Bei schönem Wetter sitzen Matthias Kirner und Camillo auf der Treppe vorm katholischen Pfarramt. Dann beobachten beide, wer so vorbeikommt. Das sei beruhigend und fühlt sich an wie eine kleine Auszeit. Pfarrer Kirner, der aus Zell im Wiesental stammt, ist seit nun mehr als einem Vierteljahrhundert katholischer Pfarrer im Wehratal. Seit dem Jahr 2000 prägt er das geistliche Leben der Stadt Wehr. Sein Handeln und Wirken hatten und haben Einfluss auf das gemeinschaftliche Miteinander.
„Manchmal ist so viel los, dass ich froh, das Hundele einfach nur in den Arm zu nehmen.“ Treuer Partner für den Pfarrer sind seit vielen Jahren Hunde. Halb Wehr hat nach dem Tod seines sechsten Hundes nach einem würdigen Nachfolger gesucht und gesagt: „Der Pfarrer ohne Hund, das geht doch nicht.“ Inzwischen seit zwei Jahren begleitet ihn Camillo, ein Mischlingsrüde aus einem Tierheim in Spanien, auf Schritt und Tritt.

Seinen Hund hat er nach Don Camillo aus der italienischen Schwarz-Weiß-Komödie aus den 1950er Jahren benannt. Hund Camillo ist längst festes Mitglied im Seelsorgeteam am Kirchplatz und tröstet Menschen, indem er sich einfach nur streicheln lässt.
Der Herr ist sein Hirte
„Vielleicht war es damals Zeit, etwas Neues und anderes zu sehen. Unser Glaube sagt ja, der Heilige Geist, der Herrgott wird wissen, warum er das will. Und ich kann sagen, ich habe es nicht bereut“, schildert Matthias Kirner seine Entscheidung vor 25 Jahren als Pfarrer nach Wehr zu kommen. Die Menschen seien für ihn in all der Zeit stets Motor gewesen und sein Glaube habe ihm Mut dafür geschenkt. Der mutmachende Psalm „der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen“ begleitete ihn dabei stets.
Rückblickend ist die Bitte vom Freiburger Erzbistum im Jahr 1999, sich für die Leitung der Pfarrei Sankt Martin zu bewerben, also irgendwo Gottes Fügung gewesen. Obwohl er damals eigentlich keinerlei Veränderung wollte, entschied er sich für Wehr. So kam Kirner am 17. Mai 2000 in die Stadt am Rande des Wehratals, blieb und feiert nun sein silbernes Ortsjubiläum.
Wehr habe ihn als Pfarrer akzeptiert
„Meine Güte und jetzt sind die 25 Jahre so schnell vorbeigegangen“, sagt Kirner. Der 65-Jährige fühlt sich daheim, fühlt sich wohl. Anfangs habe er erst mal geschaut, wie die Menschen in Wehr so sind. Als Pfarrer müsse man seine Erfahrungen machen, ohne dabei bestimmte Erwartungen zu haben. Kirner habe sich auf Wehr eingelassen. Und die Menschen in Wehr haben ihn als ihren Pfarrer akzeptiert – auch dank des Engagements „seiner“ katholischen Kirchengemeinde.
Zweifel am Glauben gehören in Krisen dazu
„Ohne meinen Glauben könnte ich gar nichts machen. An ihm kann ich mich festhalten“, sagt Kirner. In den vergangenen Jahren habe sein Glauben intensiver werden müssen, weil die Anforderungen an ihn als Mensch gewachsen seien. Ein Schlaganfall vor seiner Amtszeit in Wehr und seine Tumorerkrankung haben ihn auf ganzer Linie gefordert, ihm gezeigt, dass auch ein Pfarrer vor Krankheiten nicht gefeit sei. Der Glaube sei für ihn dabei wie ein Dach gewesen, was ihm Schutz bot. Zweifel am Glauben gehören in Krisen immer dazu, „das haben alle“.

Die größte Herausforderung in seiner Amtszeit war das wachsende Aufgabengebiet: Denn der Pfarrer ist seit Langem nicht mehr nur für Wehr tätig, sondern mit seinem Seelsorgeteam zusätzlich für Öflingen und Schwörstadt zuständig. Er leitet die katholische Pfarrei St. Martin der Seelsorgeeinheit Wehr-Öflingen-Schwörstadt gemeinsam mit Diakon Thomas Bergmann und Gemeindereferentin Carmen Horvatic. Kirner versucht, wie er sagt, „es allen recht zu machen.“ Dabei freut ihn zum Beispiel, wenn Schwörstädter in den Wehrer Gottesdienst und umgekehrt Wehrer Kirchenmitglieder nach Schwörstadt kämen.
Pfarrer müssen heute im Team arbeiten
Heutzutage bestimmt ein Pfarrer nicht mehr von oben herab und dirigiert das Leben und Schicksal einer ganzen Gemeinde. Ein Pfarrer müsse heute im Team arbeiten können und seiner Meinung nach individuelle Vorstellungsgespräche für Taufen, Trauer- oder Hochzeitsfeiern anbieten. Bei den Vorbereitungen dazu ist deshalb immer seine erste Frage: „Was habt ihr euch vorgestellt?“
„Ich kann mich gut in Menschen einfühlen“
Als lebensnaher Menschenfreund liege ihm die Gemeindearbeit und die Freude an der Liturgie besonders am Herzen. „Ich kann menschlich gut mit den Leuten umgehen. Ich gehe gern auf sie ein und kann mich in sie einfühlen. Das ist wohl eine Qualität von mir“, gibt er selbstreflektiert zu.
Bei Gottesdiensten achtet Matthias Kirner darauf, dass Lieder und Predigt zusammenpassen, bezieht Wünsche und Ängste der Menschen mit ein, wird aber selten politisch. Dennoch betont er, jeder solle sich die Offenheit bewahren: „Ich habe erlebt, wie Europa zusammengewachsen ist. Wie man ohne Visum über die Grenzen fahren konnte. Es ärgert mich, dass die Grenzen jetzt wieder geschlossen werden. Wir sollten alle mehr in die Zukunft schauen“, appelliert er und wird so doch ein wenig politisch. Der neue weltoffene Papst Leo XIV. aus den USA schenke ihm Hoffnung. Aber was wird, das wisse man nicht, so Kirner.
Wie ist es um Pfarrer Kirners Zukunft bestellt?
„Für meine Kirchengemeinde wünsche ich mir, dass sie weiter wächst und zusammenhält“, sagt Kirner zuversichtlich. Jungen Menschen, die Pfarrer werden wollen, rät er, „mach‘ es, es ist keine verlorene Zeit“. In seiner Amtszeit habe er viel Schönes erlebt. Dabei sei er dankbar für die ehrenamtliche Arbeit seiner vielen Kirchenmitglieder – ob pastoral, karitativ, musikalisch oder in der Seniorenarbeit. Und auch der Pfarrgemeinderat spielt bei der Entwicklung der Kirche eine wichtige Rolle, so Kirner. „Wo soll es hingehen, wie machen wir weiter, entscheiden wir gemeinsam?“ Er hofft trotz Zusammenlegung zur Großpfarrei Bad Säckingen weiter in Wehr verweilen zu dürfen. Wie es um seine Zukunft bestellt ist? Soweit er weiß, könne er als sogenannter Kooperator der Seelsorgeeinheit erhalten bleiben, aber die Leitung der Pfarrei müsse er abgeben.