Die Nachricht kam Anfang des Jahres, klang harmlos, doch ihre Auswirkungen sind für viele Eltern weitreichend. Der kinderärztliche Notdienst in den Kreisen Waldshut und Lörrach wurde zusammengelegt. Der Standort sind Räume in der Kinderklinik im St. Elisabethenkrankenhaus in Lörrach – und damit weit weg von vielen Orten im Landkreis Waldshut. Eltern im Kreis Waldshut haben sich darum zusammengetan und unter act-campx.org eine Online-Petition gestartet. Die Forderung richtet sich an die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg und ist eindeutig: „Die aktuelle kinderärztliche Versorgung am Hochrhein muss sich für unsere Kinder ändern!“

Was Eltern große Sorgen macht

Initiatorin Karin Neumann aus Dogern, selbst Mutter von zwei Kindern, sagt über die Beweggründe: „Natürlich waren die Fahrtwege bislang auch schon nicht zu unterschätzen, aber Lörrach ist noch deutlich weiter entfernt.“ Mit krankem Kind eine Stunde im Auto unterwegs zu sein, sei nun keine Ausnahme mehr für viele Eltern – „und diese Zeit kann ein großes Risiko sein“, warnt Neumann.

So ist es auch in der Petition zu lesen: „In dringenden Notfällen zählt jede Sekunde, da ist ein Fahrtweg von einer Stunde gerade für die Kleinsten unserer Gesellschaft nicht akzeptabel.“ Doch die Entfernung ist nicht das einzige Problem: Die ärztliche Versorgung der Kinder am Hochrhein muss verbessert werden. „Es fehlt an allen Ecken – niedergelassene Kinderärzte, Bereitschaftsdienste, aber vorallem eine Kinderklinik am Spital Waldshut“, heißt es in der Petition, die, Stand Freitag, 22. März 2024, rund 6300 Unterstützer zählte.

„Ich habe diese Petition gestartet, weil es seitens der Eltern bislang noch keine gemeinsame Initiative gab“, erklärt Karin Neumann. Das Ziel der Elterninitiative ist es vor allem aufmerksam zu machen auf die kinderärztliche Versorgung im Landkreis und dass der kinderärztliche Bereitschaftsdienst wieder so organisiert wird, wie vor der Fusion mit Lörrach. Darüber hinaus fordern die Eltern, dass es in Kindernotfällen besser ausgebildetes Ersthelferpersonal am Hochrhein gibt, sowie die Planung und Umsetzung einer Kinderstation mit Notfallversorgung im neuen Klinikum.

Rückenwind kommt von den Landtagsabgeordneten

Auf offene Ohren trifft die Initiative bei den Landtagsabgeordneten Sabine Hartmann-Müller (CDU) und Niklas Nüssle (Grüne). Beide Abgeordnete erklären auf Nachfrage des SÜDKURIER, dass sie sich mit dem Thema medizinische Versorgung besonders intensiv beschäftigen und auch in Kontakt zur Kassenärztlichen Vereinigung, dem Sozialministerium und regionalen Akteuren stehen.

„Im Zusammenhang mit dem Bau des neuen Krankenhauses in Albbruck mache ich mich seit längerem stark für zumindest eine Kindernotfallversorgung. Dies in Zusammenarbeit mit dem Landrat“, schreibt Sabine Hartmann-Müller. Die Sorge und die Ziele der Eltern seien nachvollziehbar, denn die Fusion der Kinderarzt-Notfalldienstbereiche Lörrach und Waldshut bringe ernstzunehmende Folgen mit sich.

Sabine Hartmann-Müller, Landtagsabgeordnete (CDU)
Sabine Hartmann-Müller, Landtagsabgeordnete (CDU) | Bild: Rau, Jörg-Peter

Mit Hinweis auf die weiten Anfahrtswege unterstütze sie das Anliegen, dass der kinderärztliche Bereitschaftsdienst wieder wie vor der Fusion organisiert wird. „Die zweite Folge ist, dass der Rettungsdienst noch stärker belastet wird als ohnehin schon. Das führt wiederum zu zusätzlichen Engpässen in der medizinischen Grundversorgung.“ Vor diesem Hintergrund stehe ich den Initianten für allfällige Unterstützung und Zusammenarbeit zur Verfügung.

