Die Kinder- und Jugendarztpraxis Jochen Sperling im Wehrer Stadtteil Brennet öffnet im Mai wieder. Ab Donnerstag, 2. Mai, laufe der Praxisbetrieb wieder normal, kündigt der Kinder- und Jugendarzt auf seiner Homepage an.

Derzeit stehen im westlichen Landkreis drei Kinderarztpraxen zur Verfügung

Für Eltern und Kinder ist dies eine gute Nachricht. Denn im westlichen Landkreis Waldshut gibt es derzeit nur drei weitere Facharztpraxen für Kinder und Jugendliche. Zwei mit zusammen fünf Ärzten in Bad Säckingen und eine Einzelpraxis in Laufenburg. Anfang April hatte die Wehrer Einzelpraxis mitgeteilt, krankheitsbedingt bis auf weiteres schließen zu müssen.

Kinder- und Jugendarztpraxen sind allgemein ausgelastet, es ist schwierig, dort Termine zu bekommen. Dies schreibt die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) in ihrem Bericht über die ambulante medizinische Versorgungssituation im Land 2023.

Es gibt zwar mehr Mediziner, aber nicht mehr Versorgung

Zwar ist laut KVBW die Zahl der Kinder- und Jugendärzte in den vergangenen zehn Jahren von 881 auf 1011 angestiegen. Doch weil viele von ihnen in Teilzeit oder im Angestelltenverhältnis arbeiteten, stagniere der Versorgungsanteil – und dies, obwohl 2020 bis 2022 die Zahl der Behandlungsfälle aufgrund von steigenden Geburtenraten, ausgeweiteten Vorsorgeuntersuchungen oder Infektionswellen stark von 729.345 auf 856.033 angestiegen seien.

Offiziell gilt der Landkreis sogar als überversorgt

Im Landkreis Waldshut ist wie in den meisten anderen Regionen Baden-Württembergs die medizinische Versorgung mit Kinder- und Jugendärzten derzeit im Prinzip gegeben: In der Bedarfsplanung gilt der Kreis sogar als überversorgt und ist für weitere Kinder- und Jugendarztpraxen derzeit gesperrt. Ärzte und Psychotherapeuten, die gesetzlich Versicherte behandeln möchten, können sich hier nur neu niederlassen oder anstellen lassen, wenn sie die Praxis eines Vorgängers übernehmen oder im Jobsharing tätig werden.

Bei einem Notfall am Wochenende müssen Eltern mit ihren Kindern nach Lörrach

Wie dünn die Versorgungslage im Landkreis Waldshut aber tatsächlich ist, zeigt nicht erst die vorübergehende Schließung der Praxis Sperling. Weil sich die im Kreis niedergelassenen Kinder- und Jugendärzte aufgrund ihrer Zahl nicht mehr in der Lage sahen, eine Wochenendbereitschaft zu stemmen, wurde diese Aufgabe Anfang neu organisiert. Eltern mit kranken Kindern müssen seit dem 8. Januar außerhalb der Praxiszeiten im Nachbarlandkreis Lörrach Hilfe suchen.

40 Prozent der Kinderärzte im Landkreis sind bereits über 60

Insgesamt gibt es im Landkreis ausweislich des Versorgungsberichts derzeit 15 Kinder- und Jugendärzte – fünf in Bad Säckingen, vier in Waldshut-Tiengen, zwei in Bonndorf sowie jeweils einen in Jestetten, Lauchringen, Laufenburg und Wehr. Was alarmiert: 40 Prozent der Kinder- und Jugendärzte im Landkreis sind über 60 Jahre alt. Eher früher als später ist damit zu rechnen, dass sie einen Nachfolger suchen.

Derzeit ist eine Einzelpraxis zum Jahresende ausgeschrieben

Der Landkreis Waldshut ist einer von landesweit vieren, in denen derzeit eine Einzelpraxis für einen Kinder- und Jugendarzt ausgeschrieben ist. Die Übergabe soll zum Jahresende 2024 erfolgen. Um welche Praxis es sich handelt, ist nicht bekannt, da die Ausschreibung auf der Homepage der Kassenärztlichen Vereinigung www.kvbawue.de/ per Chiffre erfolgt.

Ein Problem der Praxen ist der Mangel an medizinischen Fachangestellten, den im KVBW-Bericht auch Roland Freßle, der Landesvorsitzende des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, beklagte. Zumindes Sperling scheint hier eine Lösung gefunden zu haben. „In den nächsten Tagen stelle ich Euch unsere neuen Mitarbeiterinnen vor“, teilt er auf der Homepage mit.

Erst Anfang 2023 hat Sperling neue Praxisräume bezogen

Bereits seit 2006 ist der mittlerweile 66-jährige Sperling in Wehr als Kinder- und Jugendarzt niedergelassen. Anfang 2023 hatte er sie in den Stadtteil Brennet verlegt und mit seinem vierköpfigen Mitarbeiterstab Räume der ehemaligen Textilfabrik bezogen. Für eine persönliche Stellungnahme war Jochen Sperling nicht zu erreichen.

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