Die Neuregelung des Erbbaurechts für Parkplätze in der Tiefgarage Viehmarktplatz beschäftigt nun das Landgericht – aber voraussichtlich nicht lange. Denn konkret mangle es einer betroffenen Pächterin wohl an der rechtlichen Position, um juristische Ansprüche gegen die Stadt Waldshut-Tiengen geltend zu machen, so Richter Stephan Elsner bei einem Gütetermin am Landgericht. Aus wirtschaftlichen Gründen legte er dem Rechtsbeistand der Frau, Werner Gerspacher, daher nahe, die Klage zurückzuziehen. Ansonsten müsse die Frau mit saftigen Gerichtskosten rechnen, zumal der Streitwert deutlich höher liege, als die Pächterin offenbar annehme.

Worum geht es genau?

Tatsächlich werden an dem Fall Viehmarktplatz-Garage die komplexen Eigenheiten des Erbbaurechts sehr deutlich, wie Elsner der stattlichen Besuchermenge einleitend darstellte. Alles laufe aber darauf hinaus, dass es ein Erbbaurecht für die Tiefgarage gebe, das letztlich vertraglich auf 172 Parteien aufgeteilt wurde.

Ziel dieses Vorgehens der Stadt sei es gewesen, Einnahmen zur Finanzierung des Baus der Tiefgarage zu generieren. Pächter bezahlten im Jahr 1994 etwa 35.000 D-Mark zuzüglich einer einmaligen Gebühr von 1000 D-Mark. Allerdings waren die Erbbaurechtsverträge auf 30 Jahre befristet. Auslaufen werden die Verträge am 11. April 2024.

Probleme tauchten erst im vergangenen Herbst auf. Damals teilte die Stadt den Pächtern mit, dass sie durchaus ihre Pachtverträge verlängern könnten. Knackpunkte aus Sicht der Betroffenen: Künftig sollte ein jährlicher Pachtzins von 388 Euro erhoben werden. Zusätzlich erfolgte der Hinweis, dass die Pächter mit einer Kostenbeteiligung an der geplanten Sanierung rechnen müssten. Dagegen sprachen sich eine ganze Reihe von Betroffenen aus.

Was war Gegenstand des Gerichtstermins?

Konkret beantragte eine der Erbbauberechtigten eine einstweilige Verfügung, um den jetzigen Stand der Dinge beizubehalten, bis eine für die Betroffenen akzeptable Nachfolgeregelung für den nun auslaufenden Vertrag gefunden ist. Darauf aufbauend soll auch noch eine Hauptsacheverhandlung stattfinden, die sich mit einer Klage der Frau gegen die Stadt befasst.

Richter Elsner sah es zwar als Ziel des jetzigen Gütetermins, einen Kompromiss zu finden. Doch dazu gab es wiederum keinen Ansatzpunkt, denn die Frau sei nach juristischer Einschätzung gar nicht berechtigt, ein solches Verfahren zu führen.

Wie schätzt das Gericht die ganze Angelegenheit ein?

„Es gibt ein Erbbaurecht, das auf 172 Parteien aufgeteilt wurde. Die Antragsstellerin greift also durch ihr Vorgehen in den Rechtsbereich von 171 anderen ein“, so Elsner. Oder anders: Gemäß des Erbbaurechts müsste die Frau die Bevollmächtigung aller anderen Erbbauberechtigten vorlegen, um gerichtlich tätig werden zu können. Eine Einzelfallentscheidung sei nicht zulässig.

