Das Erbbaurecht ist eine durchaus komplexe Eigenheit des deutschen Eigentumsrechts. Doch erst recht kompliziert wird es offenkundig, wenn ein solcher Erbbaurechtsvertrag nach Jahrzehnten Dauer ausläuft, und beide Vertragsparteien unterschiedliche Vorstellungen haben, wie die künftige Regelung aussehen soll. Das zeigt sich aktuell am Beispiel der Tiefgarage Viehmarktplatz. Hier sind die Fronten zwischen der Stadt Waldshut-Tiengen und den Erbbaurechtsnehmern inzwischen so verhärtet, dass nun das Gericht entscheiden muss.
Worum geht es?
Dreh- und Angelpunkt der Auseinandersetzung sind die Parkplätze in der Tiefgarage Viehmarktplatz. Neben den öffentlich zugänglichen Plätzen des stark frequentierten Parkhauses gibt es auch etliche, die per Erbbaurecht verpachtet worden sind. Erbbaurechtsnehmer sind Geschäftsleute, Haus- und Wohnungseigentümer oder auch Investoren. Auch Gerd Jacobshagen und Michael Schüz zählen dazu. Jacobshagen ist mit seinem Dental-Labor in dem markanten Wohn- und Geschäftsgebäude am Viehmarktplatz angesiedelt. Geschäftsmann Schüz ist Inhaber der Mode-Geschäfte Street-One und Cecil in Waldshut und Tiengen.
Was beide eint ist der Umstand, dass sie dringend auf Parkplätze in der Tiefgarage am Viehmarktplatz angewiesen sind, wie sie im Gespräch mit unserer Zeitung darstellen – wobei Jacobshagen bereits in der Anfangszeit vor 30 Jahren erste Plätze erworben hat, Schüz erst vor gut vier Jahren. Doch beide sehen sich nun auch mit dem gleichen Problem konfrontiert: Die Erbbaurechtsregelung ist zeitlich befristet und läuft am 11. April aus.
Hatten beide ursprünglich mit einer nahtlosen Fortsetzung des Vertragsverhältnisses mit der Stadt als Grundstückseigentümerin gerechnet, seien sie nicht nur enttäuscht worden, sondern sehen im Verhalten der Stadtverwaltung eine regelrechte Provokation, die sie nicht so einfach hinnehmen wollen. Gleiches gilt für die Konditionen, die ihnen die Stadt für die Verlängerung des Erbbaurechtsvertrags unterbreitet hat.
Woran entzündet sich die Auseinandersetzung?
Begonnen hat die Auseinandersetzung im vergangenen September, als die Stadt die Nutzer über das bevorstehende Auslaufen des alten Vertrags informierte und die Modalitäten für eine mögliche Verlängerung um weitere 30 Jahre präsentierte. Das entsprechende Schreiben liegt uns vor.
Neu ist dabei ein jährlicher Erbbauzins von 388 Euro pro Parkplatz. Zusätzlich ist von einer Wertsicherungsklausel die Rede, die sich am Bodenrichtwert orientiere. Ebenso werden Zusatzkosten für die Beurkundung in Aussicht gestellt. Gleichzeitig weist die Verwaltung darauf hin, dass alle Erbbauberechtigen der Verlängerung zustimmen müssten. „Durch die Ablehnung eines einzelnen Erbbaurechtsnehmers erlischt das Erbbaurecht für alle Beteiligten“, heißt es in dem Schreiben. Dann fielen die Parkplätze auch entschädigungsfrei in den Besitz der Stadt zurück.
Zu bedenken gibt die Stadt auch, dass Erbbauberechtigte mit einer Beteiligung an den Kosten für bevorstehende Sanierungsarbeiten an dem Parkhaus rechnen müssen. Laut gutachterlicher Einschätzung beläuft sich der Sanierungsstau auf mindestens 5,7 Millionen Euro. Für eine Entscheidung, ob sie der Neuregelung zustimmen, wird den Betroffenen eine knapp dreiwöchige Frist gewährt.
Wie beurteilen die Betroffenen das Angebot?

Gerd Jacobshagen und Michael Schüz sehen in dem Schreiben schlicht einen Affront, wie sie sagen. Nicht nur die inhaltlich kritisieren sie das Vorgehen der Stadt scharf, das eklatant vom Verfahren bei ähnlich gelagerten Fällen in unmittelbarer Nachbarschaft abweiche. Dort, so bestätigt auch Rechnungsamtsleiter Lauber, seien die vorher geltenden Konditionen einfach fortgeführt worden.
„Hinzu kommt der immense Zeitdruck, obwohl viele Aspekte nicht eindeutig geklärt sind“, so Schüz. Und Jacobshagen ergänzt: „Wir hätten da etwas unterschreiben müssen, ohne Gelegenheit zu haben, fristgerecht eine Eigentümerversammlung einzuberufen, um uns abzusprechen.“ Kurz gesagt, hätten sich die Erbbaurechtsnehmer förmlich überrumpelt gefühlt.
