Der Arzt Bruno Schäuble, der im vergangenen Sommer starb, war ein veritabler Mundartsammler. Vor allem die Sprüche, Redewendungen und speziellen alemannischen Ausdrücke, die man in Wehr kennt, haben ihm gut gefallen. Diese mundartlichen Wehrer Sprachperlen hat er gesammelt und 2002 das Wörterbuch „Wäärerdütsch„ mit Unterstützung der Stadt und des damaligen Kulturamtsleiters Reinhard Valenta herausgebracht.

Wörterbuch als Glücksfund

Als Valenta 2020 einen Nachruf auf Schäuble schrieb, kam ihm dieses Büchlein wieder in die Hände, von dem noch wenige Exemplare erhältlich sind. Dem Germanisten Valenta fiel erneut die Bedeutung und der Wert dieser fundierten und akribischen Wörtersammlung auf. Das Vorwort zu dem Wörterbuch, das um die 2500 Stichwörter alphabetisch notiert, erklärt und die lautnahe Schreibweise erläutert, schrieb damals der Wiesentäler Mundartdichter Markus Manfred Jung. Mit Valenta teilte er die Germanistenbegeisterung für diesen „hochalemannischen Glücksfund“.

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Die phonetische Lautschrift ist nicht verbindlich, aber doch eine ganz eigene Notation mit genauen Betonungen der Laute und Zwischenlaute. „Was für eine Klanggestalt der Worte!“, schwärmt Valenta. Die Buchstaben sind mit Sonderzeichen belegt und es gibt viele Dehnungen mit Vokalverdoppelungen (Gääbeli, Mäählsack, Sääge). Autor Schäuble hat sich um die Schreibweise der Laute gekümmert, um die Akzente, Umlautbildungen, Doppellaute.

All das dürfte den Wehrer Sprechern, die das Wörterbuch einlesen, die Arbeit erleichtern. Für das von Valenta und seinem ehemaligen Stellvertreter Günter Kramer initiierte und durchgeführte Projekt haben sich bereits über 30 Wehrer gemeldet, die gerne mitmachen wollen. Darunter zwei gestandene „Wäärerdütsche“: Astrid Müller und Charly Senn, in Volksschauspielkreisen der Region bekannte langjährige Theaterspieler, auch in Herrischried, und Zunftabendakteure.

„Reingeschmeckte Wehrer“ auch willkommen

„Wir nehmen auch mehr“, sagt Valenta, denn so könnte man verschiedene Aussprüche von mehreren Stimmen sprechen lassen und das Ganze wäre mit unterschiedlichem Zungenschlag noch abwechslungsreicher als nur mit einem professionellen Sprecher, der durchgängig das Buch einsprechen würde. Dabei kommen nicht nur ältere Leute in Frage, die das Wäärerdütsch können, sondern auch Jüngere, die diesen Dialekt noch in der Familie sprechen. Akzeptiert wird auch die Variante „reingeschmeckte Wehrer“, um zu zeigen, wie das Wäärerdütsch adaptiert wurde. So haben sich Neu-Wehrer gemeldet wie Feuerwehrkommandant Nicola Bibbo, der inzwischen auch Wehrerdeutsch spricht.

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Die digitalen Tonaufnahmen werden von Valenta, der selber kein Alemannisch, sondern Hochdeutsch mit leicht hessischem Akzent redet, und Kramer, der als „Urwehrer“ astreines Wäärerdütsch spricht, voraussichtlich im kleinen Saal der Stadthalle mit professionellem Aufnahmegerät gemacht. „Dann haben wir den Tonträger im Archiv und wissen, wie viel Speicherkapazität wir brauchen“, so Valenta.

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Alles wird aufgenommen, das ganze Buch, das komplette Vokabular in der Abfolge wie in der gedruckten Ausgabe samt der Sprüche und Redewendungen. Vorrangiges Ziel dieses mundartlichen Workshops „Rettet das Wäärerdütsch„ ist die Bewahrung der Mundart. Valenta will damit den Bestand der Sprache sichern. „Das ist ein riesiger Sprachschatz, den wir hier haben“, begeistert sich der Regionalhistoriker für dieses Wörterbuch, das einzigartig ist und einen festen Platz in der Kultur- und Sprachgeschichte Wehrs hat.

In dem Dialektlexikon finden sich Wörter, die wirklich nur Wehrer erfunden haben und verstehen können. Neben der Wörtersammlung entdeckt man eine bunte Mischung: Redewendungen, Redensarten, Aussprüche, kleine Gedichte und Lieder, originelle Wetterregeln (“Wènn‘s ins läär Hòlz dònderet, gitt‘s nòmòòl Schnee“), Kindersprüche (“Hòòryg, hòòryg, hòòryg isch dy Katz“), Erwachsenensprüche und Schnellsprechverse.

Die bekannten Theaterspieler Astrid Müller und Charly Senn sind zwei der Teilnehmer, die beim Mundartprojekt Rettet das Wäärerdütsch ...
Die bekannten Theaterspieler Astrid Müller und Charly Senn sind zwei der Teilnehmer, die beim Mundartprojekt Rettet das Wäärerdütsch mitmachen möchten. | Bild: Picasa

Mundartsammler Schäuble hat die Sprache in ganzer Breite zu erfassen versucht und deshalb auch primitive und derbe Texte mit aufgenommen (“Är/si hètt Fûrz im Hirny“). „Wir lesen das Wort, wie es Schäuble aufgeschrieben hat“, verspricht Valenta.

Im Verlauf des Monats März werden die Mitmachenden angeschrieben. Wer sich bis dahin meldet, bekommt das Material zugeschickt und kann sich mit der Mundart und der Aussprache beschäftigen. In einer zweiten Phase folgen die Einzelaufnahmen unter der Regie von Kramer und Valenta, die mit diesem ambitionierten Mammutprojekt der Wehrer Dialektologie die Lautschrift zum Klingen bringen. Eine Fassung der Tonaufnahmen wird an das Alemannische Institut Freiburg geschickt, eine weitere an das Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas an der Universität Marburg, um die gesammelten Wörter und Redewendungen der Wissenschaft zur Verfügung zu stellen. Auch an eine kommerzielle Vermarktung ist gedacht, eventuell ein Hörbuch. Ebenfalls soll es, wenn es wieder möglich ist, eine öffentliche Lesung geben – so bleibt der Wehrer Dialektwortschatz im Ohr und für die Nachwelt bewahrt.