In ganz Europa werden Messen abgesagt, Konzerte verschoben und sämtliche Veranstaltungstermine auf ihre Notwendigkeit überprüft. Seit dem vergangenen Wochenende nun liegt ganz Deutschland lahm. Ganz Deutschland? Nein, ein kleines unbeugsames Städtchen im Südwesten widersetzt sich den allgemeinen Vorsichtsmaßnahmen und hält bis zum Schluss an seinem Kulturprogramm fest.
Während Bad Säckingen seine Gartenmesse recht kurzfristig am Samstagabend vorzeitig beendete, lud die Stadt Wehr am Sonntag noch zu einer Vernissage und abends zu einem Schlosskonzert in die Stadthalle, bei dem vor allem ältere Mitbürger zum Zielpublikum gehörten. Standen die Ticketeinnahmen tatsächlich über der Sorge um die Gesundheit der Zuhörer und Musiker? „Augen zu und durch“ scheint das Motto der Stadtverwaltung sein. Statt die Verantwortung selbst zu übernehmen, verweist der Kulturamtsleiter im Internet auf übergeordnete Behörden, die ja kein Veranstaltungsverbot erlassen hätten.

Außerdem gebe es ja noch keinen bestätigten Corona-Fall in Wehr. Dass der Kulturamtsleiter auch noch von einer „Corona-Hysterie“ spricht, dem sich die Stadt Wehr nicht anschließen wolle, ist so verantwortungslos wie falsch. Es sollte sich mittlerweile auch im Wehrer Rathaus herumgesprochen haben: Eine Pandemie kann am wirkungsvollsten bekämpft werden, bevor sie ausbricht. Wartet man bei einer 14-tägigen Inkubationszeit tatsächlich auf bestätigte Fälle, um Veranstaltungen abzusagen, ist es zu spät.
Dass eine amtliche Verfügung der Stadt Wehr erst dann in Kraft treten könne, wenn sie am nächsten Freitag im Wehratalkurier veröffentlicht ist, ist der nächste Treppenwitz: Natürlich hätte die Ortspolizeibehörde (deren oberster Chef Bürgermeister Thater ist), dem Veranstalter des Schlosskonzerts (also sich selbst), die Veranstaltung mit einer Einzelverfügung mit sofortiger Wirkung untersagen können. Gerade mit Blick auf das ältere Publikum wäre das die richtige Entscheidung gewesen.