Analog dazu sei auch eine Verlängerung des Erbaurechtsvertrags nur dann möglich, wenn alle Beteiligten damit einverstanden seien, so Elsner weiter: „Da jegliche Entscheidung zu Lasten Dritter ginge, können wir in dieser Sache auch keinen Kompromiss vorschlagen.“

Diese für die Betroffenen „sehr unbefriedigende Situation“, die bittere Konsequenzen in Form des Verlusts des Parkplatzes nach sich ziehe, könne auch das Gericht nicht „reparieren“, bedauert Elsner: „Denn ausnahmsweise ist die Gesetzeslage sehr eindeutig.“

Dabei sei der Erbbaurechtsvertrag nach Einschätzung des Landrichters allein schon in seiner Formulierung alles andere als wasserdicht. Vielmehr sei gerade der Passus zu den Verlängerungsmodalitäten missverständlich und unklar. Weder seien Konditionen noch Zeiträume für eine Vertragsverlängerung genauer umrissen. Auch gebe es keine Grundbucheinträge, in denen eine automatische Vertragsverlängerung festgelegt sei.

Wie argumentieren die beiden Parteien?

Rechtsanwalt Gerspacher ließ sich von den Darstellungen des Gerichts nicht beeindrucken und beharrte im Kern darauf, dass seine Mandantin, die bei dem Termin nicht anwesend war, die Position aller Betroffenen vertrete. Denn habe anfangs bei allen Einvernehmen bezüglich einer Vertragsverlängerung bestanden, habe die Stadt dies „bewusst torpediert“, indem sie nachträglich einen Pachtzins angeführt habe. Die Betroffenen forderten aber eine gebührenfreie Verlängerung, wie dies bei der Erbpachtsverlängerung bei der Tiefgarage im Wallgraben gehandhabt wurde. Ziel seiner Mandantin sei es, „den Status quo ein bis zwei Jahre aufrecht zu erhalten, bis eine neue Regelung gefunden ist.“

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Michael Uechtritz, Rechtsbeistand der Stadt Waldshut-Tiengen, wies diese Forderung zurück. Nicht zuletzt sei die Stadt bei der Verlängerung an die Vorgaben der Gemeindeordnung gebunden. Diese forderten, dass Besitz zu angemessenen Konditionen veräußert werden müsse.

Andererseits hätten die Erbbauberechtigten einen Alternativvorschlag erhalten: „Als Zwischenlösung wurde ein Mietvertrag angeboten, um Zeit für die angemessene Neuregelung des Erbbaurechtsvertrags zu gewinnen“, so Uechtritz. Die Bereitschaft, eine Lösung in diesem Sinne zu finden, bestehe immer noch.

Was passiert jetzt?

Vor allem drängt die Zeit. Darauf wies Richter Elsner mehrfach hin. Wenn am 11. April das Erbbaurecht ausläuft, gibt es keine Nachfolgeregelung. Damit fallen die Plätze automatisch in den Besitz der Stadt zurück. Dann gelte es allenfalls zu klären, wie hoch eine etwaige Entschädigung ausfallen kann. Diese richte sich allerdings nach dem Wert des sanierungsbedürftigen Parkhauses.

Da die Rechtsposition der betroffenen Erbbauberchtigten quasi nicht vorhanden sei, komme eine gütliche Einigung nicht in Betracht, so Elsner. Daher riet er zur schnellen Findung einer Lösung außerhalb des Gerichts – und der Klägerin zur Rücknahme der Klage.

Denn trotz aussichtsloser Position müsse sie bei Aufrechterhaltung der Klage mit saftigen Verfahrenskosten rechnen. Diese orientieren sich am Streitwert. Diesen bezifferte Elsner auf insgesamt 232.000 Euro. Für das vorgezogene Verfahren würde ein Drittel davon als Streitwert veranschlagt – etwa 77.000 Euro.

Wie Landgerichtssprecher Johannes Daun erklärte, resultierten daraus jetzt bereits reine Gerichtskosten von 1300 Euro. Strebe die Frau ein formelles Urteil an, könnten sich diese verdoppeln.

Dennoch wollte Anwalt Gerspacher eine solch weitreichende Entscheidung nicht ohne Rücksprache mit seiner Mandantin treffen. Dafür hat er nun bis zum 10. April Zeit.

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