufführung zustande zu bringen, wird mit uns darin einig gehen, dass den Mitgliedern des Narrenrates, dem Narrenkanzler Ganter und Malermeister Kempf der allgemeine Dank nicht vorenthalten werden darf.“