Niklas Nüssle schreibt: „Die KVBW gibt an, mit der Neuorganisation würden keine Verschlechterungen einhergehen und dieser Schritt wäre für eine Verbesserung der Situation hilfreich. Das hinterfrage ich sehr kritisch und stehe daher in engem Austausch mit der KVBW.“

Niklas Nüssle, Landtagsabgeordneter (Grüne)
Niklas Nüssle, Landtagsabgeordneter (Grüne) | Bild: Lena Lux

Nüssle gibt zu bedenken: „Das Thema ist aber extrem komplex. Es geht nicht nur um die Organisation des Notdienstes, sondern auch um die Zukunft der niedergelassenen Kinderarztpraxen, um Diskussionen zum Krankenhaus und zur Ausbildung von Kinderärzten. Eine bloße Rücknahme bisheriger Änderungen greift deshalb zu kurz, denn wir müssen weiterdenken! [...] Klar ist, dass die kinderärztliche Versorgung in Waldshut dauerhaft gesichert sein muss, dafür bringe ich mich weiterhin aktiv ein!“

Warum wurde der Notdienst überhaupt fusioniert?

Bei der Entscheidung ging es der KV zufolge vor allem um eine Sicherstellung der kinderärztlichen Versorgung. Der kinderärztliche Notdienst ist immer dann zuständig, wenn die Kinderarztpraxen geschlossen haben – vor allem am Wochenende. In der Pressemitteilung die Anfang des Jahres verschickt wurde, hieß es: „Somit kann die Anzahl der teilnehmenden Pädiater aufgestockt und der Dienst in Zukunft gesichert werden. Die Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte werden in ihrer Dienstpflicht entlastet, was angesichts der Engpässe und zur Stärkung der Regelversorgung dringend erforderlich ist.“

Laut der eigenen Bedarfsplanung der Kassenärztlichen Vereinigung KVBW steht der Kreis Waldshut bei der Versorgung mit Kinderärzten generell allerdings nicht schlecht da: 13,5 Kinderärzte bei einem Soll von 11 ergibt nach der Berechnung der KV einen Versorgungsgrad von 126,4 Prozent. Im landesweiten Vergleich ist das Platz fünf – sogar noch vor den Landkreisen Lörrach oder Konstanz.

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Wie bewertet die KV die Situation?

Und wie sehen aus Sicht der KV nach fast drei Monaten die ersten Erfahrungen mit der Fusion aus? Hierzu „können wir berichten, dass es bislang gut läuft“, so Sprecherin Martina Troescher auf Anfrage. Aktuell arbeite die KV an einem großen Projekt zur Neuordnung des Bereitschaftsdienstes. „Angesichts von mehr als 1.000 unbesetzten Arztsitzen in Baden-Württemberg muss der Fokus auf der Aufrechterhaltung der Regelversorgung liegen“, so Troescher.

Weitere Details zur angestrebten Struktur könne sie derzeit nicht nennen. Ob denn die kinderärztliche Versorgung auch Bestandteil dieses Projekts sind und eine Veränderung im Kreis Waldshut angestrebt wird? Troescher geht auf diese Nachfrage nicht konkret ein und schreibt vage: „Die KVBW wird bei der Reform des ärztlichen Bereitschaftsdienstes alle bestehenden Strukturen in Baden-Württemberg beleuchten.“

Für viele Eltern und Sorgeberechtigten im Kreis Waldshut kann das wohl kaum eine zufriedenstellende Antwort sein. Denn das Problem und der Handlungsbedarf bestehen jetzt, das haben sie im Rahmen der Petition deutlich formuliert.

Hier geht es zur Online-Petition der Elterninitiative. 

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