Überhaupt: Im Lauf der Jahrzehnte hätten sich bei der ohnehin heterogenen Gruppe der Erbbaurechtsnehmer so viele Veränderungen ergeben, dass keiner der Beteiligten heute mehr einen genauen Überblick habe: „Wie sollten wir da gewährleisten können, dass alle mit den veränderten Modalitäten einverstanden sind?“, fragt sich Schüz.
Monate des Hin und Hers mit einer Reihe von Gesprächen und Treffen mit Vertretern der Stadt hätten nicht zur Klärung der Bedenken geführt. Stattdessen bleibe einfach nur viel Unverständnis und Unmut – auch darüber, dass das ganze Thema nicht ein einziges Mal in einer öffentlichen Gemeinderatssitzung behandelt worden sei: „Wir hatten somit keine Chance, unsere Sicht dem Gremium zu präsentieren. Das ist aus Bürgersicht wirklich schade“, bilanziert Michael Schüz.
Auch Jacobshagen sieht einen „Mangel an Willen, eine einvernehmliche Lösung zu finden.“ Es habe den Anschein, als wolle die Stadt den so genannten „Heimfall“ provozieren – den entschädigungsfreien Rückfall der Erbbaurechtsmasse in städtischen Besitz, so Jacobshagen. Das, so ist er sich mit seinem Mitstreiter Schüz einig, käme einer Erpressung gleich.
Wie sieht es die Stadt?
Die Vorwürfe der Betroffenen weist die Stadtverwaltung zurück. Vor allem sei das Eingehen eines Erbbaurechtsverhältnisses nicht mit einem Kauf zu verwechseln. Es handle sich lediglich um „eigentumsähnliches Verhältnis“, das aber zeitlich begrenzt sei, so Martin Lauber: „Nach Ablauf dieser Zeit geht das Bauwerk in das Eigentum des Grundstückseigentümers über, in diesem Fall in das Eigentum der Stadt.“
Die Stadt habe sich bemüht, die entsprechenden Verträge zu verlängern, sei aber gemäß nach Paragraf 92 der Gemeindeordnung verpflichtet, ihr Eigentum auch per Erbbaurecht nicht unter Wert zu vergeben. Daher wurde ein laufender Erbbauzins in vorgeschlagen. Das sei im Fall der Pachtverlängerungen in der Tiefgarage Wallgraben vor einigen Jahren anders gehandhabt worden, räumt Lauber ein. Die Verwaltung sei heute aber der Ansicht, dass damals falsch gehandelt worden sei.
Was den bisherigen Verlauf der Vertragsverlängerungen betrifft, sei sicherlich auch aus Verwaltungssicht nicht alles glatt verlaufen. Insbesondere hätten personelle Veränderungen auf allen Ebenen der Verwaltung letztlich den zeitlichen Druck verursacht, so Lauber weiter. Dennoch: Die Länge der Entscheidungsfrist sei „ausreichend“ gewesen: „Über die Laufzeit des Erbbaurechts war jeder Erbbauberechtigte ausnahmslos informiert.“ Außerdem gebe es keine Verpflichtung für die Stadt, die Vertragsverlängerung zu initiieren.
Ebenso sei im Erbbaurechtsgesetz geregelt, dass dieses nur ganzheitlich auf einem Grundstück bestellt werden könne und nicht „zerrissen“ werden dürfe. Aus diesem Grund könne tatsächlich eine einzelne Ablehnung ausreichen, die Verlängerung zu verhindern.
Und wie geht es jetzt weiter?
Nach aktuellem Stand der Dinge laufe der Erbbaurechtsvertrag am 11. April aus, ohne dass es eine Anschlussregelung gebe, besätigt Oberbürgermeister Martin Gruner. Auch ein nichtöffentlich gefasster Gemeinderatsbeschluss, der eine Vermietung der Plätz an die Erbbaurechtsnehmer vorsah, sei nur auf geringes Interesse gestoßen.
Stattdessen wählt ein Teil der Betroffenen nun den Klageweg. 25 Erbbauberechtigte beteiligten sich daran, so Jacobshagen. Erster Schritt in diesem Verfahren sei ein Antrag auf einstweilige Verfügung, über den das Landgericht am Donnerstag, 28. März, zu befinden hat, wie der Pressesprecher des Landgerichts Waldshut-Tiengen, Johannes Daun, bestätigt. Das eigentliche Hauptsacheverfahren folge zu einem späteren Zeitpunkt.
Und immerhin in diesem Punkt sind sich beide Parteien einig: Wie dieses letztlich ausgehen werde, wird spannend.