Es waren für Wehr und die ganze Region die letzten Kulturveranstaltungen für vermutlich längere Zeit: Trotz gegenteiliger Empfehlung des Landratsamts lud die Stadt am Sonntagvormittag zur Vernissage im Alten Schloss und am Abend zum klassischen Konzert in die Stadthalle. Laut Kulturamtsleiter Frank Johannes Wölfl auch auf Wunsch vieler Gäste: „Ich habe Anrufe bekommen, ob das Konzert stattfindet“ – und die Reaktionen seien durchweg positiv gewesen. In Wehr habe es bisher keinen Verdachtsfall oder tatsächlichen Coronafall gegeben, so Wölfl weiter. Zusammen mit Bürgermeister Michael Thater habe man darum entschieden, diese beiden Veranstaltungen nicht abzusagen. Die Empfehlung, Veranstaltungen mit mehr als 50 Besucher abzusagen, sei eben eine Empfehlung – und keine Anordnung, so Wölfl. „Wehr ist in dieser Hinsicht einer der wenigen weißen Flecken auf der Landkarte.“ Rund 70 Gäste, davon 20 Kurzentschlossene an der Abendkasse, dankten es mit dem Besuch der Abendveranstaltung. Die große Mehrheit im Risikoalter jenseits der 60 – gemeinsam, aber mit Abstand genoss man das hochkarätige Konzert mit dem Südwestdeutschen Kammerorchester aus Pforzheim. Auch die Musiker selbst wollten spielen: „Es ist für ins das letzte Konzert für lange Zeit. Wir freuen uns, gerade vor Torschluss noch da sein zu dürfen“ so Dirigent Georg Mais. Die hauptberuflichen Musiker sehen einer ungewissen Zeit mit Terminchaos entgegen, so Mais weiter.
Weniger Verständnis für die Entscheidung gab es im Internet: Kritische stimmen zur seiner Ankündigung auf Facebook, das sowohl Vernissage am Vormittag als auch Konzert am Abend stattfinden würden konterte der Kulturamtsleiter: „Die Stadt Wehr hat sich entscheiden, sich der allgemeinen Corona-Hysterie nicht anzuschließen.“ Einen Standpunkt, den die Wehrer im Netz kaum nachvollziehen konnten: Die darauffolgende Empörungswelle schwankte zwischen „Frechheit“ und „Verantwortungslos“. Tatsächlich hilft auch das gründliche Reinigen des Stadthalle wenig, wenn jemand den Coronavirus mit ins Konzert bringt.
Schulen und Kindergärten bleiben geschlossen, Alten- und Pflegeheime sowie Krankenhäuser untersagen Krankenbesuche, Grenzübertritte werden begrenzt und wer kann arbeitet von zu Hause – „Flatten the curve“ oder „Haltet die Kurve flach“ bedeutet nicht, sich in Panik in der Wohnung zu verschanzen. Vielmehr soll der Anteil der Coronaerkrankungen, die nicht den sonst üblichen milden Verlauf haben, nur so langsam steigen, das das Gesundheitssystem die Betreuung aller gewährleisten kann. Am Montagvormittag war Bürgermeister Thater mit den Vertretern der Nachbargemeinden zur Krisensitzung beim Landratsamt in Waldshut. Nun werden auch in Wehr die Lichter in der Stadthalle für die nächsten Wochen ausbleiben.