Über die Entscheidung der Deutschen Bahn, die Barrierefreiheit am Waldshuter Bahnhof durch Aufzüge herzustellen, haben einige Leser gegenüber unserer Zeitung ihr Unverständnis zum Ausdruck gebracht. Auch Gerd Jacobshagen und Gerhard Roloff halten den kürzlich präsentierten Lösungsansatz nicht gerade für ideal – nicht zuletzt wegen der berühmt-berüchtigten Störungsanfälligkeit der von Aufzügen im öffentlichen Raum. Gleichwohl sehen sie nun die Stadt in der Pflicht, zügig ein Gesamtkonzept für das Bahnhofsareal und die Umgebung zu erarbeiten, um schnell handlungsfähig zu sein.

Aufzug aus Sicht der Bahn einzig mögliche Lösung

Zur Erinnerung: Bei ihrem Ortstermin am Waldshuter Bahnhof hatte die neue Bahnkonzern-Bevollmächtigte Clarissa Freundorfer gemeinsam mit Vertretern des Planungsteams der Bahn angekündigt, dass im Zuge der Elektrifizierung der Hochrhein-Strecke 17 Bahnhöfe barrierefrei gemacht werden sollen. In der Regel werde eine Rampenlösung bevorzugt. In Waldshut scheide dies aufgrund der örtlichen Gegebenheiten aus. Unter anderem könnten die baurechtlich vorgeschriebenen Anforderungen für eine Rampe nicht umgesetzt werden.

Als sachkundige Bürger waren Jacobshagen und Roloff auf Seiten der Stadt in den Entscheidungsprozess involviert. Sie legten Ideen vor und waren auch an Gesprächen mit der Deutschen Bahn im vergangenen Jahr beteiligt. Der Vorschlag des früheren Stadtrates Jacobshagen für eine Rampen-Lösung bildete die Basis für die Position der Stadt in den Verhandlungen des vergangenen Jahres.

Bahn bei Verhandlungen unzugänglich für Alternativen

Die nun vorgebrachte Argumentation der Bahn hätten sie im Zuge der Gespräche bereits zur Genüge kennengelernt, sagen beide. In allen Punkten nachvollziehbar sei das Ganze nicht. Zumal: „Es geht um wenige Zentimeter, die aus Sicht der Bahn die Rampe nicht möglich machen“, so Jacobshagen. Das leuchte nicht ein, zumal im Zuge der Maßnahmen am Waldshuter Bahnhof ohnehin mehr Platz geschaffen werden soll. Der Mittelbahnsteig wird verbreitert, das bisherige Gleis 4 entfernt, das bestehende Treppenhaus bleibt erhalten und wird mit einem Weg umgangen.

Doch die ablehnende Haltung des Verkehrskonzerns sei den Verhandlungsteilnehmer durchgehend begegnet: „Die Rampe war einfach nicht gewollt. Alle Argumente dafür wurden nicht akzeptiert“, so Roloffs Eindruck. Dabei seien die Nachteile von Aufzügen seit Jahren bekannt.

Blick in Statistik unterstreicht Probleme mit Aufzügen

Schon im Jahr 2020 waren Vandalismussicherheit und Barrierefreiheit von Aufzügen im
Zuständigkeitsbereich der Deutschen Bahn Gegenstand einer Anfrage der FDP-Fraktion an die damals CDU-geführte Bundesregierung. Ergebnis war nicht nur, dass pro Jahr durchschnittlich 15.000 Euro pro Aufzug in Wartung gesteckt werden müssten.

Allein 21 Millionen Euro steckte die Bahn demnach allein 2019 in die Beseitigung von Störungen und durch Vandalismus verursachte Schäden bei ihren Aufzügen. Dennoch mussten allein 2020 an die 3236 Notbefreiungen durch Feuerwehr und DRK durchgeführt werden, wie aus der Antwort auf die Anfrage hervorgeht.

„Politiker haben zu wenig unternommen“

Nach Roloffs Einschätzung zeigten schon diese Zahlen und Fakten, wie problematisch die nun favorisierte Aufzuglösung sei. Wem das nicht genügt, der könne sich von den Problemen mit öffentlichen Aufzügen in der Stadt schon jetzt ein deutliches Bild machen. „Umso ärgerlicher ist es, dass unsere Abgeordneten in Landtag und Bundestag alles so geschehen lassen“, kritisiert er.

Zwar seien im Laufe der vergangenen Jahre etliche namhafte Politiker zu Gast gewesen, auch habe es mehrere Schienengipfel gegeben. Durchaus sei dabei das ein oder andere erreicht worden. Am für die Stadt nachteiligeren Ergebnis habe dies aber nichts geändert.

Hoffnung auf Rettung der zweiten Unterführung

Was wird aus der zweiten Unterführung am Bahnhof? Diese Frage ist noch nicht abschließend geklärt.
Was wird aus der zweiten Unterführung am Bahnhof? Diese Frage ist noch nicht abschließend geklärt. | Bild: Baier, Markus

Immerhin hegen die beiden sachkundigen Bürger noch eine gewisse Hoffnung, was die Rettung der zweiten Unterführung betrifft, die das Ziegelfeld mit der Innenstadt verbindet. Diese steht bekanntlich zur Disposition, die Bahn sieht kaum Chancen, die Durchfahrt erhalten zu können.

Hier könnte aber ein neuerlicher Vorschlag Jacobshagens Abhilfe schaffen: „Der Einbau einer Betoplatte im Gleisbereich könnte die Gleisführung erleichtern. Dadurch könnte die Unterführung offen gehalten werden“, schildert er. Diese Möglichkeit habe er der Deutschen Bahn bereits eingereicht. Eine Antwort stehe noch aus.

Blick nach vorn: Zukunftsfähige Infrastrukturplanung muss her

Alles in allem führe aber kein Weg an einer grundlegenden Überplanung des Bahnhofsareals und der benachbarten Gebiete wie dem Busbahnhof vorbei, um schnell handlungsfähig zu sein, wenn sich neue Möglichkeiten eröffneten. Die von Verband Allianz Pro Schiene ausgezeichneten Bahnhofsprojekte in ganz Deutschland zeigten, was alles möglich sei, sagt Gerhard Roloff. Auch der Waldshuter Bahnhof, insbesondere das riesige Gebäude, biete „tolle Voraussetzungen“.

„Mehr Fokus auf Service und Erlebnis wäre auf jeden Fall von Vorteil“, sagt Jacobshagen. Auch Abstellmöglichkeiten für Fahrräder und E-Bikes, Ladestationen und weitere Park-and-Ride-Angebote – eine Menge wäre noch vorstellbar. „Wir versuchen, mit unseren Vorschlägen, Möglichkeiten aufzuzeigen“, betonen Roloff und Jacobshagen.

Auf jeden Fall habe der Bahnhof als Visitenkarte der Stadt und erster Eindruck, den alle Reisenden von Waldshut erhielten, noch deutlich Luft nach oben, davon sind beide überzeugt. Das Zepter für weitere Maßnahmen und Verhandlungen mit der Stadt liege aber in den Händen der Stadt.

Und die hat das Bahnhofsareal und seine Potenziale durchaus im Blick, wie Oberbürgermeister Martin Gruner jüngst beim Ortstermin mit den Bahnvertretern konstatierte. Aktuell bestehe zwar seitens der Bahn ein Verkaufsstopp für Immobilien. Sobald dies aufgehoben werde, „steht die Stadt Gewehr bei Fuß“, so Gruner.

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