Nahezu verwaist ist seit gut zwei Wochen die Wehrer Hauptstraße. Fast alle Wehrer Einzelhändler sind von der Corona-Vorschriften betroffen, ihre Geschäfte wurden deshalb geschlossen. Wie lange die Schließung dauern wird und welche finanziellen Folgen dies haben wird ist noch nicht abzusehen. Die meisten Wehrer Händler weisen mittlerweile ihre Kunden mit Schildern auf Alternativen hin: Beispielsweise die eigenen Online-Shops oder telefonische Bestellmöglichkeiten, zusätzlich bieten einige einen Lieferdienste, der die kontaktlose Übergabe von Waren ermöglicht. Dies ist für viele die einzige Chance, wenigstens ein Stück vom Umsatz zu erhalten.
Welche Läden schließen müssen und welche geöffnet bleiben müsse, hat das Land in der Corona-Verordnung festgelegt. Trotzdem gab es immer wieder Unklarheiten und Interpretationsbedarf. Einer der Betroffenen ist Michael Wirrer, Inhaber der „Vinothek im Wehratal“: Zählt seine Weinhandlung nun als priviligierter Lebensmittelbetrieb, der öffnen darf? Nein, in einem „Auslegungshinweis“, den die Landesregierung zur ersten Corona-Verordnung am 17. März veröffentlichte, sind Vinotheken ausdrücklich unter den Geschäften genannt, die schließen müssen. Doch dabei blieb es nicht. „In der vergangenen Woche hieß es, Vinotheken dürften doch wieder aufmachen“, erzählt Michael Wirrer, der daraufhin sofort die Wiedereröffnung vorbereitete und mit Angestellten einen Dienstplan ausarbeitete. Doch die Freude hielt nicht lange: „Am Montagnachmittag kam das Ordnungsamt und schloss den Laden wieder“, so Wirrer. Denn die Landesregierung hatte zwar eine Änderung der Corona-Verordnung erlassen, die auch für Vinotheken Lockerungen bedeutete hatte. Doch die Ausnahme von der Regel galt nicht für das Geschäft des Wehrers. Öffnen dürfen nur Vinotheken von Direkterzeugern, also beispielsweise der Weinverkauf bei der Winzergenossenschaft. „So ein Durcheinander. Ein wenig mehr Klarheit wäre hier schon wünschenswert“, meint Wirrer. Dass er auch Olivenöl und Nudeln im Angebot hat, macht ihn übrigens auch nicht zu einem privilegierten Lebensmittelhändler. „Entscheidend ist das Kerngeschäft“, erklärt Ordnungsamtsleiter Stefan Schmitz, warum nicht das ganze Sortiment betrachtet wird. Und für Weinhändler bestehe eben das Verbot.
Der komplexe Fall der Wehrer Vinothek sei jedoch ein Einzelfall, erklärt Schmitz auf Nachfrage. Grundsätzlich gebe es relativ wenig Diskussionsbedarf über die Regelungen. Insgesamt gingen die betroffenen Einzelhändler – und auch Michael Wirrer – sehr verständnisvoll mit der Situation um. „Wir machen die Regeln ja nicht, wir müssen aber überwachen, dass umgesetzt werden“, so der Ordnungsamtsleiter. Dass es bei einer Verordnung, die in einer solchen Geschwindigkeit verabschiedet werden musste, immer noch Nachbesserungsbedarf besteht, liege in der Natur der Sache. Zwischenzeitlich gab es schon die zweite Änderung der Verordnung, mit der Unklarheiten beseitigt werden sollten und dennoch bleibt selbst für Schmitz mitunter noch eine Frage offen. Gehört beispielsweise ein Handy-Laden als Telekommunikationsunternehmen zur systemkritischen Infrastruktur? „Wir haben den Laden in der Hauptstraße zunächst einmal offen gelassen, bis wir nach ein paar Tagen aus dem Lagezentrum des Landes die klare Aussage bekommen haben: Nein, ein Händler von Mobiltelefonen zählt nicht dazu, der Laden muss also geschlossen werden“, so Schmitz. Grundsätzlich versuche sich das Ordnungsamt mit den anderen Gemeinden im Umkreis abzusprechen, damit es zu keinen Ungleichbehandlungen in der selben Branchen kommt. Dennoch kommt es zu vermeintlichen Ungerechtigkeiten: So muss ein Blumenladen schließen, der Blumenverkauf in einer Gärtnerei bleibt aber erlaubt.
Kompliziert ist auch die Regelung für Paketshops: Auch hier galt zunächst, dass sie nur dann geöffnet bleiben dürfen, wenn auch das Kerngeschäft zulässig ist. Diese Regelung wurde zwischenzeitlich geändert. Aktuell darf der Paketshop öffnen, das Kerngeschäft darf aber nicht betreiben werden.
Was ist erlaubt?
Erlaubt sind: Abhol- und Lieferdienste, Apotheken, Augenoptiker, Außer-Haus-Verkauf von Gaststätten, Bäckereien, Banken, Baumärkte, Dienstleister der Gesundheitswirtschaft wie z.B. Physiotherapeuten, Drogerien mit Verkauf von Lebensmitteln, Fahrradwerkstätten, Medizinische Fußpflege, Gärtnereien, Gartenbaubedarf, Getränkemärkte, Großhandel, Hofläden, Hörgeräteakustiker, Kaminkehrer, Kfz-Werkstätten, Kioske, Landwirtschaftshandel Metzgereien, Orthopädieschuhmacher, Poststellen, Postagenturen und Paketstationen, Raiffeisenmärkte, Reisebüros, Sanitätshäuser, Schuh- und Schlüsselreparatur, Servicestellen von Telekommunikationsunternehmen, Stördienste aller Art, Tankstellen, Textilreinigung, Tierbedarf, Verkauf von Jägereibedarf, Taxen, Versicherungsbüros, Wein- und Spirituosenverkauf (Direktvermarktung unmittelbar am Produktionsort, ohne Ausschank und Verkostung), Wochenmärkte, Zeitungen und Zeitschriften
Was ist verboten?
Beherbergungsbetriebe, Bekleidungsgeschäfte, Blumenläden, Buchhandel, Copyshops. E-Zigaretten Shops, Fahrradläden, Fahrschulen, Fitnessstudios, Tanzschulen und ähnliche Einrichtungen, Fotostudios, Frisöre, Gaststätten und ähnliche Einrichtungen, Kfz-Handel, Kosmetikstudios, Nagelstudios, Outlet-Center, Piercingstudios, Schreibwarenhandel, Sonnenstudios, Tattoostudios, Vergnügungsstätten, insbesondere Spielhallen, Spielbanken, Wettbüros und Wettannahmestellen, Wein- und Spirituosenhandlungen. (Stand 28. März)
Wichtig: Wenn bei einer Stelle der verbotene Teil des Sortiments überwiegt, darf der erlaubte Teil allein weiter verkauft werden, wenn eine räumliche Abtrennung möglich ist. Die Ausnahme gilt nur dann, wenn die Einhaltung der erforderlichen Hygienestandards sichergestellt ist. So ist eine Abtrennung des Kundenbereichs erforderlich.