Wenn die neuen Erstklässler am kommenden Mittwoch erstmals ihre Klassenzimmer an der Heinrich-Hansjakob-Schule betreten, dann haben Generationen von Schülern zuvor in diesen Räumen die Schulbank gedrückt. Eine von ihnen ist Elli König aus Waldshut. „Ich wurde 1933 an der Heinrich-Hansjakob-Schule eingeschult“, erzählt die heute 97-Jährige.
Der sogenannte Ernst des Lebens, wie der Beginn der Schulzeit genannt wird und die spätere Zeit als Schulkind, waren für Elli König so ganz anders als für die heutigen Mädchen und Jungen. Eine bunte Schultüte, gefüllt mit Süßigkeiten und Schreibmaterial, die die kleinen Abc-Schützen stolz am ersten Schultag im Arm tragen, hatte Elli König nicht. „Schultüten hat es keine gegeben“, erinnert sich die Rentnerin.
Schultüten stammen aus Sachsen und Thüringen
Der Brauch, Schulanfängern Schultüten zur Einschulung zu schenken, wird zwar bereits seit dem 19. Jahrhundert in Deutschland gepflegt. Doch verbreitete er sich erst nach und nach von seinen Ursprüngen in Sachsen und Thüringen in den Westen und Süden des Landes.

„Meine Mutter hatte mir ein neues Kleid genäht“, berichtet König von ihrem ersten Schultag. Während Mädchen und Jungen heute gemeinsam unterrichtet werden, herrschte zu jener Zeit eine strikte Geschlechtertrennung in den Klassenzimmern. „Wir waren 40 Mädchen in einer Klasse“, erinnert sich die Waldshuterin.
Doch wie bekam der Lehrer bei so vielen Kindern Ruhe in den Unterricht? Elli König zitiert einen Spruch, der damals für Disziplin gesorgt habe: „Den Finger auf den Mund, dann bleibt das Herz gesund.“
Mit dem Rohrstock auf die Finger oder den Po
Körperliche Strafen sind heute undenkbar bei der Erziehung von Kindern. Doch zu Elli Königs Schulzeit seien sie gang und gäbe gewesen. Wer in den Augen des Lehrer nicht brav war, habe den Rohrstock spüren müssen. „Die Mädchen auf die Finger und die Buben auf den Hintern“, erzählt die Seniorin.
Zu Elli Königs Schulausstattung gehörten neben Heften und Büchern auch eine Schiefertafel sowie ein Tintenfass mit Feder. Großen Wert sei damals auf eine ordentliche Heftführung gelegt worden. „Ein Tintenklecks war eine mittlere Katastrophe“, sagt die 97-Jährige.
„Ich war eine gute Schülerin“, erzählt Elli König, die später nach dem Besuch der Höheren Handelsschule in Waldshut als Schreibkraft bei den Aluminiumwerken in Wutöschingen und bei der Lonza in Waldshut gearbeitet habe.
Schreiben sei einfach ihr Ding, erzählt sie im Gespräch mit dieser Zeitung. Während der Schulzeit habe sie manchmal zwei Hausaufsätze zu einem Thema geschrieben – einen für sich und einen für eine Klassenkameradin.
Vereinsberichte stammen aus ihrer Feder
Das Schreiben hat Elli König nicht nur durch ihr Berufsleben, sondern auch während ihrer jahrzehntelangen Mitgliedschaft beim Schwarzwaldverein und beim Alpenverein begleitet. Die Waldshuterin, die bis zum Alter von 82 Jahren noch selbst die Wanderstiefel schnürte, schrieb regelmäßig Vereinsberichte, die auch in dieser Zeitung abgedruckt wurden.
„Eine Redakteurin des SÜDKURIER hat einmal zu mir gesagt: Frau König, Sie haben Ihren Beruf verfehlt“, erzählt sie. Das Lesen der Tageszeitung gehört zu ihrem täglichen Ritual am Morgen. „Ich könnte nicht frühstücken ohne den SÜDKURIER“, sagt die Rentnerin.
„Die Berge waren mein Leben“
König gehört zu den Mitgliedern der ersten Stunde, die nach dem Zweiten Weltkrieg den Schwarzwaldverein Waldshut wieder belebt hatten. Mit dem Alpenverein zog es sie regelmäßig ins Schweizer Hochgebirge bis auf 4000 Meter Höhe. „Die Berge waren mein Leben“, sagt die 97-Jährige, die nie geheiratet hat.
Und was ist ihr Erfolgsrezept für ein langes Leben? „Mehr lachen als sich aufregen“, antwortet sie auf die Frage der Reporterin. Ihren 100. Geburtstag will sie unbedingt erleben. Die Einladungen habe sie bereits verschickt.