Der Abriss des Gewerbekanals und der alten Kraftwerke in Wehr hat am Montag begonnen – kurz vorher sind am Samstag noch die bisherigen Bewohner des Kanals mit tatkräftiger Hilfe des Angelsportvereins Wehr in die Wehra umgezogen. Zukünftig soll ein neues und modernes Flusskraftwerk die Papierfabrik Lenz mit Strom versorgen, die Brennet AG und das Gewerbegebiet Wehra verzichten auf ihre Wasserrechte. Nach Möglichkeit will die Stadt ein Teilstück des Kanals im Bereich das Alten Schlosses bis zum Ludingarten erhalten.

Aussortiert: Neben den Fischen finden sich auch viele Flusskrebse im Gewerbekanal. Dieser eingewanderte Signalkrebs wird nicht mehr ...
Aussortiert: Neben den Fischen finden sich auch viele Flusskrebse im Gewerbekanal. Dieser eingewanderte Signalkrebs wird nicht mehr ausgesetzt, denn die invasive Art bedroht als Träger der Krebspest und als Futterkonkurrent die einheimischen Bestände. | Bild: Julia Becker

Mit mehr als 40 Helfern standen die Fischer am Samstagmorgen trotz Minusgraden bereit, um Forellen, Äschen, Rotaugen, Kanalbarsche, Döbel und Groppen aus dem etwa 1600 Meter langen Kanal umzusetzen. Fast 250 Fische wurden gefangen, viele wurden schon durch das ablaufende Wasser von alleine in die Wehra gespült. Vor allem Groppen und auch Bachforellen hatten sich den Kanal als Lebensraum ausgesucht. In zwei Gruppen ging es vom Brennet-Gelände aus nach Norden bis zum Gewerbezentrum Wehra und im Süden bis zum Ludingarten.

Aufgeräumt: Mit Stirnleuchte, Kescher und Eimer machten sich die Fischer auf den Weg, um die letzten Nachzügler einzusammeln. Weite ...
Aufgeräumt: Mit Stirnleuchte, Kescher und Eimer machten sich die Fischer auf den Weg, um die letzten Nachzügler einzusammeln. Weite Teile des Gewerbekanals sind überdeckelt und haben selten Stehhöhe. | Bild: Julia Becker

Neben einfachen Netzen kamen auch Elektrokescher zum Einsatz. Das Elektrofischen ist eine schonende Art, die Tiere zu fangen, sagt der Vereinsvorsitzende Winfried Eckert: Die Fische werden durch den Strom angelockt und leicht betäubt. So lassen sie sich mit wenig Stress einfangen und in die Wehra bringen. Für die Aktion waren zwei bis drei Stunden angesetzt, leichte Verzögerungen gab es nur durch den teils sehr langsam fallenden Wasserstand.

So sieht der Gewerbekanal fast leer aus.
So sieht der Gewerbekanal fast leer aus. | Bild: Julia Becker

Normalerweise hat der Gewerbekanal einen Wasserstand von etwa 50 Zentimetern, für die Fang-Aktion sollte er auf zehn bis 20 Zentimeter abgesenkt werden. „Bei der Brennet ist der Kanal sehr eben und hat so nur eine geringe Fließgeschwindigkeit“, erklärt Christoph Eckert vom Gewerbezentrum Wehra, der Miteigentümer des Kanals ist. Zusammen mit Michael Jenisch für die Papierfabrik Lenz hatte er am Morgen die Wasserzufuhr abgedreht. Mit der Öffnung der Überflüsse an den bestehenden Kraftwerken wurde dann der benötigte Wasserspiegel eingestellt. Am späten Vormittag fiel der Kanal schließlich fast komplett trocken.

Ein Gewinn für den Naturschutz

Dass die gefangenen Fische relativ zahlreich und auch recht groß waren, überrascht die Fischer nicht: „Vor allem der im Vergleich zur Wehra hohe Wasserstand macht den Gewerbekanal für Fische interessant“, erklärt Winfried Eckert. Gleichzeitig ist diese Tatsache ein langjähriger Kritikpunkt des Angelsportvereins: „Die Wehra führt immer weniger Wasser, fällt im Sommer fast trocken. Dass jetzt der Gewerbekanal stillgelegt wird, begrüßen wir darum sehr.“

Während über Jahrhunderte das Hochwasser der Wehra immer wieder für Zerstörung und sogar Tote sorgte, führte der Bau des Stauwerks zu einer deutlichen Regulierung der Wassermenge. Die teils jahrhundertealten Wasserrechte an der Wehra räumten den Betrieben weitreichende Entnahmerechte ein. Außerdem sei die Wassertemperatur durch den Stausee gestiegen, sagt Eckert. Die vergangenen heißen Sommer hätten die Situation noch verschärft. „Wir haben den Kanal in der Vergangenheit mehrfach abgefischt – so wenig Fische wie diesmal hatten wir dabei noch nie“, so Eckert.